Typisch deutsch:Weißbierglas-Debatte beim FC Bayern: Es geht allein ums Zielwasser

Typisch deutsch: Marcel Sabitzer (links) und Sadio Mané während des FC Bayern-Lederhosen-Shootings am Nockherberg.

Marcel Sabitzer (links) und Sadio Mané während des FC Bayern-Lederhosen-Shootings am Nockherberg.

(Foto: Lennart Preiss/dpa)

Die beiden Neuzugänge Mané und Mazraoui lassen beim Wiesn-Foto das obligatorische Weißbierglas weg und lösen eine Debatte aus. Unser muslimischer Autor kennt das Phänomen, er kaschiert seine Abstinenz allerdings mit einem Trick. Warum eigentlich?

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Viele meiner Freunde haben mich gewarnt. Dass ich es schwer haben werde, mich in Bayern zu integrieren. Nicht nur wegen der Sprache, die mit Arabisch so viel gemein hat wie eine Lederhose mit einem Kaftan. Mein Kernproblem werde sein, dass auf fast jedem bayerischen Tisch irgendwann ein volles Glas Bier steht, das ausgetrunken werden will.

Ich ließ mich bekannterweise nicht aus Bayern fernhalten. Und weil ich schon als Kind, lange vor meiner Flucht, für den FC Bayern schwärmte, wusste ich: Franck Ribéry haben sie in München auch wärmstens aufgenommen. Die Fans lieben ihn bis heute. Auch er ist Muslim - auch er trinkt dem Vernehmen nach nie Alkohol. So wie ich. Kleiner Unterschied: Meine fußballerischen Fähigkeiten sind nicht ganz so ausgeprägt.

Ich habe mich in sieben Jahren hier in München in manches verliebt: Trachtenmode, Blasmusik, Allgäuer Käse, oberbayerischer Dialekt. Jedes Jahr kulminierte das alles auf dem Oktoberfest. Und an dieser Stelle rückt nun ein neuer Bayernspieler ins Bild. Genauer: Ins alljährliche Prä-Wiesn-Foto. Neuzugang Sadio Mané, Linksaußen, auch auf dem Bild. Wie alle in der FC-Bayern-Wiesn-Tracht. Nur: ohne Weißbierglas (Neuzugang Noussair Mazraoui verzichtete ebenfalls). So wurden er und sein nicht vorhandenes Getränk zwei Wochen vor Wiesn-Beginn zum Stadtthema.

Nicht wenige Medien griffen das auf, Manés Verweigerung wurde diskutiert, für okay befunden oder kritisiert. Mich hat das beschäftigt, weil mich das Thema seit meiner Ankunft in Bayern begleitet.

Wenn es so richtig heiß ist, dann geht es ab an die Isar. Sich im Wasser treiben lassen, mit den Freunden ratschen und das Leben genießen. Stets stehen Bierkisten im strömenden Isarwasser. Je länger man da sitzt, desto öfter fallen diese Wörter: Weißbier, Helles, Radler, Tegernseer, Gustl. Dies waren die ersten deutschen Begriffe, die ich in München lernte. Wie eine Gebetsmühle der Bieranbeter. Auf syrisch sagen wir: Sie singen wie in einer Mühle - und ich verstehe nichts von ihrer Nahrung.

Immer wieder kommt die Frage: "Mohamad, trinkst aa a Hoibe?" Ich bin bis heute standhaft geblieben. Es gehört einfach zu mir, dass es nicht Teil von mir ist: Alkohol. Auch wenn so mancher hier überzeugt davon ist, dass Bier mit Alkohol wenig zu tun habe. Es fällt dann der Begriff Grundnahrungsmittel. Schon enorm, diese begeisterte Überzeugung. Und so versuche ich in solchen Momenten stets, nicht wie die kaputte Tomate am Rand der Gemüsekiste zu wirken. Und zwar mit einem Trick.

Ich schenke mir Apfelschorle mit viel Schaum ein, es sieht Bier täuschend ähnlich. Manche Kellner wirken mit, indem sie einen nicht verraten. (Alkoholfreies Bier kam zwar in Frage, hat mich aber geschmacklich nie sonderlich umgehauen.) Manchmal werde ich mit meinem Trick durchschaut und im Bierdunst beäugt. In Bayern mischt sich das Bier immer irgendwie ein, so wie der Tee in Syrien.

Ich bin Muslim, das ist der eine Grund für meine Abstinenz. Ich dürfte demnach rauchen, das verweigere ich aber genauso. Aus dem zweiten Grund: die Gesundheit des Körpers. Ohne ihn persönlich zu kennen, könnte ich mir vorstellen, dass der Profisportler und Muslim Mané ähnliche Motive hat. Und doch macht er eine Sache offenbar ganz anders als ich.

Ich vermeide es bewusst, darauf aufmerksam zu machen, dass ich keinen Alkohol trinke. Etwa mit dem Apfelschorlen-Trick. Ich will nicht als Spaßverderber da stehen. Bei dem Wiesn-Foto der Bayern hab ich mich gefragt, warum ich das eigentlich so mache. Das mit dem Trick. Vielleicht hat Mané recht. Man muss sich nicht jeder Eigenart unterordnen, solang man sie den Eigenartigen lässt. Seine Mitspieler jedenfalls grinsten auf dem Wiesnfoto wie eh und je in die Kamera. Und bei all dem: Einem echten Bayern-Fan ist es komplett egal, was ein Stürmer trinkt, solang er sein Zielwasser nicht vergisst.

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