Süddeutsche Zeitung

Trudering:Rätselhaftes Brummen

In Trudering fühlt sich ein Anwohner durch eine Mobilfunksendeanlage vor allem nachts gestört, er hört dann einen niederfrequenten Ton. Eine Schallpegelmessung der Stadt hat aber nichts ergeben

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Es brummt. Vor allem nachts, wenn alle anderen Geräusche verstummen. Ein Anlieger der Hugo-Weiss-Straße 19 in Trudering ist sich sicher, dass dieser lästige, niederfrequente Ton das erste Mal auftauchte, als die Mobilfunksendeanlage auf dem Lebensmittelmarkt in Haus Nummer 2 vom Betreiber aufgerüstet wurde. Für ihn ein klarer Zusammenhang. Nicht viele Ohren sind so beschaffen, dass sie solche Töne überhaupt wahrnehmen können. Für Menschen, die das Brummen hören, ist es jedoch schlimm. Sie schlafen schlecht, sind unkonzentriert, müde, das Immunsystem wird schwächer, ein Teufelskreis beginnt - weswegen Betroffene meist alle Hebel in Bewegung setzen. Doch das ist gar nicht so leicht.

Im Truderinger Fall wollte der Mann beweisen, dass nur der Sendemast die Quelle seiner Misere sein kann, indem er forderte, diese Sendeanlage während der Nacht kurzzeitig aus- und wieder einzuschalten. Das Referat für Umwelt und Gesundheit (RGU) sollte dann in beiden Situationen den niederfrequenten Schall zwischen 6,3 und 100 Hertz messen, und zwar direkt in der Wohnung der Betroffenen. Diesen Antrag hatte er bei der Bürgerversammlung im November 2018 gestellt, und eine große Mehrheit hatte das Anliegen unterstützt. Doch das Referat für Gesundheit und Umwelt sandte nun eine ablehnende Antwort an den Bezirksausschuss.

Der Betrieb eines solchen Sendemastes müsse nur angezeigt werden, ein besonderes behördliches Verfahren, in dem Anforderungen des Nachbarschutzes überprüft würden, erfolge nicht. Die Einhaltung der funk- und immissionsschutzrechtlichen Anforderungen sei mit der von der Bundesnetzagentur erteilten Standortbescheinigung nachgewiesen. Bereits im vergangenen Juli habe das RGU dem Antragsteller klargelegt, dass das von ihm beschriebene Signal "objektiv akustisch nicht wahrnehmbar" sei. Zudem habe die Netzbetreiberfirma auf Bitte des RGU ihren Sendemasten überprüft und keine Auffälligkeiten festgestellt: "Somit bestehen auch keine rechtlichen Möglichkeiten, eine zeitlich gestraffte Abschaltung der Anlage zu fordern", schreibt das RGU an den Bezirksausschuss Trudering-Riem. Dennoch habe das RGU eine orientierende Schallpegelmessung am Standort der Anlage sowie vor und im Haus des Antragstellers vorgenommen: "Schallemissionen der Mobilfunksendeanlage konnten bei dem Ortstermin nicht festgestellt werden."

Die Stadt registriere Klagen über Brummtöne in einem Geodateninformationssystem, um gemeinsam mit Opfern die Geräuschquelle ausfindig machen zu können. In diesem Fall aber sei die Quelle eben nicht gefunden worden, weitere Messungen brächten also nichts. Einem Betroffenen stehe aber immer auch der zivilrechtliche Klageweg offen, schreibt die Behörde.

Dem Bezirksausschuss aber versicherte der Betroffene, dass es sich bei dem Ton nicht um "Einbildung" handle. Inzwischen habe er über soziale Netzwerke ein weiteres Dutzend Brummton-Geschädigte in der unmittelbaren Nachbarschaft finden können, sie wollten sich nun gemeinsam wehren: Das RGU sei doch dazu da, die Gesundheit der Bürger zu schützen.

Für die SPD zeigte Gerhard Fuchs Verständnis mit dem Brummton-Opfer: So eine Sendeanlage sei doch auch mal kaputt oder müsse gewartet werden, das sei dann doch auch machbar. Vielleicht könne der Betreiber kulanterweise abschalten oder zumindest mitteilen, wann die Anlage ohnehin mal nicht in Betrieb sei? Die Stadt könne da zwar nichts fordern, aber sie könne "moralisch appellieren" an ihn, ergänzte Georg Kronawitter (CSU). Ähnlich argumentierten auch die Grünen.

Der Betroffene vermutete, das RGU habe bei seinen Messungen ein Gerät verwendet, das aus den Ergebnissen nur Mittelwerte bildet: "Das ist ein Trick, um beim Messen nichts zu messen." Der Bezirksausschuss nahm am Ende das Schreiben vom Amt zur Kenntnis, er stellte dem Betroffenen aber in Aussicht, sich in Zukunft für ihn einzusetzen, wenn er seine technischen Argumente genau zu Papier bringe - und wenn er sich mit den weiteren Betroffenen wieder meldet. Frank Essmann (CSU) sah den Standort auch unabhängig vom Brummton kritisch: Der Bezirksausschuss habe den Betreibern immer empfohlen, die Umgebung von Kindertagesstätten zu meiden - "und hier sind gleich drei, sensibler geht es ja gar nicht". Auch dieses Argument soll bei einem neuen Vorstoß mit eingebracht werden.

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SZ vom 28.01.2019
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