Schneider beim TSV 1860 München:Ein Lehrer für die Unbelehrbaren

Schneider beim TSV 1860 München: Abgeordneter, Kultusminister, Staatskanzleichef, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien. Siegfried Schneiders nächster Schritt: Übergangspräsident der Löwen.

Abgeordneter, Kultusminister, Staatskanzleichef, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien. Siegfried Schneiders nächster Schritt: Übergangspräsident der Löwen.

(Foto: imago sportfotodienst)
  • Nach den Problemen mit dem Investor ist das gesamte Präsidium des TSV 1860 zurückgetreten.
  • Übergangsweise ist nun Siegfried Schneider Präsident der Löwen.
  • Der 59-Jährige war zuletzt Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) und machte als Staatskanzleichchef und Kultusminister in der Politik Karriere.

Von Gerhard Fischer

Wenn man sich den Spaß (oder die Arbeit) macht, in alten und aktuellen Artikeln über Siegfried Schneider nach positiven Beschreibungen zu suchen, dann findet man: nett (häufig), verbindlich, loyal, ehrlich, sachverständig. Er suche das Gespräch und sei ein guter Zuhörer. Und er lobe gerne.

In den negativen Darstellungen heißt es: Er habe kein Charisma und keine Durchschlagskraft, er sei sogar ein Weichei und ein Schönfärber. Und Siegfried Schneider sei zögerlich.

Vor einer Woche war er gar nicht zögerlich: Schneider, vormals Chef des Verwaltungsrates beim TSV 1860 München, schloss, offenbar spontan, eine Lücke: Nach dem Rücktritt von Gerhard Mayrhofer musste ein Übergangspräsident her, bei 1860 passt freilich besser: ein Notpräsident. Der CSU-Politiker Schneider griff zu. Bis zu einer Neuwahl des Präsidiums, die wohl im Herbst stattfinden wird, ist er nun der König der Löwen, wie manche sagen, die das Pathos lieben.

Schon jetzt bei den Fans gepunktet

Schneider ist ein König, der das Volk mitnehmen will. Eine seiner ersten Amtshandlungen war, die Ikonen Peter Grosser (Kapitän der Meisterelf von 1966), Karsten Wettberg (Trainer der Mannschaft, die 1991 in die Zweite Liga aufstieg) und Thomas Miller (Ex-Spieler mit großem Löwenherz) als Berater zu engagieren. Damit hat Schneider bei den Fans gepunktet, und er hat sich noch einmal klar positioniert: gegen Sportchef Gerhard Poschner. "Wenn er Manns genug wäre, würde er zurücktreten", hatte Schneider schon vor Wochen gesagt.

Bei den Fans ist Poschner, der eine Mannschaft zusammenstellte, die mit Ach und Krach und einem späten Tor von Kai Bülow die Zweite Liga hielt, ein rotes Tuch. Vor zwei Wochen demonstrierten 500 Anhänger vor der Geschäftsstelle gegen Poschner, unter ihnen auch Miller, Grosser und Wettberg. Karsten Wettberg hielt eine Rede, wie sie nur der Emotionsbolzen Wettberg halten kann, und wurde immer wieder unterbrochen von Kaaaarsten-Wettberg-Rufen. Es war sehr lustig. Und es war 1860 pur.

Wir-sind-das-Volk-Bewegung beim TSV 1860

Man mag es Schneiders politischem Instinkt und einer Prise Populismus zuschreiben, dass er sich mit jenen Helden zusammentut, die ihm und dem Verein Sympathien garantieren - und die Poschner jetzt kontrollieren sollen. Vielleicht ist es aber auch Überzeugung. Vielleicht braucht es diese starke Wir-sind-das-Volk-Bewegung beim TSV 1860, um sich irgendwie und irgendwann zu befreien aus der Umklammerung des Investors Hasan Ismaik, dessen Absichten in etwa so leicht vorauszusagen sind wie die Lottozahlen. Und der Poschner protegiert.

Von Siegfried Schneider, 59, heißt es auch, er wisse, welche Sprache bei den Fans gesprochen werde. Schneider, Vater von drei Kindern, ist als Sohn eines Zimmerers in der Nähe von Eichstätt aufgewachsen. Als Lehrer musste er dann lernen, allen Schülern irgendwie gerecht zu werden: den Trotzköpfen, den Besserwissern, den Idealisten, den Begriffsstutzigen, den Schlauen. Das könnte ihm jetzt bei 1860 helfen.

Lehrer, Abgeordneter, Kultusminister, Staatskanzleichef

14 Jahre war er Lehrer, dann zog Schneider in den Landtag ein. Er war ein sogenannter 1994er, und damit ist nicht der Aufstieg der Löwen in die Bundesliga gemeint. Die 1994er waren jene jungen CSU-Abgeordneten, die nach dem Amtsantritt von Ministerpräsident Stoiber ins Maximilianeum gespült worden waren.

2005 wurde Schneider Kultusminister. Er schlug sich mit den Problemen des achtjährigen Gymnasiums herum, obwohl er es nicht zu verantworten hatte - Stoiber war das. Als die CSU bei der Landtagswahl 2008 eine Watschn bekam, lag das auch an dem Gezerre um das G8. Aber in erster Linie lag es am Ministerpräsidenten Beckstein und am CSU-Chef Huber. Schneider schlug sich schnell auf die Seite von Seehofer, der damals, lang ist es her, noch als sogenannter Heilsbringer galt, und forderte Beckstein zum Rücktritt auf, angeblich nicht direkt, sondern in den Medien.

Später wurde Schneider Chef der Staatskanzlei, 2011 stieg er aus der Politik aus und wurde Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Außerdem engagierte er sich bei 1860 -und befindet sich damit in einer Reihe von Politikern, die bei den Löwen mitgemischt haben, allerdings meist wenig segensreich, etwa Erich Riedl (CSU) und Hep Monatzeder (Grüne) als Präsidenten, oder Christian Ude und Franz Maget als Verwaltungsräte. Mit dem Schlagzeuger Monatzeder spielt der Gitarrist Schneider übrigens in einer Band zusammen.

Schneider will Poschner nicht entlassen

Schneider hätte jetzt, als Präsident, die Gelegenheit, einen Mann zu feuern, dessen Rücktritt er bereits offen gefordert hat: Sportchef Poschner. Bei der Pressekonferenz am Freitag im Trainingslager in Bodenmais sagte Schneider, Poschner werde nicht entlassen, er habe schließlich einen Vertrag (was im Profifußball ansonsten nie ein Hindernis ist, in diesem Fall aber teuer wäre und Ärger mit Ismaik brächte).

Wenn Poschner allerdings tatsächlich Manns genug wäre, von sich aus zu gehen . . . Schneider machte bei der Pressekonferenz den Eindruck, als wäre ihm das immer noch recht. Schließlich nervt das Ganze. Er sagte das nicht, er ist ja nett. Aber man merkte es daran, wie seine Mundwinkel zuckten, wenn die Rede auf den Sportchef kam. Als müsste er die Worte, die bösen, die klaren, die ehrlichen, zurückhalten.

Das Wichtigste sei jetzt die Mannschaft

Ansonsten saß er da, leger mit offenem Hemdkragen, und war verbindlich; er verwalte das tägliche Geschäft, sagte er, und das Wichtigste sei jetzt die Mannschaft. Dass sie sich gut vorbereite auf die Zweitliga-Saison. Und dass endlich Verstärkung komme.

Schneider machte aber auch klar, dass ihm wegen des Investors oft die Hände gebunden seien. "Ich bin lange im Geschäft", sagte er, "und selten kann man genau bekommen, was man will."

Siegfried Schneider wird im Herbst wohl wieder gehen. Und dann? Einer hat sich schon bereit erklärt, Präsident zu werden: Helmut Reiter, Vermögensberater und seit 20 Jahren Stammgast im Stadion. Der Gastronom Thomas Hirschberger ("Sausalitos", "Hans im Glück"), auch einer der üblichen Verdächtigen, ließ sich dagegen von der Liste streichen. "Solange der Investor da ist, mache ich das nicht", sagte er am Freitag der SZ. "Es ist offenbar nicht möglich, mit Ismaik zusammenzuarbeiten."

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