Trudering/Neuperlach:Leben in der Fremde

Eine Fotoausstellung widmet sich türkischen Gastarbeitern

"Hoşgeldiniz", ist türkisch und heißt: "Herzlich willkommen". So heißt eine Fotoausstellung, die der Historiker Professor Ludwig Eiber und seine Frau Christina 2011 zum Jubiläum des 1961 geschlossenen Arbeitskräfte-Anwerbeabkommens mit der Türkei spontan für das Münchner Archiv der Arbeiterbewegung konzipiert hatte. Weil sie so gut ankam, verschwand sie nicht im Archiv, sondern wurde überarbeitet und ergänzt und kommt vom 19. September bis zum 7. Oktober ins Kulturzentrum, Wasserburger Landstraße 32. Zur Eröffnung um 1 9 Uhr spricht Eiber, Vorstandsmitglied des Archivs. Danach ist die Schau werktags von 10 bis 20 Uhr bei freiem Eintritt zu sehen.

Im Mittelpunkt stehen die Angeworbenen, ihre Lebensgeschichte und ihre Wahrnehmung der neuen Heimat. Sie haben ihre privaten Fotoalben geöffnet und persönliche Erinnerungsstücke zugänglich gemacht. Unter ihnen ist die heute 67-jährige Neuperlacherin Makbule Kurnaz. Mit 22 wollte die junge Schneiderin aus der Nordtürkei lieber zu ihrem in München studierenden Bruder, als verheiratet zu werden. Der Vater stimmte zu, weil er hoffte, so auch kommen zu können. Mit einer kleinen Tasche, Kleidung, Löffel, Teller, Topf und einem befristeten Vertrag bei Siemens kam sie am 21. Juni in München an - das Datum vergisst sie nicht. Sie bezog ein Viererzimmer im Wohnheim, lötete und kontrollierte tagsüber Mikrochips. Sie paukte Deutsch. Doch irgendwann, in einem Heimaturlaub, hielt sie dem väterlichen Druck nicht mehr stand, heiratete wider Willen. Ihr Mann kam nach München, sie besorgte ihm Arbeit bei Siemens, zwei Söhne wurden geboren. Die Eltern arbeiteten abwechselnd Schicht, der Kinderwagen wurde beim Pförtner übergeben. Doch er war unglücklich in Deutschland, sie versuchten es in Istanbul, ohne Erfolg. Inzwischen sind sie geschieden, er lebt in der alten Heimat, sie, die Söhne, Schwiegertöchter und Enkel leben in München. Makbule Kurnaz hat nur eine kleine Rente. "Ich lebe knapp", sagt sie. Aber sie engagiert sich, bei der SPD, im ASZ, spielt Theater. Und erzählt gerne aus ihrem reichen Leben.

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