Es ist ja nicht so, dass sie beim TSV 1860 München aktuell keine Scherereien hätten, um die sich der womöglich traditionsreichste, ganz sicher aber unterhaltsamste Fußballklub der Stadt zu kümmern hätte. Beispielsweise hat sich keine 24 Stunden, bevor Vertreter der Profiabteilung den Sitzungssaal 4 des Bayerischen Verwaltungsgerichts in München betreten, Hasan Ismaik zu Wort gemeldet. Er sei auf dem Weg nach München, schrieb der vermeintliche Ex-, nun aber wohl Immer-Noch-Eigentümer der Löwen bei Instagram – und zwar „mit dem festen Vorsatz, zur Stabilisierung und Neuordnung bei unserem TSV 1860 München beizutragen“.
Diese Ankündigung dürfte in manchen Ohren wie eine Drohung klingen. Und so wird es dem Verein höchst ungelegen kommen, dass sich an diesem Tag im Gericht eine neue Baustelle auftut – die „Sechzger Alm“ betreffend. In jener Holzhütte auf dem Trainingsgelände an der Grünwalder Straße lädt der Klub seine VIP-Gäste vor und nach Heimspielen zu zünftigen Speisen und geselligem Beisammensein ein.
Einigen Anwohnerinnen und Anwohnern ist der Trubel – und vor allem der Lärm – in und vor der „Sechzger Alm“ jedoch zu viel. Deshalb gehen sie über ihre Wohnungseigentümergemeinschaft juristisch gegen die Baugenehmigung der Stadt für diese „Versammlungsstätte mit bis zu 700 Besuchern“ vor. Und auch wenn aktuell noch kein Urteil vorliegt, so hat die Klage nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts doch gute Erfolgsaussichten.

SZ Good News:Gute Nachrichten aus München – jetzt auf Whatsapp abonnieren
Mehr positive Neuigkeiten im Alltag: Die Süddeutsche Zeitung verbreitet jeden Tag auf Whatsapp ausschließlich schöne und heitere Nachrichten aus München und der Region. So können Sie ihn abonnieren.
„Die Baugenehmigung verletzt voraussichtlich die Nachbarrechte, da sie nicht hinreichend bestimmt ist“, fasst es der Vorsitzende Richter Josef Beil am Ende der mündlichen Verhandlung zusammen. Seine achte Kammer hat sich zuvor bei einem Ortstermin selbst ein Bild von der Lage rund um die „Sechziger Alm“ gemacht. Diese kann laut der Löwen-Webseite „auch für private oder geschäftliche Veranstaltungen wie Geburtstage, Weihnachtsfeiern oder Firmenevents gemietet werden“ – mithin einer der Punkte, die die klagenden Nachbarn kritisch sehen.
Des Weiteren habe es in der Vergangenheit Probleme mit dem Abspielen lauter Musik in der Holzhütte gegeben sowie mit Bussen, die beim Warten ihren Motor hätten laufen lassen, sagt der Anwalt der Wohnungseigentümergemeinschaft, die mehr als 80 Wohnungen umfasst. Er betont in der Verhandlung: „Es muss eine neue Genehmigung geben, in der bestimmte Dinge klargestellt werden.“
Ganz ähnlich bewertet das Richter Beil, der den zugehörigen Bescheid der Stadt mit deutlichen Worten kritisiert. Allen voran die darin enthaltenen Angaben zur Betriebszeit der „Sechzger Alm“ – „von circa zwei Stunden vor dem Spiel bis circa drei Stunden nach dem Spiel“ – seien völlig unzureichend. „Bei jeder kleinen Tagesbar verlangt die Stadt da Klarheit“, betont Beil. „Dann muss das auch für einen Veranstaltungsraum mit 700 Leuten gelten.“
Der TSV 1860 München wird kein Interesse daran haben, seine „Sechzger Alm“ zuzusperren
Überdies gehe aus der Genehmigung nicht eindeutig hervor, welche Art der Nutzung in der „Sechzger Alm“ zulässig ist. „Die bloße Erwähnung von VIP-Gästen bei Heimspielen des TSV 1860 genügt nicht“, stellt der Richter klar. Schließlich könnten damit theoretisch sämtliche Spiele aller Mannschaften und Sparten des Vereins gemeint sein – sei es der Auftritt von D-Jugend-Kickern oder ein Wettkampf des Dart-Teams in der Bezirksliga. Und nicht zuletzt kritisiert Josef Beil auch das angefertigte Lärmgutachten, das unter anderem die Belastung durch zu Fuß ankommende Gäste unberücksichtigt lasse.
Kurzum, das Gericht zerpflückt regelrecht die baurechtliche Genehmigung für die „Sechzger Alm“ durch die Stadt, die nun unter Zugzwang steht. Nachdem Richter Beil angekündigt hat, das Urteil nicht vor dem 11. August zuzustellen, könnte das Rathaus den beanstandeten Bescheid bis dahin selbst aufheben. Ohnehin handle es sich hier um eine befristete Baugenehmigung, die kommendes Jahr auslaufe, sagt die Vertreterin der Stadt in der mündlichen Verhandlung. In einem neuen Bescheid könnte das Rathaus somit auf die Kritik des Gerichts reagieren.
Zugleich wird der TSV 1860 München aber kein Interesse daran haben, seine „Sechzger Alm“ zuzusperren, weil keine Zulassung für sie vorliegt. Man werde nun mit Hochdruck an einer neuen Genehmigung arbeiten, kündigt Herbert Kaltenegger, der Anwalt des Klubs, nach der Verhandlung an. Parallel dazu wolle man Gespräche mit der Wohnungseigentümergemeinschaft führen – ein Vorgehen, zu dem auch die Kammer geraten hat. Beide Seiten sollten sich abstimmen, „welche Vorkehrungen zur Reduzierung der Lärmentwicklung getroffen werden können“, sagt Richter Beil. Diese könnten dann in einen neuen Bescheid aufgenommen werden.

