Türkische Filmtage in MünchenSozialer Druck und toxische Männlichkeit

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Der halbfiktionale Film „Zamanin Kiyisinda Sinav – Exam on the Edge of Time“ erzählt von den Folgen des Erbebens 2023.
Der halbfiktionale Film „Zamanin Kiyisinda Sinav – Exam on the Edge of Time“ erzählt von den Folgen des Erbebens 2023. (Foto: Türkische Filmtage München)

Wie geht es weiter in der Türkei? Die Türkischen Filmtage zeigen Werke über die Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft des Landes. Viele Themen sind brisant.

Von Josef Grübl

Die Türkei ist in Aufruhr, im ganzen Land wird protestiert, Präsident Erdoğan und sein Gegner İmamoğlu bestimmen seit Wochen die Nachrichten. Auch in Deutschland sind die Menschen aufgebracht, nicht nur jene mit türkischem Migrationshintergrund. Beide Länder sind eng miteinander verbunden, auch kulturell. So finden seit vielen Jahren in der ganzen Republik Festivals mit Filmen aus der Türkei statt, zuletzt etwa in Nürnberg. Dort waren Anfang März Festivalhits wie „Döngü“, „Mukadderat“ oder „Gecenin Kıyısı“ zu sehen. Diese Filme kommen jetzt auch nach München: Am 1. April startet die 36. Ausgabe der Türkischen Filmtage.

Am Auftaktabend wird der 1977 entstandene Spielfilm „Selvi Boylum Al Yazmalim – Das Mädchen mit dem roten Kopftuch“ gezeigt: Darin verliebt sich eine junge Frau vom Land in einen Lkw-Fahrer aus Istanbul und heiratet ihn. Doch die Ehe scheitert, sie baut sich mit einem anderen Mann ein neues Leben auf. Als ihr Ex nach Jahren wieder auftaucht, wird es kompliziert. Die weibliche Hauptrolle in diesem Liebesdrama spielt Türkan Şoray, ein Star des türkischen Kinos. Die Schauspielerin hat in ihrer 60-jährigen Karriere in mehr als 200 Filmen mitgespielt, zum Auftakt der Türkischen Filmtage wird sie in München erwartet.

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Auch sonst haben sich viele Gäste angesagt, eine ganze Reihe von Regisseuren, Drehbuchautoren und Schauspielerinnen wollen ihre Filme dem Publikum persönlich vorstellen. Insgesamt werden an sechs Tagen 27 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aufgeführt.

Der Eröffnungsfilm mit Türkan Şoray und einige weitere Spielfilme laufen im Royal Filmpalast am Goetheplatz, das restliche Programm ist im Gasteig HP8 sowie in den Kammerspielen zu sehen. Das dortige Schauspielhaus wird am Samstag, 5. April, einen Abend lang zum Kinosaal: Gezeigt wird die Komödie „Mukadderat“ über eine ältere Dame, die nach dem Tod ihres Ehemanns wieder heiratet, ein Geschäft aufzieht und überhaupt all das machen möchte, was man als Frau angeblich nicht tun sollte. Regisseur Nadim Güç und sein Autor Erdi Işık werden anwesend sein, im Anschluss an die Vorstellung steigt die Festivalparty im Conviva im Blauen Haus der Kammerspiele.

Im Juli 2024 starb Genco Erkal, einer der renommiertesten Schauspieler der Türkei. Seine Welt war das Theater, er spielte, schrieb und inszenierte, der 2021 entstandene Dokumentarfilm „Genco“ ehrt den vielseitigen Künstler. Um den 90-jährigen Vater der in Deutschland lebenden Regisseurin Aslı Özge geht es in „Faruk“; einem halb dokumentarischen, halb fiktionalen Film, der vom drohenden Abriss des väterlichen Wohnblocks in Istanbul erzählt. In „Zamanin Kiyisinda Sinav – Exam on the Edge of Time“ geht es um die Folgen des Erdbebens 2023, der Dokumentarfilm begleitet Schülerinnen bei ihren Prüfungsvorbereitungen inmitten der Trümmer von zerstörten Häusern.

Der Politthriller „Gecenin Kıyısı – Schatten der Nacht“ ist am 5. April zusehen.
Der Politthriller „Gecenin Kıyısı – Schatten der Nacht“ ist am 5. April zusehen. (Foto: Türkische Filmtage München)

Die Türkischen Filmtage München können auf eine lange Geschichte zurückblicken, es gibt sie bereits seit 1989. Dieses Jahr stehen Filme im Mittelpunkt, die den Ausbruch aus gesellschaftlichen Zwängen und das Hinterfragen von angeblichen Wahrheiten thematisieren. So etwa im Drama „Döngü“ (über eine Haushälterin, die für eine Dame aus der Istanbuler Oberschicht arbeitet) oder in „Ölü Mevsim – Unfruitful Times“, in dem sich zwei Schwestern dem sozialen Druck aus ihrer Nachbarschaft und Familie ausgesetzt fühlen.

Von Rollenbildern und toxischer Männlichkeit handelt der Actionfilm „Turbo“, der von vier jungen Männern und ihrer nächtlichen Fahrt in einem getunten Sportwagen erzählt. Und am 5. April wird Regisseur Türker Süer seinen Politthriller „Gecenin Kıyısı – Schatten der Nacht“ im Royal persönlich vorstellen. Darin geht es um einen jungen Leutnant der türkischen Armee, der seinen Bruder an ein Militärgericht ausliefern soll. Die beiden reisen durch ein Land, das von politischen Unruhen geprägt ist.

36. Türkische Filmtage München, Dienstag, 1., bis Sonntag, 6. April, Royal Filmpalast, Gasteig HP8 und Kammerspiele

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