Weihnachten:Typologie der Schenker

Lesezeit: 5 min

Illustration: Lisa Bucher (Foto: N/A)

Der eine hat die Geschenke schon längst verpackt, der andere stürzt in letzter Minute in die Läden. Einer schreibt Gedichte, der andere faltet Geldscheine. Ein Überblick von Streber bis Patriot.

Von SZ-Autorinnen

Der Advent bedeutet für die wenigsten eine besinnliche, ruhige Zeit. Das richtige Management des Weihnachtsfestes gleicht inzwischen einer logistischen Großaufgabe, an die aber jeder anders herangeht. Eine Typologie.

Der Späte

Am 24. Dezember gehen Menschen zum Metzger und holen die Gänsekeule ab, die sie vorbestellt haben, das war's. Der Späte ist da anders. Wieso soll er sich die ganze Adventszeit stressen, wenn er den Stress an einem Vormittag bündeln kann? Der Späte wacht an Heiligabend auf, er hat keine Einkaufsliste und keine Geschenke für die Familie, aber das kümmert ihn nicht. Letztes Jahr hat's auch geklappt. Er drängt sich in die Fußgängerzone, hat Striemen an den Händen vor lauter schweren Tüten, aber bekommt alles. Normalerweise. Heuer aber wird der Späte scheitern, weil er die Tücke des Kalenders viel zu spät bemerken wird: Heiligabend ist ein Sonntag, an dem Metzger und Kaufhäuser geschlossen und allenfalls eine Handvoll Supermärkte kurz geöffnet haben werden. Der Späte hat heuer also nur zwei Möglichkeiten: Entweder er ändert sich - oder Weihnachten fällt aus. Von Gianna Niewel

Der Idealist

Geschenke kaufen? Wie lieblos. Der Idealist hat nicht vergessen, was ihm als Kind wieder und wieder in der Adventszeit eingetrichtert wurde: Über nichts freut sich die versammelte Verwandtschaft so sehr wie über einen ganz persönlichen Beitrag, ja, ein gemeinsames Erlebnis, das sich ins Gedächtnis gräbt. Das kann ein Gedicht sein oder ein Blockflötenspiel - das sich auch gleich noch in Großvaters Trommelfell hämmert. Wird der Idealist dann älter, wird aus dem Blockflötenspiel eine Klaviersonate und aus dem Krippenspiel eine anspruchsvolle Rezitation. Können Verwandte nicht an den Darbietungen unter dem Weihnachtsbaum teilnehmen, verschickt der Idealist Gutscheine für gemeinsame magische Momente. Eine Übernachtung im Iglu oder eine Überquerung der Alpen zum Beispiel - dann muss nur noch ein Termin gefunden werden. Das macht es dem Idealisten oft schwer. Von Inga Rahmsdorf

Der Patriot

Der Patriot verschenkt Weihnachtsgaben wie andere Urlaubsmitbringsel. Nur eben von da, wo er wohnt. Wenn er kurz vor dem Fest im Zug nach Hause sitzt, dann ist sein Koffer voll mit regional geschnitzten Krippenfiguren, in lokal produziertes Loden gebundenen Notizbüchern und Obstbrand aus der Mikrobrennerei am Fuß des nächstgelegenen Gebirgszugs. Der Lokalpatriot hat es weit bis nach Hause, sonst wäre er, zumindest beim Schenken, vielleicht gar keiner. So aber kann er mit seinen Gaben den Hauch des Exotischen unter den Weihnachtsbaum bringen. Außerdem ist es ethisch wie ökologisch korrekt, nichts von weit her zu bestellen - und es ist wunderbar praktisch. Nur Sachen aus der näheren Umgebung zu kaufen, schränkt die Kreativitätsanforderungen gerade so weit ein, dass der Patriot nicht vor den unbegrenzten Möglichkeiten des Schenkens erstarren muss. Von Kathleen Hildebrand

Der Streber

Für den Streber ist der Advent die entspannteste Zeit des Jahres. Andere hetzen durch die Fußgängerzone, Streber dagegen haben vor dem ersten Advent längst alles verpackt. Gerne bringen die Streber ihre Geschenke auch schon vor dem Nikolaustag vorbei - was weg ist, ist weg. Stress haben Streber also höchstens im Juni, wenn ihnen immer noch nichts für Tante Gertrude eingefallen ist. Über Geschenkideen führen die Streber ohnehin das ganze Jahr sorgsam Buch, sodass Monate vorher geäußerte Wünsche erfüllt werden - auch wenn die an Weihnachten längst nicht mehr aktuell sind. Streber verpassen keinen Geburtstag, gratulieren zum Namenstag und vergessen nie, sich zu erkundigen, wie Prüfung oder Vorstellungsgespräch liefen. Klingt anstrengend, ist es auch. Trotzdem wären viele im Inneren wohl gerne Streber. Kriegen es aber einfach nicht hin. Von Elisa Britzelmeier

Der Besserwisser

Der Besserwisser erinnert an den Streber, er kauft die Geschenke aber nicht unbedingt früh - sondern er kauft die richtigen Geschenke. Zumindest sieht er das so. Den Fair-Trade Kaffee. Den Pullover aus biologischer Baumwolle. Die Gemüse-Chips mit dem geringen Fettanteil. Gemeinsam mit dem Geschenk überreicht der Besserwisser also immer auch einen kleinen, netten Vorwurf, und man meint, beobachten zu können, wie sich seine Augenbrauen heben: "Na, das wäre doch mal eine Alternative zu den Kaffeekapseln?" oder "Ich dachte, mit den Chips geht es dir vielleicht besser." Der Besserwisser hat eigentlich Gutes im Sinne, vergisst darüber aber leider die Wünsche der anderen, besonders verdrießlich für Menschen im jüngeren Alter. Die ziehen über dem Holzmemory dann den Mund zur Schnute, der Besserwisser aber lehnt sich zurück. Er weiß: Er steht auf der richtigen Seite. Von Pia Ratzesberger

Wunschzettel
:Barbie und der Weltfrieden

Seit ein paar Jahren schreiben Kinder vermehrt immaterielle Wünsche auf ihre Wunschzettel - das berichten die Mitarbeiter der Weihnachtspostämter. Was hat das zu bedeuten?

Von Magdalena Pulz

Der Pragmatiker

Die Whatsapp-Nachricht des Pragmatikers klingt in etwa so: "Hey, freu mich auf Weihnachten, was wünscht ihr euch? Fahre jetzt in die Stadt. Könnt mir auch einen Amazon-Link schicken." Gesendet an alle. Also an Mama, Papa, Bruder, die Schwester. Und den Partner. Er findet es nicht lieblos oder unweihnachtlich, nach Wünschen zu fragen. Im Gegenteil, er findet es sinnvoll. Der Pragmatiker spart sich so nicht nur die Grübelei, sondern auch peinliche Übergabe-Moderationen - "Ich dachte, so einen schönen Tee magst du doch?!". Der Beschenkte wiederum spart sich eventuelles Freude-Heucheln, während er sich parallel schon überlegt, wie er den Schund wieder los wird. Wünsche abfragen schützt vor der Überkrempelung der Gesellschaft. Wer aber unbedingt eine Überraschung haben will, der darf dem Pragmatiker auch drei Wünsche zur Auswahl schicken. Da ist er nicht so. Von Christiane Lutz

Der Bastler

Bei ihm hat man es meist mit einer Kreuzung zweier Typen zu tun, Bastler plus X. Dabei können wunderbar kreative Geschenke herauskommen. Oder ziemlich scheußliche. Gängig ist die Kombination aus Idealist und Bastler. Es soll etwas von Herzen sein? Ein selbst eingesprochenes Hörbuch vielleicht. Der Bastel-Streber hat gefährlich viel Zeit, oft entsteht dabei "was Dekoratives". Blöd, wenn die Geschmäcker nicht identisch sind. Wer stellt schon gerne selbstgetöpferte Riesengartenzwerge auf? Fatal kann es beim Spät-Bastler werden - Kunstwerke aus Klopapierrollen wollte man in der fünften Klasse schon nicht mehr haben, für Aufwändigeres ist aber keine Zeit. Hoffnung besteht beim Mix aus Bastler und Pragmatiker: Entweder hat er gefragt, was es sein soll, oder es stört zumindest nicht. Selbstgegossene Kerzen zum Beispiel: Die sind weihnachtlich - und verschwinden von selbst. Von Ingrid Fuchs

Der Ökonom

Für ihn gibt es für jedes Problem eine einfache Lösung, also auch für das Weihnachtsfest. Der Ökonom dreht dann den Lautsprecher lauter, die Prinzen singen "Geld, Geld, Geld" und er steckt kleine Scheine in Kuverts. Wenn er besonders viel Zeit hat, wickelt er die Scheine gefaltet an einen Weihnachtsstern, meistens aber hat er die Zeit selbstverständlich nicht. Der Ökonom hat sich ausgerechnet, dass seine Opportunitätskosten dafür zu hoch sind, die eine Stunde kann er effizienter nutzen. Mit seinen Geschenken will er die Wirtschaft fördern, den Konsum. Und treffen er und der Idealist am Weihnachtsabend aufeinander, führt das meistens zu schlechter Stimmung, mit dem Pragmatiker dagegen kommt er gut zurecht. Wird der Ökonom selbst beschenkt, fällt im Übrigen auf, dass er nach einiger Zeit mit seinem Handy nach draußen verschwindet. Preise auf Ebay checken. Von Pia Ratzesberger

Der Besteller

Schwere Päckchen schleppen? Das kennt der Besteller nicht. Über schwitzende Menschen, die sich in überheizten Kaufhäusern aus ihren viel zu dicken Winterjacken pellen, kann er nur lachen. Schon lange musste er nicht mehr in vollen Parkhäusern warten, bis endlich jemand wegfährt. Denn der Besteller geht virtuell im Internet auf Geschenkejagd. Er ist bestens über die Lieferfristen der Online-Anbieter informiert, damit alles rechtzeitig unter dem Christbaum landet. Suchmaschinen zeigen ihm die günstigsten Schnäppchen an, Online-Warenhäuser haben die Vorlieben des Bestellers längst analysiert und schlagen passende Artikel vor. Die Kommentare anderer Nutzer helfen, Schrott von Wertvollem zu unterscheiden. Nun muss das Geschenk dem Beschenkten nur noch gefallen. Denn Umtauschen ist im Internet manchmal wesentlich komplizierter als in der realen Welt. Von Melanie Staudinger

© SZ vom 11.12.2017/ratz/infu/ebri/gin/chlu/mest/inra/khil - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Weihnachten
:Sieben Wege durch die Stille Nacht

"Und wie feiert ihr heuer?" ist die am häufigsten gestellte Frage dieser Tage. Die Antwort darauf fällt unterschiedlich aus. Eine Typologie der Weihnachtsfeiern.

Von Violetta Simon und Magdalena Pulz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: