TU München:Ein Haus für Hausärzte

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Die ersten Ergebnisse der Studie erläuterte Antonius Schneider, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. (Foto: Astrid Eckert/TU München/oh)

Vor zehn Jahren wurde der erste Lehrstuhl für Allgemeinmedizin gegründet

Interview von Sabine Buchwald

Von Allgemeinmedizinern wird viel erwartet, sie sollen Schnupfen kurieren oder die Ursachen für Bauchschmerzen finden. Um das Fach zu stärken und Studierende dafür zu gewinnen, Hausarzt zu werden, wurde vor zehn Jahren der erste Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Bayern an der Technischen Universität München (TUM) gegründet. Seitdem hat sich einiges getan: Es gibt mehr Lehrärzte, das Stipendienprogramm "Beste Landpartie Allgemeinmedizin" für sieben ländliche Regionen Bayerns und die Koordinierungsstelle für Allgemeinmedizin an der Bayerischen Ärztekammer. Außerdem hat nun auch die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin, ebenso die Universitäten Würzburg und Erlangen. Antonius Schneider, 49, leitet als Lehrstuhlinhaber das TUM-Institut.

SZ: Welche Voraussetzungen braucht ein guter Hausarzt?

Antonius Schneider: Ein breites medizinisches Wissen, weil er die ganze Bandbreite möglicher Fälle abdecken muss. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Depressionen, die medizinische Versorgung von Kindern und vieles mehr. Das ist jedoch kein Sammelsurium einzelner Fächer, sondern ein Allgemeinarzt hat seine speziellen Arbeitstechniken, die dem hausärztlichen Setting angepasst sind.

Was heißt das?

Er sollte seine Patienten umfassend betreuen und eine langfristige Beziehung aufbauen. Er muss häufig abwartend beobachten und dabei Momente der Unsicherheit aushalten, aber gleichzeitig den abwendbar gefährlichen Verlauf einer Krankheit rechtzeitig erkennen können. Dazu braucht es viel Wissen und Fingerspitzengefühl.

Das klingt herausfordernd.

Die Allgemeinmedizin ist eben sehr komplex. Manche denken, es sei eine banale Tätigkeit, aber die hausärztliche Tätigkeit ist herausfordernd, wenn man sie wirklich gut machen will.

Ist der Allgemeinmediziner dennoch schlechter angesehen?

Ich finde nicht. Man ist mit den Kollegen durchaus gleichauf. Die Facharztweiterbildung für Allgemeinmedizin dauert längst auch mindestens fünf Jahre.

Warum gibt es zu wenig Hausärzte?

Vergleichsweise sind die Zahlen eigentlich gar nicht so schlecht. Etwa zehn Prozent der Studierenden entscheiden sich für Allgemeinmedizin, wobei es eine Auswahl von 33 Facharztdisziplinen in der Medizin gibt. Es ist auch eine Steigerung zu verzeichnen: 2010 haben in Bayern knapp 200 die Facharztprüfung abgelegt, 2018 waren es schon fast 300. Dennoch haben wir ein Ungleichgewicht zwischen Generalisten und Spezialisten. Zudem entwickelt sich generell ein Ärztemangel. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Etliche Ärzte gehen ins Ausland; 70 Prozent der Studierenden sind weiblich. Viele Ärztinnen steigen wegen ihrer Kinder zumindest zeitweise aus dem Beruf aus oder arbeiten oft nur Teilzeit.

Sollte man den Numerus Clausus kippen?

Ich frage mich schon, ob der NC mit 1,0 die beste Lösung ist. Sind das wirklich Leute, die zupacken und Patienten versorgen wollen? Oder wollen sie lieber am Schreibtisch arbeiten, in den Labors oder später in die Finanzwirtschaft abwandern?

Warum fehlen speziell Hausärzte auf dem Land?

Das verstehe ich auch nicht. Gerade in Bayern sind die ländlichen Räume sehr attraktiv und dabei deutlich günstiger als etwa München. Das scheint an der subjektiv wahrgenommenen Attraktivität von Großstädten bei jungen Menschen zu liegen. Ich kann mir vorstellen, dass die Stadtmigration nachlässt, wenn die Leute etwa bei der Familiengründung den Vorteil der niedrigeren Lebenshaltungskosten begreifen.

Wie sehr werden Ärzte in Gesprächsführung geschult?

Es gibt bereits zahlreiche Seminare während des Studiums. Wahrscheinlich müsste während der Facharztweiterbildungszeit die Patientengesprächsführung noch intensiver vermittelt werden. Insbesondere ein Hausarzt muss häufig auf seelische Beschwerden seiner Patienten eingehen. Eine gute Kommunikationsfähigkeit ist jedoch für alle Ärzte wichtig. Beispielsweise muss auch ein Chirurg dem Patienten die Angst vor einer OP nehmen.

Als Patient scheut man sich oft, mit einem Arzt lange zu sprechen, weil man nicht weiß, ob er das abrechnen kann.

Keine Sorge, niedergelassene Hausärzte verdienen nicht schlecht. Man sagt durchschnittlich 150 000 Euro vor Steuern. Allerdings wird mit unternehmerischem Risiko und gut 50 Stunden pro Woche gearbeitet.

Wie geht es weiter mit Ihrem Institut?

Wir wollen unser Engagement in der Lehre ausbauen und mit dem Landpartie-Projekt die Studierenden für die Medizin im ländlichen Raum begeistern. Und auch die Forschung ist uns wichtig. Mit den anderen Lehrstühlen für Allgemeinmedizin in Bayern haben wir gerade vom Bundesministerium für Bildung und Forschung einen 3,4-Millionen-Etat für Forschung bekommen, mit dem wollen wir in den nächsten fünf Jahren ein Forschungsnetzwerk mit Hausärzten entwickeln.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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