Typisch deutsch:Fünf Ringe für ein Habe die Ehre

Typisch deutsch: Der Olympiapark München beim Eröffnungsfest der European Championships am 10. August. Tausende Zuschauer haben sich auf dem Oympiaberg versammelt.

Der Olympiapark München beim Eröffnungsfest der European Championships am 10. August. Tausende Zuschauer haben sich auf dem Oympiaberg versammelt.

(Foto: imago/MIS)

Für unseren Autor ist der Olympiaberg seit seiner Ankunft in München ein Symbol für Freiheit - aber wegen seiner Geschichte auch eine Art Mahnmal.

Von Mohamad Alkhalaf

Nach meiner Flucht aus Syrien und einem monatelangen Fußmarsch bin ich in München angekommen. Alles war schwierig für mich, vor allem die Art, mit Menschen zu kommunizieren. Irgendwas zu verstehen. Ein kleiner Berg, ein Fußballfeld samt grünen Sitzschalen. Und überall kleine Zelte. Zelte für Flüchtlinge? Wo bitte war ich gelandet? Ich habe damals meinen Freund Google gefragt: Werde ich in diese Zelte ziehen? Wenn Google Humor hätte, dann hätte das Programm wahrscheinlich gelacht. Es war der Tag, an dem ich den Olympiaberg kennenlernte.

Einige Zeit später, im Jahr 2017, nahm ich am München-Marathon teil, in der Staffel. Die Menge jubelte, und Gesänge erfüllten das Olympiastadion. Als ich die letzten Meter ins Stadion lief, erinnerte ich mich an diese Szene, die ich im Fernsehen über große Sportereignisse in Deutschland gesehen hatte: Hildegard Falck, damals Weltrekordhalterin auf der 800-Meter-Strecke, duellierte sich bei den Olympischen Spielen 1972 in München mit der Litauerin Nijolė Sabaitė. Falck kam nach 1:58,6 Minuten ins Ziel. Sie war eine Zehntelsekunde langsamer als bei ihrem Weltrekord aus dem Juli 1971. Aber dennoch ein Zehntel schneller als ihre Rivalin - und wurde Olympiasiegerin.

Nachdem ich vor fünf Jahren mit dem Team eine Medaille in der Marathonstaffel gewonnen hatte, tauchte ich immer tiefer in den Olympiapark ein, in seine Geschichten und Geschichte. Dass er einst auf dem ehemaligen Oberwiesenfeld entstand - und der größte Münchner Trümmerberg des Zweiten Weltkriegs ist.

Die Dinge wiederholten sich. Leider. Die einstige Sportstadt Al-Raqqa, meine Heimatstadt in Syrien, ist inzwischen ein Waffenarsenal. Der sogenannte Islamische Staat hat den wunderschönen Stadiongarten in Schutt und Asche verwandelt, darunter liegen Hunderte von Leichen. Die Sportanlagen sind inzwischen zum Teil Gefängnisse und Folterzentren. Schwer vorstellbar, dass darüber irgendwann einmal Gras wächst, so wie im Olympiapark, wo in dieser Woche Menschen sitzen und Sportlern bei den European Championships zujubeln. Dass aus dem Trümmerberg mit den Olympischen Spielen ein bis heute nachhaltiges Symbol für Sport, Kunst, Architektur und Kultur wurde.

München lebt im Frieden, das ist schön, ich schätze mich ungemein glücklich, hier leben zu dürfen. Aber sicher ist der Frieden nie, man muss nur die Bilder aus der Ukraine sehen, oder die Bilder aus München von vor 50 Jahren. Das Attentat im Wohnquartier des israelischen Teams im olympischen Dorf. Die Toten.

Die Bilder von damals: schrecklich. Und ich darf mich heute fühlen wie ein Kaninchen im Frühling, springe und renne frei herum, von einer Halle zur anderen unter freiem Himmel. Welch ein Privileg, man vergisst das oft. Mit tausenden Menschen sehe ich mir im Olympiapark und im Stadion Sportereignisse an. Einst sah ich solche Bilder im TV mit dem Gefühl, der Fernseher sei wie ein Fenster in eine andere Welt.

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