Typisch deutsch:"Jo Digga, lass McDonald's!"

Typisch deutsch: Jugendliche auf einer Bank vor der LMU in München.

Jugendliche auf einer Bank vor der LMU in München.

(Foto: Florian Peljak)

Da ist man endlich soweit, Bairisch zu verstehen, schon kommt die nächste linguistische Herausforderung: 14-Jährige, die "Weil Baum!" sagen.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

"So ein Hund!" ist in Bayern nie eine Beleidigung gewesen. Der "Sauhund" hingegen schon eher. Da hat man sich also gerade mit Müh und Not in die Untiefen des Dialektes gearbeitet. Schon versteht man wieder nur Bahnhof: Wenn ich in Kirchseeon auf den Zug warte, höre ich Ausdrücke wie "Alter, den haben wir rasiert!" oder "Jo Digga, lass McDonalds!" Ist das jetzt eher eine kumpel- oder eine rüpelhafte Sprache? Die linguistische Studie beginnt von vorn.

Krieg und Flucht sind in Europa, da kommen Erinnerungen an meine Zeit im Flüchtlingsheim hoch. Nicht nur schlechte: Ich schnappte damals sämtliche deutschen Wörter auf, die ich zu fassen bekam. Wie ein Kind wiederholte ich sie. Als ich zum ersten Mal bei einer deutschen Familie eingeladen war, sagte ich zur Großmutter: "Sie haben eine geile Jacke!"

Die ältere Dame traute ihren Ohren nicht, schaute mich streng an und zog die Brille nach unten: "Wie bitte?" Ich bekräftigte mein Lob: "Ja, Sie haben eine geile Jacke!" Der Enkel, der mich zum Essen eingeladen hatte, biss sich auf die Lippen, schaute mit schmerzverzerrtem Gesicht zu mir und schüttelte vorsichtig den Kopf. Da nahm seine Oma den Löffel aus dem Suppenteller und antwortete mit lauter Stimme: "Ja, echt sehr geil!"

Ältere Menschen sind manchmal aufgeschlossener, als man denkt. Es gibt aber auch Grenzen: Etwa in meiner Arbeit, wo ich Schüler bei den Hausaufgaben betreue. Ich hatte mich gerade bei einem von ihnen erkundigt, warum er die Mathe-Aufgabe nicht erledigt hatte. Seine Antwort: "Weil Baum!" Das klang tiefsinnig, ist es jedoch nicht. Es heißt soviel wie: einfach so.

Im Auto verwenden Jugendliche gerne das Wort flexen. Meist sagen sie es mit Nachdruck, um den Fahrer zu motivieren, schneller zu fahren. Verweigert man die Empfehlung, bekommt man bisweilen den Begriff "Dolly" zu hören, was als kleine Beleidigung zu verstehen ist. Oder man handelt sich das Prädikat "unterkomplex" ein, was soviel bedeutet wie halbschlau oder ein bisschen dumm. Oft höre ich solche Neu-Wörter, die zunächst gut klingen. Wenn ich aber die Bedeutung erfahre, wundere oder erschrecke ich mich.

In meiner Kindheit in Syrien verwendeten wir oft eine bildliche, metaphorische Sprache. So bezeichneten wir ein attraktives Mädchen als Rakete. Nach dem Krieg dann nicht mehr. Die Sprache der Jugend ist im steten Wandel. Was einst "cool" oder "geil" war, ist heute eher "lit" oder "lan". Suspekt? Dann wrapen Sie sich doch, wenn Sie gerade eh nur am Fermentieren sind, Bro. Sheesh, oder?

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