Immobiliengrundstück in der Maxvorstadt:Das Loch von der Türkenstraße

An der Türkenstraße klafft eine große Lücke in der Häuserzeile. Doch die Stadt kann die Eigentümer nicht zum Bauen zwingen.

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Inzwischen wird die riesige Baulücke auf dem Grundstück Türkenstraße 52/54 mitunter in einem Atemzug mit dem Giesinger "Uhrmacherhäusl"-Grundstück genannt. An beiden Stellen klafft ein Loch in der Häuserzeile - und die Leerstellen stehen sinnbildhaft für die Ohnmacht angesichts der Auswüchse auf dem Münchner Immobilienmarkt und legen vermeintlich Zeugnis ab vom Kalkül der Investoren, derlei Häuser als Spekulationsobjekte zu behandeln. Jedoch: Was das Anwesen Türkenstraße 52/54 angeht, konnte man das lange vermuten, wobei dort bereits gebaut wird. Dennoch: Die Stadt hat ganz prinzipiell kaum Möglichkeiten, Grundstückseigentümer zum Bau eines Hauses zu verpflichten.

Das geht aus einer Antwort von Stadtbaurätin Elisabeth Merk auf eine Anfrage der Stadtratsfraktion Die Linke/Die Partei hervor. Sie nimmt bereits zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres Stellung zu einem erneut umfangreichen Fragenkatalog der Stadträte. Das Fazit der Behörde ist und bleibt gleich: Qua Gesetzeslage konnte der Abriss nicht verhindert werden, auch nicht, wenn seinerzeit die aktuelle Zweckentfremdungssatzung schon gegolten hätte. Ferner hat die Stadt keine Handhabe, den Eigentümer zu zwingen, die Bagger anrücken zu lassen. "Die Disposition über die Beplanung und Realisierung des Vorhabens liegt grundsätzlich beim Eigentümer", stellt Merk klar.

Das Diffizile in diesem Fall: Es gab seit 2007 immer wieder neue Eigentümer und damit immer wieder neue Bauanträge, jeweils genehmigt im Juni 2012, im September 2017 und im Juli 2019. Abgerissen wurde das Haus mit der Nummer 52 erst 2019; das denkmalgeschützte Vordergebäude mit der Nummer 54 steht noch. Eben weil dieses Gebäude erhalten und saniert werden soll, eingebettet in eine dicht bebaute Umgebung, stuft das Planungsreferat das Projekt als "komplex" ein - und legt dar, dass der lange andauernde Prozess "zwar nicht der Regelfall, aber auch nicht völlig unüblich" sei: Das zuletzt genehmigte Vorhaben habe mit Änderungen auf Schwierigkeiten, die sich bei den Vorgängervorhaben gestellt hätten, reagiert - was für die Lokalbaukommission "auf baurechtlicher Ebene nachvollziehbar" gewesen sei.

Apropos baurechtlich: Nach Merks Worten kann man einem Bauherrn nur durch ein Vertragswerk im Zuge eines Bebauungsplans eine Frist zur Realisierung eines Projekts setzen. Die könne bis zu zehn Jahre betragen, mitunter länger, je nach Größe des Baugebiets. Doch für das Anwesen Türkenstraße 52/54 gibt es keinen Bebauungsplan, auch kein "übergeleitetes Bauliniengefüge", somit auch "keinen rechtlichen Ansatz für die Vereinbarung einer Bauverpflichtung", so Merk. Denn das Projekt wird nach Paragraf 34 Baugesetzbuch beurteilt (es besteht grundsätzlich Baurecht, das Objekt muss sich nur in die nähere Umgebung einfügen). Und dabei sei eine Baugenehmigung vier Jahren lang gültig, sie kann oder muss, auch mehrfach, verlängert werden.

Die Crux: Während sich auf dem Grundstück nichts tut, steigen die Bodenpreise - im Fall der Türkenstraße 52/54 in 13 Jahren um 370 Prozent, wie Merks Behörde schon vergangenes Jahr bestätigte. Doch für die Stadtbaurätin gilt: "Die Entwicklung der Bodenpreise kann bei der baurechtlichen Beurteilung eines Vorhabens nach geltender Rechtslage nicht ins Feld geführt werden." Heißt: Auch wenn ein Zusammenhang zwischen den Projektumplanungen und der Spekulation auf Wertsteigerung naheliegen mag, sind der Stadt die Hände gebunden. Ein "(etwaiger) Verkauf" stehe "zur reinen privaten Disposition des Eigentümers", drückt es Merk aus.

Bliebe noch die Frage, ob die Wiedereinführung einer Erhaltungssatzung möglich wäre. Ein solches Milieuschutz-Reglement galt in dem Quartier bis Anfang 2000. Damals konnte das "ursprüngliche Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial" nicht mehr bestätigt werden, heißt es. An dem Untersuchungsergebnis habe sich bis heute keine Änderung für einen erneuten Erlass ergeben. Überdies würde eine solche Satzung nicht automatisch ein Abriss-Verbot bedeuten. Er kann genehmigt werden, wie sich an einem Projekt an der Barer Straße zeigt. Das gehört übrigens derselben Firma, die das Haus nebenan gekauft hat, Türkenstraße 50.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels entstand der Eindruck, dass auf dem Gelände noch nicht gebaut wird. Diese Passage ist nun angepasst.

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