Das Drama vom Rappenweg ist gleich in doppelter Hinsicht ein kommunalpolitisches Lehrstück: Einmal belegt das Gezerre um einen Straßenausbau im alleröstlichsten Trudering, wie endlos lange sich in München Infrastrukturprojekte hinschleppen können. Und zum anderen zeigt sich an dem umstrittenen Durchstich zur Nachbargemeinde Haar, dass es mit der interkommunalen Zusammenarbeit nicht so weit her ist, wenn die Partner gegenläufige Interessen vertreten.
Doch der Reihe nach: Seit über 20 Jahren verfolgt die Stadt München den Plan, vom illegalen Gewerbegebiet am Rappenweg eine Verbindungsstraße in den Haarer Ortsteil Gronsdorf zu bauen. Am dortigen S-Bahnhof gehören der Stadt elf Hektar Fläche, die sich für Wohnbebauung eignen würden. Doch für die Erschließungsstraße ist am Rappenweg ein Schlüsselgrundstück notwendig, und mit dessen Eigentümern wird und wird das Rathaus nicht handelseinig. Die Familie, die Areale im Truderinger Ortskern gegen ihre Fläche tauschen möchte, hat gerichtlich Baurecht für das Grundstück am Rappenweg erstritten, die zweite Verlängerung der Baugenehmigung von 2015 wurde gerade beantragt.
An der ablehnenden Haltung der Eigentümerfamilie hat sich nach Auskunft der Stadtverwaltung nichts geändert, auch wenn man weiter das Gespräch suche. Geändert hat sich aber inzwischen die Geschäftsgrundlage: Die Schwarzbauten am Rappenweg, die in den Sechzigerjahren auf einer verfüllten Kiesgrube entstanden, sind größtenteils abgerissen. Aus dem illegalen Gewerbegebiet soll ein Wohngebiet werden, wenn erst einmal das Altlastenproblem gelöst ist. Von bis zu 3400 Wohnungen ist die Rede.
Dafür wiederum braucht es zusätzlich zur Schwablhofstraße eine zweite Zufahrt ins Quartier. Und weil die Direttissima am Rappenweg ja verbaut ist, entschieden die Stadträte vergangenen Herbst, die Mauerseglerstraße Richtung Wasserburger Landstraße für diese Erschließung prüfen zu lassen - inklusive einer neuen Unterführung unter den Bahngleisen. Nun aber nehmen sie zusätzlich den Durchstich zur Heimgartenstraße in Gronsdorf erneut ins Visier. Dafür beschloss der Planungsausschuss des Stadtrats jetzt einstimmig, den Bebauungsplan für das geplante Wohngebiet um die 900 Quadratmeter große südliche Teilfläche des Schlüsselgrundstücks zu erweitern, auch ohne Einigung mit dessen Eigentümern.
Der bisher drei Meter breite Rappenweg soll nach den ersten Plänen auf 15 Meter ausgebaut werden: mit einseitigem Gehweg, beidseitigen, 2,3 Meter breiten Radwegen und einer 7,5 Meter breiten Fahrbahn. Dass die Verlängerung notwendig ist, begründet das Planungsreferat mit dem Radschnellweg nach Ebersberg und mit dem Fuß- und Radverkehr, gerade dem aus dem neuen Wohnquartier. Denn Luftlinie sind es von der Stadtgrenze bis zum S-Bahnhof Haar-Gronsdorf nur etwa 400 Meter, auch wenn man derzeit einen Umweg von zwei Kilometern gehen, radeln oder fahren muss. Eine Busverbindung von München nach Gronsdorf existiert nicht.
Vom Autoverkehr ist in der Vorlage des Planungsreferats kaum die Rede. Gerade der aber macht den Nachbarn in Haar die größten Sorgen. Auch wenn Christian Smolka (Grüne) im Planungsausschuss sagte, die Verbindung sei nicht für den motorisierten Individualverkehr gedacht, befürchten sie, dass sich eine Blechlawine über ihre Heimgartenstraße zum S-Bahnhof ergießt, wenn der Rappenweg verlängert wird.
Idee einer grenzüberschreitenden Autoverbindung gilt als erledigt
In Haar jedenfalls werden die Entwicklungen in München aufmerksam beobachtet, wobei ursprüngliche Ideen für eine ausgebaute Nordtangente entlang der Bahntrasse seit einiger Zeit zu den Akten gelegt worden sind. Diese war lange Thema, auch um den in Gronsdorf angestrebten Schulcampus verkehrlich gut anzubinden, was ein Gutachten auf dem bestehenden Straßennetz einst als problematisch angesehen hat. Doch seit die Stadt München einen Verkauf eines Teils ihrer elf Hektar großen Fläche für Schulbauten mit Wohnungsbau auf dem Rest des Areals verknüpft hat, stecken die Campuspläne in der Sackgasse. Spätestens seit die städtischen Pläne für 3400 Wohnungen im Umfeld des Rappenwegs bekannt wurden, gilt die Idee einer grenzüberschreitenden Autoverbindung als erledigt.
Mit einer Öffnung für Fußgänger und Radfahrer allerdings hat man in Haar keine Probleme. Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) "begrüßt die Öffnung des Rappenweges zur Schaffung einer überörtlichen Geh- und Radwegeverbindung". Mit Interesse verfolge man eine mögliche Einigung wegen des Sperrgrundstücks. Doch eine Öffnung für den Autoverkehr sei nach aktuellem Stand ausgeschlossen. Für den Schulcampus sucht das Haarer Rathaus intern schon längst nach Alternativen zu Gronsdorf. Er könnte am Sportpark in Eglfing nahe dem Haarer Bahnhof entstehen.