Typisch deutsch:Schlafe nicht, wenn wer Fragen stellt

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Könnte auch unser Autor sein, der allerdings zum Verfassen dieses Textes wieder erwachte. (Foto: imago/Westend61)

Unser Autor gähnt gerne bei Konferenzen und kann nicht ausschließen, dass er dabei einnickt. Das hat nicht nur Vorteile. Über die Kunst des Wachbleibens.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

In meiner Arbeit gibt es eine tägliche Konferenz, über die ich mich beim ersten Mal sehr gefreut habe. Ich ging mit souveräner Entspannung an die Sache heran: saß dabei, hörte, was die Teilnehmer sagten. Die anderen Teilnehmer saßen auch dabei, hörten vermutlich auch zu, aber ergänzten ihr Tätigkeitsfeld damit, dass sie Stift und Papier vor sich auf dem Tisch liegen hatten, noch bevor der Konferenzleiter die Sitzung eröffnet hatte. Notizzettel, ach wie herrlich.

Ich saß dann so dabei, gähnte ab und zu und manchmal schlief ich auch fast ein, womöglich auch nicht immer nur fast. Ich nahm das alles nicht so wichtig. Bisweilen sparte ich mir die Arbeitskonferenz auch, weil sie in meiner persönlichen Relevanztabelle nicht weit genug oben rangierte. Mir zugeneigte Kollegen teilten mir ihre Ansicht mit, wonach mein Verhalten ausbaufähig sei, und es auch nicht schaden könne, wenn ich meine ohnehin nur gelegentliche körperliche Präsenz dann wenigstens verbal untermauern würde. Sie sagten noch irgendwas mit Ernsthaftigkeit.

Ernsthaft. Es klingt schon nach Knast. Nicht gerade meins, das kann ich aus syrischer Erfahrung sagen. Nun, es gibt viele Kulturunterschiede in der Kommunikationsgestaltung: Während man in Münchner Büros mehr dazu neigt, im Einverständnis zu delegieren, gibt es andernorts Gepflogenheiten, wo die Aufgabenerteilung eher an einen Befehl erinnert.

Kein Araber-Bonus, da kann man noch so bockig sein

In Syrien spricht man als Konferenzteilnehmer meistens nur direkt mit dem Teamleiter, selten mit den Kollegen. Auch gehen die Impulse und Vorschläge in erster Linie von der Führungsperson aus. In Deutschland hört man aus Unternehmen in meiner Wahrnehmung nicht selten sowas wie "flache Hierarchie". Man könnte auch sagen: Selbständigkeit. Und daran muss man sich erstmal gewöhnen.

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Ich ging dazu über, am Anfang der Arbeitstreffen über persönliche Dinge zu sprechen und fragte meine Kollegen, welche Berge sie am Wochenende bezwungen hätten. Sogleich war das Interesse der anderen geweckt. Und so war ich eingebunden - auch in die beruflichen Debatten zwischen Menschen mit viel zu vollgeschriebenen Notizzetteln.

Ich kam besser hinein in das Konferenzsystem. Umso komplizierter wurde es. Die Münchner sind nämlich sehr eifrig darin, Kritik zu äußern. Da kennen sie nichts, da gibt's auch keinen Araber-Bonus. Ich kam damit nicht restlos klar, hielt meine Arme verschränkt wie eine Breze. Weil das auch nichts half, begann ich, meine Argumente vorzubereiten.

Mittlerweile habe ich bei den Konferenzen einen Stift und Papierzettel vor mir liegen. Ich fühle mich dadurch wichtig, was ein nicht zu unterschätzendes Gefühl ist. Und manchmal mache ich mir sogar Notizen.

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