Ude und Monatzeder:Auslaufmodell Stadtregierung

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Der eine ist mit den Gedanken schon beim Landtagswahlkampf, der andere hat gerade sein politisches Waterloo erlebt: Die Münchner Noch-Bürgermeister Christian Ude und Hep Monatzeder sind nicht mehr das Kraftzentrum des rot-grünen Bündnisses - es droht der politische Stillstand.

Peter Fahrenholz

Vor ziemlich genau einem Jahr war die Welt von Rot-Grün noch in Ordnung. Oberbürgermeister Christian Ude hielt eine launige Laudatio zum 60. Geburtstag seines grünen Kompagnons Hep Monatzeder, wie immer gespickt mit feinsinnigen Seitenhieben. Monatzeder sei ja sehr beliebt in München, stichelte Ude, jetzt müsse er nur noch seiner Partei nahebringen, dass das kein Nachteil sei.

So schön war die Zeit: Christian Ude war der Bürger-King, Hep Monatzeder grüner Held aller Radler. Zu zweit bestimmten sie die Rathaus-Politik. Inzwischen scheinen aber ihre Kräfte erlahmt zu sein. (Foto: SZ-Collage: Dennis Schmidt)

"Schön hast geredet, wie immer", bedankte sich Monatzeder. Von Udes Plänen, als SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2013 anzutreten, wusste auf der Geburtstagsparty noch niemand. Alles schien so wie immer - Rot-Grün klopft sich gegenseitig auf die Schulter, die Opposition ist auch eingeladen und gratuliert artig.

Heute sieht das alles sehr anders aus. Ude und Monatzeder, die beiden Galionsfiguren der rot-grünen Koalition, sind nicht mehr das Kraftzentrum dieses Bündnisses und damit auch nicht mehr die Garanten für dessen Stabilität. Ude ist mit seinen Gedanken schon ganz woanders und Monatzeder hat gerade sein politisches Waterloo erlebt: Seine Partei hat ihn bei der Kür des OB-Kandidaten nicht nur verschmäht, sie hat ihn mit einem Ergebnis von nur 30 Prozent geradezu gedemütigt.

Gemessen am Schicksal seines Weggefährten Monatzeder ist Udes Lage einerseits komfortabler, andererseits aber viel komplizierter. Ude ist noch im Rennen, aber das Rennen läuft nicht so, wie er sich das beim Start vorgestellt hat.

Ein "zweijähriges Crescendo" hatte Ude bei seiner Kür (die eher eine Art Ausrufung war, weil die formelle Nominierung erst noch erfolgen muss) im vergangenen Herbst versprochen. Mittlerweile hat er erleben müssen, dass es unmöglich ist, über einen so langen Zeitraum den politischen Spannungsbogen nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern auch noch zu steigern.

Politische Pygmäen

Nach dem euphorischen Auftakt kämpft sich der Kandidat Ude derzeit eher mit den Mühen der Ebene ab. Dabei werden politische aber auch persönliche Schwächen erkennbar, die man bei Ude vorher so nie erlebt hat. In München hatte Ude nach dem ersten harten Kampf gegen Peter Gauweiler um das OB-Amt nie mehr einen gleichrangigen Gegner.

Seine CSU-Herausforderer waren eher das, was Franz Josef Strauß einst, gemünzt auf die CDU, politische Pygmäen nannte. Ihre Kritik konnte Ude mit der Süffisanz, die er so meisterlich beherrscht, an sich abperlen lassen. Zumal es ohnehin niemand wagte, Ude allzu hart persönlich anzugreifen, das wäre ja Majestätsbeleidigung gewesen.

Jetzt ist der OB immer wieder mit scharfer Kritik konfrontiert - und die irritiert ihn mehr, als er zugeben möchte. Als er im vergangenen Herbst bei einer Podiumsdiskussion zur dritten Startbahn in Freising von Hunderten aufgebrachter Zuhörer Pfiffe und Buhrufe kassierte, wirkte Ude regelrecht verstört.

Außerdem ist sein Rivale Horst Seehofer ein ganz anderes politisches Kaliber, als Ude das aus München gewohnt ist. Seehofer ist von einer taktischen Raffinesse und Skrupellosigkeit, mit der Ude sichtlich große Probleme hat. Der CSU-Chef ist nicht nur der größte Zocker in der deutschen Politik, er hat vor allem die besten Nerven von allen. Statt sich von Ude provozieren zu lassen, provoziert er seinerseits den Widersacher permanent - Ude reagiert meist gereizt darauf. Gerne lässt Seehofer durchblicken, es gebe in München einen, der in jede Falle hineinlaufe, die man ihm aufstelle. Gemeint ist Ude.

Außerdem muss Ude eine schwierige Doppelrolle spielen: In allen großen Konflikten, ob es nun die Startbahn ist, die Stammstrecke oder die GBW-Wohnungen, ist stets er zugleich Münchner OB und Herausforderer von Seehofer. In seiner Rolle als Stadtoberhaupt muss er an möglichst zügigen Sachlösungen interessiert sein; als SPD-Spitzenkandidat muss er darauf achten, im Kräftemessen mit Seehofer nicht als Verlierer dazustehen.

Beides unter einen Hut zu bringen, ist fast unmöglich, und so wirkt Ude in landespolitischen Gefechten häufig nicht witzig und souverän wie auf der Münchner Rathausbühne, sondern verbissen und rechthaberisch.

Hep Monatzeder würde sich vermutlich trotzdem wünschen, Udes Probleme zu haben. Denn Monatzeders politische Welt ist gerade zusammengebrochen. Vor wenigen Monaten hatte er noch darüber philosophiert, wie gut doch die Chancen für die Grünen bei der OB-Wahl seien und damit natürlich gemeint: wie gut er selbst im Rennen liege. Jetzt ist er an einer weitgehend unbekannten Stadträtin gescheitert, so brutal und deutlich, wie niemand es erwartet hätte.

Streng genommen müsste einer nach so einer Klatsche, so einem Misstrauensvotum der eigenen Leute, sofort zurücktreten. Aber Monatzeder will, so sagt er es, seine Amtszeit zu Ende bringen. Das klingt nach Abwicklung. Frische Impulse für die Stadtpolitik sind von ihm wohl nicht mehr zu erwarten. Das gilt, zumindest bis zur Wahl 2014, auch für die Grünen insgesamt.

Schmid ist praktisch abgetaucht

Nicht nur Monatzeder wurde abgewählt, auch Fraktionschefin Lydia Dietrich muss gehen, ihr Co-Vorsitzender Siegfried Benker ist als neuer Chef des München-Stifts auf dem Absprung. Die Grünen haben einen rasanten personellen Wechsel vollzogen, der mehr ist als eine reine Verjüngung. Das Sagen haben jetzt Kräfte, die unübersehbar auf Distanz zur Ära Ude/Monatzeder gehen und ein neues Kapitel aufschlagen wollen.

Die rot-grüne Agonie müsste eigentlich die Stunde der Opposition sein. Doch statt die Initiative zu übernehmen, ist Josef Schmid, der OB-Kandidat der CSU, seit geraumer Zeit praktisch abgetaucht. Zu den großen Streitthemen gibt meist Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle den Ton vor, und weil der einen Hang zur Rüpelei hat, spielt sich das eher auf einer unsachlichen Ebene ab, die die rot-grünen Regenten kaum beunruhigen muss. Wesentlich präsenter agiert da schon Michael Mattar mit seiner FDP, doch die Liberalen sind in München viel zu klein und schwach, um wirklich eine Rolle zu spielen.

Einer Stadtregierung, der der Motor fehlt und die so wirkt, als sei sie ihrer selbst überdrüssig, steht eine kraftlose Opposition gegenüber. Damit droht in München bis zu den Kommunalwahlen im Frühjahr 2014 eine lange Phase politischen Stillstands. Für eine Stadt, die sowieso einen Hang zur Selbstgenügsamkeit hat, ist das kein gutes Zeichen.

© SZ vom 28.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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