Münchens OB Ude und der Flughafenausbau:Der Verlierer wirkt befreit

Für Christian Ude war der Flughafenausbau eine Klippe auf dem Weg in die Staatskanzlei. Diese Sorge ist er nun los. Jetzt ist er an das Bürgervotum gebunden und wechselt somit ins Lager der Startbahngegner. Doch das Image des Oberbürgermeisters hat Kratzer abbekommen.

Dominik Hutter

Am Tag danach setzt der Verlierer auf die positiven Aspekte. Dass es nun keinen Konflikt mehr gebe mit Grünen und Freien Wählern, den beiden Wunschpartnern auf Landesebene. Und dass endlich Konsens bestehe zwischen der startbahnkritischen Bayern-SPD und dem Münchner Unterbezirk.

Christian Ude und der Bürgerentscheid zum Flughafenausbau in München

"Ich sehe mich in keiner Weise beschädigt": Oberbürgermeister Christian Ude.

(Foto: dpa)

Christian Ude wirkt gelöst. Was nicht wirklich verwundert. Haben ihm die Münchner doch geholfen, ganz elegant eine Klippe zu umschiffen, an der sein Projekt Regierungswechsel leicht hätte Schiffbruch erleiden können: den Streit über die dritte Startbahn am Münchner Flughafen. "Ich bin jetzt an das Bürgervotum gebunden", sagt Ude. Ein Satz, der zunächst an Einengung denken lässt, an eine Rolle als politische Marionette. Tatsächlich ist er für Ude ein Befreiungsschlag. Der Satz wird wohl noch öfter fallen in den kommenden Monaten.

Wie einfach kann doch Politik sein, wenn alles schon entschieden ist. Niemand kann dem Münchner Oberbürgermeister absprechen, dass er ernsthaft am Startbahn-Bau interessiert war. Durch die Brille des Ministerpräsidenten-Kandidaten aber war dies das Beste, was passieren konnte. Zumal Udes "Crescendo", das er für den Zwei-Jahres-Wahlkampf versprochen hatte, einem "Diminuendo" gewichen ist, einem Leiserwerden. Irgendwie ist gerade die Luft heraus.

"Ich sehe mich in keiner Weise beschädigt", sagt Ude selbstbewusst. "Auch wenn ich in der Sache unterlegen bin." Ude war Startbahnbefürworter, daran gilt es noch einmal zu erinnern. Denn künftig wird die Front anders verlaufen. Ude und mit ihm die ganze SPD werden ins Lager der Startbahngegner wechseln - weil sie ja an das Bürgervotum gebunden sind. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dagegen, der einstige Verbündete, wird weiterhin für das Projekt werben. Was beiden den Wahlkampf vereinfacht - schließlich ist es prägnanter, unterschiedliche Positionen zu besetzen.

Dafür verläuft nun die Trennlinie, die einst durch die SPD verlief und auch das Verhältnis zu den Grünen belastete, mitten durch die CSU. Denn die ist im Münchner Rathaus an das Bürgervotum gebunden, und damit auf der anderen Seite als der Ministerpräsident. Eine Rolle, die sie übrigens mit der FDP verbindet.

Es ist allerdings keineswegs ausgemacht, dass Ude ohne Kratzer aus der verlorenen Dauerdebatte hervorgeht. Immerhin hat der SPD-Kandidat in spe vor einigen Monaten sein politisches Schicksal mit dem Projekt verbunden, das nun mit Pauken und Trompeten untergegangen ist - indem er seine Kandidatur an ein Ja der Bayern-SPD zur dritten Startbahn knüpfte.

Den Flughafenausbau hielt Ude einst für existenziell

Den Münchnern scheint dieses eindeutige Signal, für wie existenziell ihr OB den Flughafenausbau hält, schlicht entgangen zu sein. Oder sie misstrauen seiner Urteilskraft. Ohnehin hat Ude schon in der Vergangenheit kein glückliches Händchen bei Volksabstimmungen gehabt: Die Abstimmung über die Tunnel am Mittleren Ring ging ebenso verloren wie der Hochhaus-Entscheid. Lediglich beim Bau der Allianz-Arena folgten die Münchner dem mit immerhin 67 Prozent gewählten Rathaus-Chef, damals sekundiert vom FC Bayern.

Entsprechend scharf schießen nun Udes Gegner, die einstigen Startbahn-Verbündeten von der CSU. Der SPD-Mann habe offenkundig seine Stadt nicht im Griff und sei obendrein in den vergangenen Wochen nicht eben durch großes Engagement aufgefallen. Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle argumentiert so, ebenso wie Finanzminister Markus Söder oder CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

Mit solchen Attacken freilich kann Ude gut umgehen. Offenkundig messe sich die CSU in München "null Bedeutung" zu - gerade so, als sei die Landeshauptstadt eine Exklave im ansonsten schwarz-gelb regierten Bayern. "Ich bin der einzige, der monatelang den Kopf hingehalten hat", sagt er an die Adresse der Staatsregierung gerichtet. Und schiebt nach, dass man nach diesen Erfahrungen nur warnen könne vor einem Bündnis mit der CSU. Man sei doch eigentlich gemeinsam gestartet, habe gemeinsam verloren, und nun schiebe die CSU dem einstigen Verbündeten die Schuld in die Schuhe.

Tatsächlich sind die Christsozialen ziemlich angreifbar beim Thema Bürgerentscheid. Seehofer selbst hat sich in der Öffentlichkeit kaum für den Flughafenausbau engagiert. Und fällt nun durch eine Aktion auf, die rätselhaft ist: Der Freistaat sei durch das Votum nicht gebunden, man wolle das Projekt weiterverfolgen. Wie das genau geschehen könnte, gibt auch dem Juristen Ude Rätsel auf. "Wer Flughafenanteile kaufen will, benötigt jemanden, der sie verkauft", betont er.

Um gleich zu sagen, wer als Verkäufer nicht in Frage kommt: die Stadt München, die keinerlei Tricksereien dulden wolle. Auch Seehofers Idee, die Landtagswahl zu einem bayernweiten Startbahn-Plebiszit zu machen, findet Ude "reichlich kurios". Denn ganz egal, welche Legitimation der Freistaat auch wählt - am Veto der Stadt in der Gesellschafterversammlung kommt auch Seehofer nicht vorbei. Schließlich fühlt sich die Stadt an das Bürgervotum gebunden.

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