Typisch deutsch:Wo sind all die Pfundskerle?

Oktoberfest 2012 - Lederhosen

Beleibtheit ist in München nicht angesagt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Unser Autor hat in seiner Heimat lange an seiner luxuriösen Idealfigur gearbeitet. Hier musste er feststellen, dass viele Menschen auf Magerlook stehen.

Kolumne von Olaleye Akintola

Die Geschichte beginnt im Herbst 2017. Ich hatte gerade zum ersten Mal das Oktoberfest besucht und einen kritischen Text über den Geschmack des Wiesn-Biers verfasst. Ein Blogger reagierte auf meine Story ziemlich humorlos, indem er mich in seinem Blog namentlich als Fettsack bezeichnete. Keine Leserreaktion hat mich mehr ins Grübeln gebracht als diese, und zwar bis heute. Ein "Fettsack"? Welch unwürdige Bezeichnung, nachdem ich solange an meiner luxuriösen Idealfigur gearbeitet habe.

Man denke nur an all die frisch gekochten Kuhinnereien mit nigerianischer Egusi-Suppe im Geleit von Fufu-Bergen und Fässern von Palmwein, die mich auf dieser Reise hin zu diesem abgerundet-kräftigen Antlitz begleitet haben. Was ist so schlecht daran, ein bisschen mehr Fleisch auf den Rippen zu haben?

In München mangelt es bei den Körperformen an Vielfalt. Wo sind all die Pfundskerle? Die Fat Folks? Bei Volksfesten steigt die Quote zwar etwas an, aber damit ist ja dieses Jahr auch Essig.

Das Spiel geht auf den Straßen Münchens weiter, wo Beleibtheit beileibe alles andere als angesagt ist. Die Menschen stolzieren herum, wie Möchtegern-Models. Je dünner die Taille der Trägerin, desto mehr glitzert die Handtasche. Es würde gut tun, öfters Frauen mit Birnen-Figur zu begegnen. Man findet aber nur die Reverse-Birne im Fitnessstudio: Männer, die Gewichte stemmen und behaupten, dies bereite Freude. Wahrscheinlich sind ihnen vor Anstrengung schon zu viele Synapsen geplatzt.

Eines muss man dieser Viruskrise lassen: Seit sich die Menschen wieder raustrauen, meine ich eine kollektive Gewichtszunahme auszumachen. Rundungen für alle, die Trophäen der Stubenhocker. Geht doch. Nur frage ich mich, warum nicht auch sonst. Was dieses arme Volk der Bayern nur über sich ergehen lassen muss, um all diese Premium-Biere, Grillwürste und Knödelberge auf der Waage zu kompensieren. Nur um auszusehen wie unterernährte Streifenhörnchen.

Viele Münchner Gewohnheiten habe ich übernommen, den Magerlook wegen Body-Shamings nicht. Ein bestimmter Fettanteil gehört zu einem gesunden Körper dazu. Als Zeichen von Lebensqualität und Respekt vor dem Nahrungsangebot. Davon bin ich überzeugt. Dennoch gibt es Momente, da wäre es kurz mal praktisch, ein Spargeltarzan zu sein.

Als Person im wohlgenährten Zustand muss man in Münchens Kleiderläden lange suchen, um ein Stück Stoff zu finden, das annähernd passt. Auf manchen Dating-Seiten muss man bei der Registrierung "extra Pfunde" angeben. Und im Zug wurden Pfundskerle auch schon vor den Abstandsregelungen gemieden. In Nigeria hingegen gelten körperlich gewichtige Männer als fürsorglicher und großzügiger. Wohingegen der Six-Pack-Mann den Ruf des Muttersohns weg hat, der noch aus dem Babyfläschchen trinkt. In München trinkt man im Freien aus Bierflaschen. Das haben die vielen dünnen und wenigen dicken Stadtbewohner dieser Tage endlich wieder gemeinsam.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

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