Typologie der Faschingskostüme:Verwegen, verträumt, verzaubert

In der Faschingszeit gilt: Jedes Kostüm ist eine Chiffre, die es zu entziffern gilt. Was die Renner der Saison wirklich aussagen.

Eine Stilkritik zu den beliebtesten Faschingskostümen.

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Der Münchner Fasching mag an Glamour eingebüßt haben - tot ist er deshalb noch lange nicht. Die Menschen wollen feiern. Das beweist allein schon der Andrang im Kostümladen Cinyburg in der Lindwurmstraße. Dort weiß man, was Narren wollen. Eine Stilkritik der beliebtesten Kostüme in diesem Jahr.

Die Bauchtänzerin

Die Frau von heute, die sich als Bauchtänzerin verkleidet, ist eine Sehnsuchtswumme. Das Kleid selbst: ein Schmachtfetzen. Und so was von exotisch. Erotik? Aber hallo! Darauf kommt es der Faschingsbauchtänzerin an, das ist ihr Statement: Entdecker gesucht. Tanz mit mir, du Cowboy, flirte mit mir, du Seeräuber, und küsse das Potential wach, das unter meinem Tüll am Nabel schlummert. Dann verzaubere ich euch beim Discofox, beim Foxtrott, beim Cha-Cha-Cha gar. Die Faschingsbauchtänzerin will von ihrer Sehnsucht erlöst, vielleicht sogar geheiratet werden. Also, ihr Piraten und Revolverhelden, passt auf, wo ihr hintretet! Es gibt natürlich auch Männer, die sich als Bauchtänzerin verkleiden. Waschbrettbauchtänzer suchen ebenfalls Entdecker. Bierbauchtänzer wollen nur provozieren.

Rudi Neumaier

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Der Römer

Er hat schon mal Quo Vadis gesehen und Asterix gelesen - und hat deshalb auch den philosophisch-historisch-stilistischen Unterbau für sein Outfit. Wer als Römer geht, will damit zeigen, dass er die dekadente Völlerei zu schätzen weiß, seine Kernaussage: Seht her, ein Lebemann. In Sachen Draufgänger-Image muss der Mann in der Toga hinter Cowboys und Cops nicht zurückstecken. Böse Buben gab es im alten Rom schließlich genug - siehe Nero und Konsorten. Dass sein Outfit eher an ein Kleid erinnert, kratzt nicht am Selbstbewusstsein eines Nero-Lookalikes, denn beim Flirten hat er den Jungs mit Pistole oder Knüppel am Gürtel etwas voraus. Das Erobern, weiß er, haben ja sozusagen die Römer erfunden. Doch ob auf einem BR-Ball oder dem Narrhalla-Kehraus: Ein Siegeszug klappt nur, wenn er sich an die goldene Stilregel "bloß keine Socken in den Sandalen" hält. Denn a) bekommen wirklich harte Jungs nie kalte Füße, und b) könnte Frau schnell auf den abtörnenden Gedanken kommen, dass dieser Typ auch bei anderer Gelegenheit gerne die Socken anbehält.

Andreas Schubert

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Das Marienkäferchen

Man trifft sie bevorzugt am Unsinnigen Donnerstag. Und wenn sie sich mit "den Mädels" zum Beispiel auf dem Arabella-Weiberfasching im Hofbräukeller trifft, ist es Ehrensache, dass alle das gleiche Kostüm tragen. Gemeinsam amüsiert es sich leichter, die Botschaft des kollektiven Insekten-Looks lautet: "Auffallen, aber nicht aufreizen." Umschwirrt einer der Käfer dann doch einen vielversprechenden Typen und blitzt dabei ab, lässt sich die Enttäuschung im Schwarm der Freundinnen mit Prosecco kompensieren. Dass andere Kostüme wie Hexe oder Teufelchen oft besser ankommen, liegt übrigens am Kinderfaschings-Appeal des Frauenkäferl-Outfits. Und nicht etwa daran, dass echte Marienkäfer letztes Jahr eine Plage und nicht so leicht wieder aus der Wohnung zu bekommen waren. Zu solch einer uncharmanten Assoziation wäre selbst der leichtlebigste Faschings-Freibeuter nicht fähig.

Andreas Schubert

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Die Matrosin

Die rheinländische Frohnatur Guido Westerwelle hat vor Jahren einen politischen Kalauer von zeitloser Schönheit in die Welt gesetzt: "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Sache regelt." Kapitän wollte er damals sein, kein Leichtmatrose. Dabei ist doch nichts schöner als ein Seemanns-Gewand, die weiß-blaue Uniform der freiesten Branche unter Gottes Himmel. Matrosen und Matrosinnen aller Faschingsbälle, vereinigt euch! Dieses preiswerte und praktische Kostüm bewährt sich sogar im heftigsten Party-Dampf und bei jedweder Brise; es ist außerdem eine erfreuliche Alternative zum übermächtigen Piratentrend. Selbstverständlich lässt sich der Klassiker mit allerhand frivolen Accessoires aufwerten - dann wird aus der Leichtmatrosin ein leichtes Hafenmädchen.

Christian Mayer

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Das Hippie-Mädel

Ihr Lieblings-Film ist das Abba-Kitschical Mamma Mia. Und weil die Siebziger so herrlich bunt waren, hat sie sich aus Mamas Kleiderschrank die knalligsten Stücke herausgefischt und zum Faschingskostüm kombiniert. Freilich wäre es ihr peinlich, wie weiland die Eltern auch im normalen Leben mit psychedelischem Muster auf der Hose herumzulaufen. Aber träumen wird man ja noch dürfen. Davon, dass früher alles lockerer war, dass man auch im 19.Semester an der Uni nicht automatisch als hedonistischer Sozialschmarotzer galt und man nicht erst nach dem 19. Praktikum einen - befristeten - Job bekam. Aber am Aschermittwoch ist auch dieser Traum zu Ende. Dann geht es weiter im Text - das Praktikum wartet schon.

Andreas Schubert

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Der Pirat

Das Matrosen-Kostüm hätte es ja auch getan. Stattdessen musste es der verwegene Pirat werden, der gesetzesbrecherisch die sieben Weltmeere wie seinen Säbelgriff kennt. Überhaupt: Was passt zu solch einem Helden besser als die überdimensionierte Klinge? Der Pirat braucht keine modernen Waffen, er braucht etwas Martialisches. Ein bisschen Fluch der Karibik eben - und ein bisschen Johnny Depp. Ach so: die Frauen. Ihnen huldigt der Pirat natürlich ganz besonders. Um Prinzessinnen, Krankenschwestern oder Minnie-Mäuse besser sichten zu können, verzichtet er schon mal auf die Augenklappe. Nur beim Überfall auf die kecke Matrosin, da wird der Seeräuber wieder ganz zahm.

Verena Hölzl

© SZ vom 09.02.2012/tob
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