U-Bahn-Netz:Eine neue Röhre für München

Das U-Bahn-Streckennetz soll um die U9 erweitert werden. Die SZ beantwortet die zehn wichtigsten Fragen zur neuen U-Bahn.

Dominik Hutter

Der Vorstoß kam überraschend: SPD und Grüne wollen eine neue U-Bahnstrecke durchs Münchner Stadtzentrum bauen - die erste seit Eröffnung der U4/U5 in den 1980er Jahren. Ob aus dem kühnen Plan Realität wird, steht freilich noch längst nicht fest. Die Planungen und Prüfungen werden Jahre in Anspruch nehmen und können durchaus auch scheitern. Dennoch ist die Idee schon recht konkret - die MVG hat sich bereits intensiv mit der "U9" befasst, Betriebskonzepte entwickelt und eine mögliche Trassenführung ausgetüftelt. Die SZ beantwortet die zehn wichtigsten Fragen zur neuen U-Bahn.

U-Bahn-Netz: Neue Strecken für München: die geplante Erweiterung der U-Bahn.

Neue Strecken für München: die geplante Erweiterung der U-Bahn.

(Foto: Grafik: SZ)

Warum benötigt München eine neue U-Bahn?

Wer sich öfters zu den Stoßzeiten durch die Abteile drängelt, weiß: Es ist eng geworden in der Münchner U-Bahn, vor allem in den zentralen Abschnitten von U3/U6 und U1/U2. Große Probleme bereiten die zunehmend überlasteten Umsteigebahnhöfe Sendlinger Tor, Hauptbahnhof, Odeonsplatz und Marienplatz, die die Passagierströme zeitweise kaum mehr aufnehmen können. Da der MVV schon heute jährlich neue Fahrgastrekorde vermeldet und die Einwohnerzahl im Großraum München weiter ansteigen wird, sollte also im Interesse der Fahrgäste und der Umwelt etwas geschehen. MVG-Chef Herbert König sieht die neue U9 als idealen Bypass der überfüllten Abschnitte - vor allem der U3/U6, die ähnlich stark belastet sei wie die S-Bahn-Stammstrecke. "Die U9 könnte alle sich abzeichnenden Engpassprobleme auf einmal lösen", schwärmt König. Und die Fahrgäste müssten viel seltener umsteigen. So könnte eine Direktverbindung zwischen dem Münchner Süden und dem Hauptbahnhof den Umsteigebahnhof Sendlinger Tor ganz erheblich entlasten.

Wo soll die Trasse verlaufen?

Bisher gibt es nur eine Ideenskizze der MVG. Demnach fädelt die U9 zwischen Impler- und Poccistraße aus der U3/U6 aus - dort befindet sich bereits heute ein Abzweig zu einer dreigleisigen unterirdischen Abstellanlage unterhalb der Theresienwiese. Der "Geheimtunnel" selbst bliebe aber wohl unangetastet, die U-Bahn bekäme eine eigene, neue Strecke. Ob an der Theresienwiese ein zusätzlicher Bahnhof sinnvoll wäre, ist noch offen. Fest gebucht ist freilich ein Stopp am Hauptbahnhof, wo unterhalb der Gleishalle noch Platz für eine Station wäre - eine Ebene tiefer als S-Bahn und U4/U5, aber oberhalb von U1/U2 und zweiter Stammstrecke. Von dort aus geht es in einer Rechtskurve Richtung Pinakotheken (der dortige Stopp ist ebenfalls nur optional) und dann in der Diretissima zur Münchner Freiheit. Dort gibt es zwei Varianten: eine Einfädelung südlich der Station in den U3/U6-Tunnel - oder aber ein neuer Bahnhof eine Etage unterhalb des bestehenden. Die Verbindung mit dem Altnetz würde dann erst kurz vor der Dietlindenstraße erfolgen.

Eine neue Röhre für München

Was soll die Strecke kosten?

Das müssen die Untersuchungen ergeben. Die Faustregel lautet aber: Ein Kilometer U-Bahn, die Bahnhöfe inklusive, kostet etwa 50 bis 60 Millionen Euro. Macht bei einer Streckenlänge von fünf bis sechs Kilometer also 250 bis 360 Millionen Euro - aus heutiger Sicht. Die Stadt muss davon normalerweise nur etwa 20 Prozent aufbringen, den Rest zahlen Bund und Freistaat. Die rechtliche Grundlage dieser Aufteilung, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, läuft allerdings bis 2019 aus. Bisher ist unklar, wie es dann weitergeht. Die Zuschüsse gibt es allerdings nur, wenn das Projekt die Nutzen-Kosten-Prüfung übersteht. Dies ist keineswegs sicher.

Wann könnte die U9 eröffnet werden?

Es handelt sich um ein Projekt fürs nächste Jahrzehnt. König schätzt, dass mindestens sieben Jahre vergehen, bis die Planungsverfahren abgeschlossen sind. Dazu kommt die Bauzeit. Die U9 sei eine "Zukunftsplanung", vergleichbar den Nahverkehrsvisionen von Hans-Jochen Vogel in den 1960er Jahren.

Eine neue Röhre für München

Wie könnte ein sinnvolles Betriebskonzept aussehen?

Zum Beispiel: Die U9 übernimmt den Südast der U6, fährt also Klinikum Großhadern-Implerstraße-Hauptbahnhof-Münchner Freiheit und dann noch ein Stückchen gemeinsam mit der U6 nordwärts. Danach wird die nicht mehr so wichtige U6 auf einen Zehn-Minuten-Takt ausgedünnt. Die freiwerdenden Trassen auf der Strecke über Sendlinger Tor und Marienplatz übernehmen Züge, die wie die U3 zum Scheidplatz fahren, dort aber auf die U2 gen Feldmoching abbiegen. Macht noch einmal ein paar Umsteigevorgänge weniger. Theoretisch bestehen jedoch viele Möglichkeiten.

Welche Belastungen kommen auf die Anwohner zu?

Das ist noch nicht vorhersehbar. U-Bahnstrecken werden aber normalerweise in Maulwurfsmanier bergmännisch gebaut. Nervig wird es allenfalls in der Nähe der Startschächte sowie, in geringerem Ausmaß, rund um die Notausstiege.

Eine neue Röhre für München

Verhindert die U9 andere U-Bahn-Projekte, etwa die U5 nach Pasing?

Natürlich kann jeder Euro nur einmal ausgegeben werden. Planerisch gibt es jedoch keinen Zusammenhang der U9 mit den drei im Nahverkehrsplan vertretenen Verlängerungen: der U4 nach Englschalking, der U5 nach Pasing und der U6 nach Martinsried. Im Falle der U5 muss allerdings abgewartet werden, ob der zweite S-Bahn-Tunnel gebaut wird - beide Röhren gleichzeitig dürften wohl niemals den erforderlichen Kosten-Nutzen-Wert erreichen.

Was bedeutet ein weiterer Ausbau der U-Bahn für das Trambahnnetz?

Er hat keinerlei Auswirkungen, versichern SPD und Grüne hoch und heilig - auch nicht auf die Linie27 in der Barer Straße, die der neuen Röhre am nächsten kommt. Die Rathauskoalition hat vielmehr vor, nicht nur die U9, sondern auch diverse Tram-Neubaustrecken anzugehen, darunter die Westtangente durch die Fürstenrieder Straße sowie Verlängerungen gen Freiham (Linie19) und Bayernkaserne (Linie23).

Eine neue Röhre für München

Wäre es nicht sinnvoller, den Verkehr auf den bestehenden U-Bahnstrecken zu verdichten?

Schon seit dem Fahrplanwechsel im Dezember sind auf vielen Linien mehr Züge unterwegs. Theoretisch wäre es möglich, den Zweieinhalb-Minuten-Takt zur Stoßzeit noch zu verkürzen. Viel geht allerdings nicht mehr. Die Grenzen setzen das Signalsystem und, in München der ausschlaggebende Punkt, die Aufenthaltszeit der Züge an den Bahnhöfen. Irgendwann müssten die Leute im Zeitraffertempo ein- und aussteigen - oder die Züge stauen sich hinten im Tunnel. Eine Erweiterung der Sardinenstationen Sendlinger Tor, Hauptbahnhof und Odeonsplatz ist kaum möglich.

Wie geht es jetzt weiter?

Beschlossen ist noch gar nichts. Die Verwaltung bearbeitet derzeit die Anträge aus der rot-grünen "ÖPNV-Offensive". Einen Termin für die Abstimmung im Stadtrat gibt es noch nicht - für die U-Bahn müsste als erster Schritt ein Planungsauftrag erteilt werden. Um die Bedeutung der "ÖPNV-Offensive" herauszustellen und Tempo zu machen, wollen SPD und Grüne spezielle Arbeitsgruppen mit Experten aus allen beteiligten Referaten bilden.

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