Trudering:Tragende Rolle

Trudering: Übergabe in Corona-Zeiten: Christina Hesse gibt die Leitung des Kulturzentrums Trudering an Winfried Frey ab.

Übergabe in Corona-Zeiten: Christina Hesse gibt die Leitung des Kulturzentrums Trudering an Winfried Frey ab.

(Foto: Stephan Rumpf)

Christina Hesse gibt die Geschäftsführung des Kulturzentrums Trudering auf, weil sich die Arbeitszeiten nicht mehr mit dem Familienleben vereinbaren ließen. Am 1. Mai tritt der Schauspieler Winfried Frey ihre Nachfolge an

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Christina Hesse geht. Nach acht Jahren erfolgreicher Arbeit verlässt die Geschäftsführerin das Kulturzentrum Trudering. Sie geht letztlich auf eigenen Wunsch, obwohl sie ihren Posten mit Herzblut und Engagement, Gespür für Strömungen der Zeit und fürs Machbare, mit Fantasie und Professionalität ausgefüllt hat. Ihr Abschied wird bedauert von Kooperationspartnern und Ehrenamtlichen, allen voran aber vom Vorsitzenden des Trägervereins, Ingo Mittermaier, der Hesses Arbeit in den höchsten Tönen lobt.

Im Endeffekt ist die Entwicklung ein Beweis für die Schwierigkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren. Ihre beiden Söhne im Vorschulalter haben einen engagierten Vater. Dennoch fand Christina Hesse es nicht länger tragbar, dass sie ihre Mutter erst um halb acht sehen, denn zu ihren Arbeitstagen kamen zwei Stunden Pendeln. Weder einen zweiten Tag Home-Office noch eine reduzierte Stundenzahl wollte der Vorstand ihr zugestehen, eine Geschäftsführung müsse präsent sein.

Hesse versteht das. Das Truderinger und das Milbertshofener seien die größten unter den 31 Stadtteil-Zentren, eine Vollzeitkraft als Leitung sei logisch. Im Team habe es niemanden gegeben, der Stunden von ihr hätte übernehmen können, alles schien unlösbar. Bei der entscheidenden Sitzung sei sie nicht dabei gewesen. Mittermaier, gehandicapt durch seinen schweren Schlaganfall vor zwei Jahren, bedauert, ebenfalls nicht dabei gewesen zu sein: "Es hätte eine Lösung geben können." Ein "Schock" sei es gewesen, Hesse habe ihren Job, "sehr, sehr gut" gemacht. Als er das Gespräch suchte, hatte sie sich entschieden zu kündigen. "Das müssen wir jetzt akzeptieren", sagt Mittermaier. Dass Hesses Kandidatur für die Grünen im Bezirksausschuss Sendling unterschwellig eine Rolle gespielt haben könnte für seine Vorstandskollegen, glaubt Mittermaier ebenso wenig wie Hesse selbst: "Wenn ich in der Freizeit Tango tanze, geht das meinen Arbeitgeber ja auch nichts an", sagt sie nur.

Der Trägervereinsvorsitzende kann immerhin darauf verweisen, dass sie während des nun 15-jährigen Bestehens des Hauses stets ein gutes Händchen hatten mit Geschäftsführerinnen, auch mit Claudia Deischl und Julia Schmitt-Thiel, die heute die Mohr-Villa leitet. So ist Mittermaier froh, zum 1. Mai einen Nachfolger präsentieren zu können, der das Haus kennt und den Trudering kennt, den Schauspieler Winfried Frey. Zehn Jahre schon leitet Frey das Truderinger Ventil, das Politiker-Derblecken des Ostens. Auch die lehrreiche Diskussionsreihe "Zukunftsgespräche" hat er mit Hesse entwickelt und moderiert. Er war präsent mit eindringlichen Lesungen, eigenen Mundartstücken, seinem Solo-Kabarettprogramm und Benefizaktionen seines Vereins Freywillig", unterstützt von seiner Frau Petra Auer.

Diese und gute Freunde hätten ihn beraten bei dem Schritt, erzählt Frey. Schließlich gilt auch für ihn, dass die Geschäftsführung ein Vollzeitjob ist, der kaum noch Zeit lässt für Rollen in Serien wie "München 7", auf Volksbühnen, im Marionetten- oder auch im Metropoltheater, für Regiearbeit und Schauspieler-Coaching, Autorenschaft und Starkbierreden. Doch Frey freut sich auf Vielfalt innerhalb des Hauses an der Wasserburger Landstraße. Mittermaier ist sicher, dass er für diese tragende Rolle die optimale Besetzung sei, habe er doch viele Kontakte, Erfahrung mit großen Produktionen, habe Managementkurse absolviert und den Kulturführerschein des evangelischen Bildungswerks.

"Ich weiß, dass es eine große Aufgabe ist", sagt Frey. Er müsse das Rad nicht neu erfinden, Hesse mache mit ihm trotz Corona eine hervorragende Übergabe, sie habe weit im voraus geplant. Er könne sich unter anderem vorstellen, die Digitalisierung etwa im Kartenverkauf voranzutreiben, auf junges Theater zu setzen, als Hobbyimker interessierten ihn auch die Umweltthemen. Insgesamt laute sein Credo: "Man darf das Publikum nicht unterschätzen."

Das hat auch Hesse nie getan, sie hat die Leute zu ausverkauften Großveranstaltungen mit Namen wie Polt oder Kinseher gelockt, sie hat sie oft zum Mitmachen mit ins Boot geholt. Selbst mitgesungen hat sie beim Carmina-Projekt, gefreut hat sie sich über Integration beim Kindermusical "Magic Drum" mit kleinen Flüchtlingen, über die Vielfalt der Vereine und Partner bei ihrer Freiwilligenmesse, über Kontakte zu Schulen und Kitas bei den Umwelttagen. Stolz war sie, dass sich aus den Zukunftsgesprächen die Initiative "Trudering im Wandel" gebildet hat. Ein Begegnungsort für ein jünger und bunter werdendes Viertel war ihr Ziel, zuletzt mit ihrem Projekt "Vier Kontinente" mit Kunst und Musik aus Brasilien, Afghanistan, Bayern und Afrika. Zum Abschied wollte sie mit allen anstoßen auf acht gute Jahre. "Ich bedaure unglaublich, dass das jetzt nicht geht."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: