Freiham mit im Blick:Burschen, Bildung, Beteiligung

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Neu-Besetzung: die beiden Macherinnen der Aubinger Stadtteilkultur, Stefanie Junggunst (links) und Charlotte Coosemans. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Aubinger Stadtteilzentrum Ubo 9 startet unter neuer Trägerschaft noch einmal durch. Die Adresse soll im Viertel weiterhin als kultureller Treffpunkt wahrgenommen werden, aber künftig auch den Nachbarn spannende Angebote unterbreiten.

Von Ellen Draxel

"Ist toll hier im Ubo 9", konstatiert Stefanie Junggunst. Vor allem, betont die neue Leiterin des Aubinger Kulturzentrums, seien die Menschen, mit denen sie bisher zu tun gehabt habe, "sehr engagiert". Kaum, dass die 51-Jährige ihren Satz beendet hat, klopft es wie zum Beweis an der Tür: Ein Ehrenamtlicher bietet seine Hilfe beim Aufhängen des neuen Briefkastens an. Mit ihrer Kollegin Charlotte Coosemanns sitzt Junggunst, die in den vergangenen zwei Jahren bereits als Kultur-Streetworkerin im Viertel aktiv war, in der als Besprechungsraum genutzten Küche des Ubo 9. Es gilt zu planen: Anfang des Jahres hat die Trägerschaft des Stadtteilkulturzentrums gewechselt, Betreiber ist nach der erfolgreichen Aufbauarbeit durch das Kulturnetz 22 jetzt die gemeinnützige Gesellschaft Quarter M - eine Tochter des seit mehr als 30 Jahren in München tätigen Vereins für Sozialarbeit.

Der neue Träger hat zugleich die Aufgabe, das Stadtteilkulturzentrum in Freiham, das Anfang 2024 eröffnen soll, zu einem integrierenden, vernetzenden und identitätsstiftenden Anziehungs- und Treffpunkt zu entwickeln. "Kultur", weiß Stefanie Junggunst, "bringt Menschen zusammen". Diese Erfahrung hat sie erstmals in der Blumenau gemacht, wo sie zehn Jahre den dortigen Nachbarschaftstreff geleitet hat. Engagieren sich Interessierte gemeinsam für ein Projekt, lernen sie sich kennen und schätzen. Über scheinbare Grenzen hinweg. Aus diesem Grund sollen die Aubinger das Ubo 9 auch künftig als "ihren Ort sehen, den sie mitgestalten können". Kreativ, mit eigenen Ideen und unterstützt von Junggunst und Coosemanns.

"Wir sind sehr offen und wollen eher wenig vorgeben, wie das Stadtteilkulturzentrum genutzt werden kann", sagen die beiden Frauen. "Aber wir werden allen Aktiven mit unserer Expertise zur Seite stehen." Dazu gehört einerseits, dass "Bewährtes weitergeführt werden" soll. Das Open-Stage-Programm, das Münchner Sängern und Songwritern regelmäßig eine Bühne bietet, wird daher auch in Zukunft zu erleben sein - das nächste Mal am 10. März mit einer Session von Bands aus dem Viertel. Anspruchsvolle Kindertheater-Inszenierungen werden weiterhin zu sehen sein. Und auch die Zusammenarbeit mit der Münchner Volkshochschule ist gesetzt, sodass Kurse wie Aquarellzeichnen, Italienisch, Gitarre lernen oder Kalligraphie ebenso stattfinden können wie Vorträge oder die Aubinger Gespräche.

Konzerte sind, wie beim Folk-Blues-Künstler Rusty Stone, im Kulturzentrum Ubo 9 immer wieder im Programm. (Foto: Martins Krämer, oh)

Zu der bewusst konzipierten engen Kooperation mit Vereinen, Akteuren und Künstlern vor Ort zählen unter anderem Ausstellungen des Aubinger Künstlerkreises. Junggunst verspricht, die Eintrittspreise "moderat" zu halten und auch Veranstaltungen ohne Eintritt anzubieten, um allen Nachbarn die kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Darüber hinaus geht es darum, Neues auszuprobieren. Ein "großes Anliegen" ist dem Ubo-Team die Förderung von Geschichte und Brauchtum. Unter dem Motto "Heimatkunde 3.0" planen Junggunst und Coosemanns deshalb in Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen Formate, die auch die junge Generation "begeistern". Das Dorfmodell im Kulturzentrum etwa könnte dafür um interaktive Funktionen erweitert werden - in Form von Audiofunktionen oder Visualisierungen beispielsweise.

Bürgerbeteiligung könnte künftig künstlerisch begleitet werden

Eine andere Idee, die Coosemanns bereits im Auge hat, ist, Bürgerbeteiligungsformate künstlerisch zu begleiten. Die Neugestaltung des Areals der Ubostraße 7-9 würde sich ihrer Ansicht nach gut für die Konzeption selbstgemachter Magazine im Sinne der Fanzine-Kultur eignen. Die 32-jährige Kulturvermittlerin hat viel Erfahrung mit soziokultureller Jugendarbeit: Zuletzt hat sie ein ehrenamtliches Jugendgremium im Lenbachhaus aufgebaut, dessen Aufgabe es ist, das Museum für junge Leute interessant zu gestalten. In Aubing will sie die Zusammenarbeit mit Treffs wie der Aubinger Tenne intensivieren, aber auch den Madl- und Burschenverein einbinden. Und Menschen mit Migrationsgeschichte. "Wir wollen wissen: Gibt es aus dem Kulturkreis Nachbarn, die vielleicht selbst künstlerisch aktiv sind? Oder die jemanden Spezielles einladen möchten?"

Gearbeitet wird in diesem Kontext bereits an einer Kooperation mit dem Bildungslokal: Nach dem Motto einer "Living Library", einer lebenden Bibliothek, ist im Gespräch, Menschen einzuladen, die ihre Lebensgeschichte erzählen. "Essenziell" ist für Junggunst und Coosemanns bei alldem der stadtteilübergreifende Aspekt. Die Angebote sollten, betonen sie, so gestrickt sein, dass sie explizit auch das Interesse von Aubings Nachbarn wecken. Zumal der Aufbau des Freihamer Stadtteilkulturzentrums bislang noch in den Kinderschuhen steckt. Dort gelte es zunächst, erste Kontakte zu knüpfen, sagt Coosemanns.

Wie Kultur und Gemeinwesen im Viertel künftig aussehen könnten, ist Thema einer Zukunftswerkstatt im Ubo 9 am Samstag, 21. Mai, von 10 bis 17 Uhr. Der Workshop hätte ursprünglich bereits im November stattfinden sollen, musste coronabedingt aber mehrmals verschoben werden. Wer Interesse an einer Mitarbeit hat, meldet sich telefonisch bei Junggunst unter 01523/897 09 56 oder per E-Mail an ubo9@quarterm.de an. Erreichbar ist das Kultur-Team außerdem jederzeit dienstags von 10 bis 13 Uhr, donnerstags von 16 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung.

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