Typisch deutsch:Lago di Gummihammer

Typisch deutsch: Da schau her: alles ganz schön bayerisch am Gardasee.

Da schau her: alles ganz schön bayerisch am Gardasee.

(Foto: Johannes Simon)

Unser Autor lässt sich zu einer Urlaubs-Premiere am Gardasee überreden. Was soll er da eigentlich als Syrer ohne Italienisch-Kenntnisse? Über eine Woche voller Überraschungen.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Es ist heiß, Menschenmassen drängeln sich durch enge Gassen. Hauptsaison im historischen Zentrum von Bardolino am Gardasee. Wie soll ich ohne einen Schimmer von Italienisch mit den Menschen hier kommunizieren? Bei meiner Ankunft meldete sich ein Gefühl, das ich so gut kenne. Wie vor sieben Jahren, als ich nach Deutschland kam. Ich fragte den Mitarbeiter des Campingbüros nach einem Stellplatz für mein Zelt. Auf Arabisch und Russisch. Er machte mir verständlich, dass Englisch oder Deutsch deutlich hilfreicher wären. Deutsch? Welch eine Erleichterung.

Seit Jahren höre ich, dass meine deutschen Freunde und Bekannten an den Gardasee fahren. Ich hatte den Gardasee nie auf dem Schirm. Wo doch die Seen im Münchner Oberland so nahe liegen - und der Chiemsee ist auch nicht weit. Aber meine Bekannten ließen nicht locker. Campen am Gardasee, meinten sie, das werde mir gefallen.

Zeltaufbau. Metallstifte mit der Hand ins Erdreich drücken. Nach dem dritten Stift schwitzte ich trotz des Schattenplatzes. Da griffen meine Nachbarn - Erdinger - ein und überreichten mir einen Gummihammer. Nun konnte ich meine Hände schonen. Die Stifte ließen sich in die Tiefe schlagen, wenngleich ich den ein oder anderen verbog.

Wie sehr verbiegt sich selbst, wer an den Gardasee fährt? Diese Frage beschäftigte mich. Aber vielleicht war genau der Moment mit dem Hammer für mich der Schlüssel. Ich machte neue Bekanntschaften. Und je mehr die Kunststoffplanen sich zu einem Zelt formten, desto bewusster wurde mir, dass die Mehrheit auf diesem Campingplatz aus Bayern besteht. Da flatterte die Deutschlandfahne, dort eine vom TSV 1860. Mit meinem Auto, samt Münchner Nummernschild, und dem rot-weißen FC-Bayern-Schal war ich voll im Trend.

Die Urlaubstage schritten fort. Schweinshaxe und Brezen, Augustiner und Paulaner: Einige Lokale am Gardasee orientieren sich auffällig an Münchner Traditionen. Was heißt einige, fast alle.

Wenn ich mich an einem lauen Sommerabend an das größtenteils flach abfallende Ufer begebe, den Blick zum Horizont richte, den Grillen beim Zirpen zuhöre und den sanften Wellen des in der Nacht ruhenden Sees lausche, dann versinke ich in Gedanken. Goethe machte seinerzeit hier Halt und beschrieb seine Eindrücke in seinem berühmten Werk über seine "italienische Reise". Er war begeistert von diesem See, den ihn umgebenden Landschaften, den Menschen, dem gewissen Etwas, das der See versprühte.

Wenn ich abends in mein Zelt zurückkam, erkannten mich meine Nachbarn inzwischen. Kimmst aa ummi? Gaudi. Es werden dann Spaghetti Pomodoro kredenzt, Grissini, Getränke nach Wahl. Es gibt kaum eine Exklave Bayerns, wo man so spontan und zu so später Stunde einfach eingeladen wird. Es ist, als wäre man bei Südländern zu Gast.

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