Typisch deutschSchluss mit der Fleischeslust

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Ein Gemüseburger mit Sellerie.
Ein Gemüseburger mit Sellerie. (Foto: Sonja Marzoner)

Der Anblick eines Grillhähnchens ließ bei unserem Autoren stets den sofortigen Vertilgungswunsch aufkommen. Was ihn zum Vegetarismus brachte.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Zu den Konstanten dieses Landes zählt, dass bei gesellschaftlichen Anlässen mindestens eine Person dabei ist, die sich erkundigt, welch fleischlose Kost der Abend bereit hält. Anders gesagt: Vegetarier sind überall.

Lange Zeit war mir dieses Phänomen ein Rätsel. Ich sehe mich noch in meinen ersten Jahren, als ich voller Fleischeslust durch die Münchner Märkte flanierte und begeistert feststellte, wie preisgünstig Fleisch in diesem Land zu kaufen ist.

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In Syrien ist Fleisch teuer, viele Familien können sich nur einmal pro Woche ein Fleischgericht leisten, nicht wenige verzichten so gut wie komplett darauf. Aber nur, weil sie keine andere Wahl haben.

Ein Kindheitserlebnis ist mir in besonderer Erinnerung: Unsere Nachbarn hatten einen neuen Hund von beeindruckender Gestalt. Ich wollte mich nähern und ihn genauer begutachten, doch ich traute mich nicht. Solange, bis ich meinen Eltern ein ganzes gerupftes Hühnchen aus der Küche stahl. Damit besänftigte ich das Tier und durfte es gar streicheln. Ein besonderes Erlebnis war das - vor allem für meine Eltern. Das Fleisch hatte den Wert zweier Wochenlöhne. Meine Eltern rätseln bis heute, wer der Dieb war. Und im Nachhinein tut es mir sehr leid.

In Deutschland hätte ich wohl weniger Gewissensbisse. Stattdessen begegnet man Menschen, die ihrerseits an das Gewissen appellieren. Sie machen keinen Unterschied mehr zwischen Haus- und Nutztieren, egal ob zum Schlachten oder zum Schmusen gezüchtet.

Schon der Anblick eines Grillhähnchens ließ bei mir stets den sofortigen Vertilgungswunsch aufkommen. Es führte dazu, dass Fleisch von der raren Spezialität zur billigen Alltäglichkeit wurde. Ich bewegte mich im Bereich eines regelrechten Fleischfressers. Ich war ein Teilgrund, warum westliche Fleischproduktion zum Klimawandel beitragen kann.

Nach Begegnungen mit Schafen und Kühen auf Bauernhöfen - und mit Wildschweinen im Ebersberger Forst, habe ich den Absprung weitestgehend geschafft. Seit einigen Wochen versuche ich nun, vegetarisch zu leben. Freiwillig. Ich muss nicht wie zu Kriegszeiten in der Stadt Duma Blätter und Gras essen. Hier kann ich Vegetarier sein und aus Gemüse-, Obst und Hülsenfrüchten wählen. Und vielleicht auch mal etwas mogeln.

© SZ vom 04.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Mohamad Alkhalaf

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