Trudering-Riem:Wegweiser zum Wohlbefinden

Um an Ort und Stelle die Gesundheit zu fördern, hat die Verwaltung für vier Stadtbezirke ein Pilotprojekt gestartet

Von Jennifer Sandmeyer, Trudering-Riem

Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass Gesundheitsmanagerin Andrea Dias Baptista ihre Runde durch den Stadtbezirk Trudering-Riem begann, an Türen klingelte und Bewohner befragte. Dies war der Startschuss für das Projekt "München - gesund vor Ort" unter Federführung des Referats für Gesundheit und Umwelt (RGU). Die Initiatoren wollen maßgeschneiderte Projekte für vier Stadtbezirke - Trudering-Riem, Moosach, Ramersdorf-Perlach und Feldmoching-Hasenbergl - entwickeln, um an Ort und Stelle die Gesundheit zu fördern.

Dias Baptista, deren Stelle von der Krankenkasse AOK Bayern finanziert wird, und ihre Mitstreiter planen für 2020 unter anderem ein "Peer-to-Peer-Modell" sowie einen Gesundheitswegweiser, den die Münchner Aktionswerkstatt Gesundheit (MAGs) erstellt - beides steckt noch in den Kinderschuhen. Diese Vorhaben benötigen ein "Riesen-Netzwerk", berichtete Projektleiterin Renate Binder vom RGU, aber es sei "spannend - und ich freue mich darauf". Genau aus diesem Grund folgten viele Fachkräfte aus Münchner Einrichtungen der Einladung zur Gesundheitskonferenz in Trudering-Riem.

Treppe am S-Bahnhof St.-Martin-Straße, 2013

Wer mit Kind beispielsweise zum Arzt muss, ist für jede Hilfe dankbar - nicht nur auf der Treppe am S-Bahnhof St.-Martin-Straße.

(Foto: Claus Schunk)

Das Großprojekt im Stadtviertel solle vor allem auf Jugendliche, insbesondere Mädchen, und junge Mütter mit und ohne Migrationshintergrund abzielen. Wie die Begründer erklärten, fehle es ersteren beispielsweise an Sportangeboten, letzteren an Sportangeboten mit Kinderbetreuung sowie Kinderärzten.

Das "Peer-to-Peer-Modell", dem das Berliner Projekt "Stadtteilmütter Neukölln" als Vorbild dient, ist wiederum maßgeschneidert auf Trudering-Riem. Maria Macher hat den weiten Weg aus Berlin in die Messestadt Riem deshalb auf sich genommen. Sie ist seit 15 Jahren Projektleiterin der "Stadtteilmütter Neukölln" und stellte den Fachkräften das Berliner Konzept vor, welches auf den Bereich Gesundheitsförderung in Trudering-Riem umgemünzt werden soll. In Berlin bestehe die Zielgruppe aus Frauen mit Migrationshintergrund aus "zurückhaltenden, konservativen Familien", die von "sich aus keine Angebote annehmen" und "aufgrund geringer Deutschkenntnisse schwer erreichbar" seien, berichtete Macher den Fachkräften. Die Stadtteilmütter suchen das Gespräch mit den Frauen und klären sie über verschiedene Themen wie Kinderrechte, gewaltfreie Erziehung und Gesundheit auf. Die späteren "Peers" in Trudering-Riem sollen, so der Tenor im Brainstorming-Workshop, eine Lotsenfunktion für die Frauen übernehmen, sie an die Hand nehmen und beispielsweise Kontakt zu Hebammen herstellen, den ersten Besuch bei einem Kinderarzt begleiten, über Angebote im Stadtbezirk informieren und vieles mehr. Dazu müssen in einem ersten Schritt Frauen aus dem Stadtviertel rekrutiert, mittels Qualifizierung zu Experten geschult werden und ihr Wissen anschließend mit den Frauen aus der Zielgruppe teilen. Für Renate Binder birgt das einen großen Vorteil: "Jemand, der mir entspricht, von dem lasse ich mir eher Rat geben. Das sind Frauen aus dem Stadtviertel in ähnlicher Situation." Die Berliner "Grundidee" findet sie jedenfalls "super". Sie hofft, mit diesem Projekt vor allem "auch sozial benachteiligte" junge Frauen zu erreichen.

In einem weiteren Workshop tüftelten Fachkräfte an Ideen rund um den Gesundheitswegweiser. Dieser richte sich vor allem an "Leute, die Angebote brauchen und nicht rauskommen, die schwer zu erreichen sind", erklärte Annika Schöttle von MAGs. Verschiedene Einrichtungen, Ärzte und Apotheken sollen im Online-Wegweiser erscheinen, diese müssen angefragt und bei einer entsprechenden Zusage in den Online-Stadtplan eingepflegt werden. Beim Workshop gehe es darum, die Fachkräfte zu fragen, wie sie im Internet suchen, welche Suchbegriffe sie verwenden, sagte Schöttle.

Gesund im Viertel

Das Projekt "München - gesund vor Ort" ist eine Initiative unter der Federführung des Referats für Gesundheit und Umwelt, das die AOK Bayern finanziert, mit verschiedenen Kooperationspartnern. Das Projekt debütiert in den Stadtteilen Moosach, Trudering-Riem, Ramensdorf-Perlach sowie Feldmoching-Hasenbergl - wenn die Bewohner es gut annehmen, soll es laut Initiatoren auch auf andere Stadtteile übertragen werden. In den jeweiligen Stadtvierteln wurde durch Befragungen der Bewohner und beispielsweise Workshops ermittelt, in welchen Bereichen der Gesundheitsförderung Verbesserungsbedarf besteht. Für jeden Stadtbezirk ermittelten die Initiatoren Zielgruppen, an die sich die Vorhaben richten sollen. Mit verschiedenen Projekten versuchen sie vor allem auch sozial benachteiligte, schwer erreichbare Menschen einzubinden. Die Projekte bewegen sich in den Feldern Ernährung, Bewegung, psychische Gesundheit und Suchtprävention.

Dass dies oft nicht so leicht ist, erfuhren die Teilnehmer dann am Gruppentisch. Blaue und rote Eddings steckten in Trinkgläsern, vereinzelt standen Kaffeetassen herum. Auf einem Flipchart und drei in weißes Papier gekleideten Moderationswänden klebten grün und gelb beschriftete Karten. "Wo?", "Für wen?", "Wie?" stand beispielsweise darauf. Die Teilnehmer überlegten, welche Suchbegriffe für Bewohner sinnvoll wären: "Kostenloser Sport", "Unterstützung", "Krankes Kind" lauteten einige Vorschläge. Ein fortschrittlicher Digital-Denker fragte, ob der Wegweiser auch als App denkbar wäre, was mit einem "Das wäre ja cool" aus der Runde zur Kenntnis genommen wurde. Annika Schöttle reagierte auf den Vorschlag verhalten, dies sei eine Kostenfrage.

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