TU und LMU:Transmenschen fühlen sich von Münchner Universitäten diskriminiert

Lesezeit: 3 Min.

Bernie Stöffler an der TU München. (Foto: Leo Burke/privat)

Bernie Stöffler möchte an der TU München ihren Namen angleichen. Die Universität besteht aber auf eine offizielle Namensänderung - andere Hochschulen sind bei dem Thema toleranter.

Von Benjamin Probst

"Wenn man mit dem falschen Pronomen angesprochen wird, kann einen das in ein depressives Loch stürzen, egal wie schön der Tag vorher war", sagt Bernie Stöffler. Die Elektro- und Informationstechnik-Studentin hat sich wie so viele Studierende zu Beginn des Semesters online für ihre Vorlesungen angemeldet. Wenn sie ihr E-Mail-Postfach öffnet und die Kursanmeldungen der Technischen Universität München (TUM) durchscrollt, steht dort noch der Name, den Stöfflers Eltern ihr zur Geburt gaben.

Aber seit Februar hat die 22-Jährige diesen Vornamen abgelegt, denn Stöffler ist eine Transfrau. Sie stellt sich Freunden und Unbekannten als Frau vor und wird auch dementsprechend angesprochen. Für die IT-Systeme der TUM ist sie aber immer noch eine Person mit männlichem Geschlecht und männlichem Vornamen. Wenn sie sich auf der Lernplattform Moodle einloggt, automatisierte Mails von der Uni erhält oder im Verwaltungssystem TUMonline ihren Stundenplan abruft, wird ihr abgelegter Name verwendet.

Das führe bei Studierenden zu "psychischem Leid", das sich negativ auf das Lernverhalten der Betroffenen auswirke, so die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI). Etwa drei Prozent der Bevölkerung und der Studierenden gelten als inter- oder transgeschlechtlich. Die Probleme beträfen auch den Uni-Alltag, sagt Jenny Wilken, Leiterin der Geschäftsstelle des Bundesverbandes Trans*. Die Personen würden in Kursen zum Outing gezwungen, wenn auf den Anwesenheitslisten der falsche Name vermerkt sei.

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Den eigenen Namen offiziell zu ändern, dauert. Dafür sind nach dem "Transsexuellengesetz" (TSG) ein Antrag vor Gericht sowie zwei psychologische Gutachten notwendig. Die damit verbundenen Untersuchungen gelten als entwürdigend, das Gerichtsverfahren ist mit Kosten verbunden und kann bis zu 20 Monaten dauern.

"Als Transmensch hat man während seiner Transition viele Sachen, auf die man nur warten kann", sagt Bernie Stöffler. Sie fühlt sich machtlos, denn: "Warten heißt nichts tun." Sie hat die Arbeitsgemeinschaft "Queer" in ihrer Fachschaft gegründet. Und sie hat der TU geschrieben, die Universität möge ihren Namen bitte auch ohne offizielles Verfahren anpassen. Denn viele Hochschulen verlangen die offizielle Änderung gar nicht mehr.

An den Universitäten in Augsburg, Regensburg, Würzburg und Bayreuth läuft das so, ebenso an der technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Erlangen-Nürnberg. Von den drei großen Hochschulen der Landeshauptstadt geht aber nur die Hochschule München (HM) diesen Weg. "München ist hier leider noch ein schwarzes Loch innerhalb Bayerns", sagt Jenny Wilken vom Bundesverband Trans*.

Eine Gesetzesreform ist in Arbeit

Auf Stöfflers Bitte hin passt die IT-Abteilung der TU zwar den sogenannten "Displaynamen" an, der ändert aber nur den Namen für Zoom-Konferenzen. Das Queer-Referat und die studentische Vertretung der TU (AStA) bestätigen, dass Stöffler kein Einzelfall ist. Häufiger würden Betroffene um Hilfe bitten. An der Ludwig-Maximilians-Universität läuft es ähnlich. Auch die LMU verlangt eine offizielle Änderung des Personenstandes - und auch dort kritisiert das LMU-Queer-Referat diese Haltung: "Es wird so getan, als höre man uns zu, aber dann heißt es immer nur abweisend 'Wir kümmern uns'", so Lee Redepenning von der Referats-Leitung.

Auf Anfrage geben sowohl LMU als auch TU an, dass bei Dokumenten, die beispielsweise an Behörden gingen, die Person eindeutig zuzuordnen sein müsse. Die TU betont die notwendige "Rechtssicherheit" und verweist auf den "Displaynamen" als Alternativoption. Außerdem verweist sie darauf, dass die Politik an einer Vereinfachung der amtlichen Änderung des Geschlechtseintrages arbeite. Auch die LMU beruft sich auf die geplante Gesetzesreform. Wann diese kommt, ist allerdings noch nicht absehbar.

Die Queer-Referate der beiden Universitäten kritisieren diese Zurückhaltung. Es sei bedauerlich, dass die Uni sich nicht mehr einsetze, sagt Lee Redepenning vom LMU-Queer-Referat. Paul Oppenrieder vom TUM-AStA und ehemaliger Queer-Referent meint: "Das heißt einfach: 'Wir haben keine Lust, uns zu kümmern, ihr macht uns Arbeit.' Diese Untätigkeit ist aber genauso schlecht wie aktive Diskriminierung."

Privat hat sie eine Lösung gefunden

Jenny Wilken vom Bundesverband Trans* wirft den Münchner Hochschulen eine "Hinhaltetaktik" vor: "TUM und LMU geben die Verantwortung an die Politik ab." Aber auch das Selbstbestimmungsgesetz wird ihrer Meinung nach nicht alle Probleme lösen: "Wenn Studierende sich vor der Familie nicht outen wollen und deshalb ihren offiziellen Namen nicht ändern, brauchen sie an den Hochschulen trotzdem die Möglichkeit, ihren selbstbestimmten Namen zu tragen", fordert sie.

Um das Thema wird weiter gerungen werden. Paul Oppenrieder überlegt, es in den Senat der TU einzubringen. Das Queer-Referat der TU erwägt, öffentlich zu demonstrieren. Das Queer-Referat der LMU würde sich an so einer Aktion zwar beteiligen, sagt Lee Redepenning, je nachdem wann das Selbstbestimmungsgesetz komme, wolle man dies aber erst noch abwarten und dann die "übrigen Lücken" kritisieren.

Für Bernie Stöffler bedeutet das: weiter abwarten. Privat hat sie eine Lösung gefunden. Mithilfe eines Computer-Programmes wird ihr abgelegter Name auf den Webseiten automatisch durch ihren selbstbestimmten Namen ersetzt. Im Mail-Programm aber funktioniert das nicht. In Mails von der TU wird sie weiter den Namen lesen, den sie abgelegt hat.

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