Süddeutsche Zeitung

Trudering:"Eine Marketing-Lüge"

Waldtruderinger bekämpfen 15-Minuten-Takt der S 4 im Stammstrecken-Konzept

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Viele Waldtruderinger nutzen den S-Bahnhof Gronsdorf. Sie sind also betroffen von der Ankündigung der Bahn, mit Inbetriebnahme des zweiten S-Bahn-Tunnels statt des bisherigen Zehn-Minuten-Taktes auf der Linie S 4 nach Ebersberg nur noch jede Viertelstunde einen Zug zu schicken. Das brachte den Bahnexperten im Bezirksausschuss Trudering-Riem, Georg Kronawitter (CSU), auf die Barrikaden. Diese als "systembedingte Einschränkung" angekündigte Maßnahme sei angesichts der "gigantischen Steuermittel für dieses Projekt" nicht akzeptabel. Früher sei man davon ausgegangen, dass sich für alle alles verbessern werde, nun spreche man von "nur" 15 Stationen, die schlechter dran sein werden - was Kronawitter als "eine Marketing-Lüge" bezeichnet.

Der Antragsteller will von der Stadt wissen, wie hoch das Fahrgastaufkommen in Gronsdorf, Haar, Vaterstetten und Baldham ist und wie weit es unter dem Durchschnitt für einen S-Bahnhof liegt. Denn Kronawitter glaubt nicht, dass die Bahnhöfe der S 4 wirklich so wenige Fahrgäste aufweisen wie bei der Vorstellung des Betriebskonzepts behauptet worden sei - lägen diese doch im bevölkerungsreichen Speckgürtel der Stadt München. Erwiesenermaßen markiere zudem ein Zehn-Minuten-Takt die "Attraktivitätsschwelle" des öffentlichen Nahverkehrs, und es komme doch darauf an, noch mehr Menschen zum Verzicht aufs Auto zu bewegen.

Es sei daher für den Waldtrudering nächsten Bahnhof Gronsdorf die Mindestanforderung, das bisherige Angebot zu halten. Auf dem Gelände nördlich des Bahnhofs, das sich im Eigentum der Stadt befindet, sei schließlich erheblicher Zuwachs geplant: Neben Wohnungen sei das ein Schulzentrum mit Realschule, Fach- und Berufsoberschule sowie Pflegefachschule. Da es sich um überregionale Schulformen handle, sei eine gute Anbindung Grundvoraussetzung für diese Projekte.

Die Trasse nach Ebersberg sei zudem mit vielen Steuermitteln bis nach Grafing Bahnhof viergleisig ausgebaut worden, die zweigleisige S-Bahn-Trasse sei vollkommen unabhängig von der zweigleisigen Fernbahn-Trasse zu nutzen: "Einer Taktverdichtung steht somit kein relevantes technisches Hindernis entgegen."

Auch die Landräte im MVV-Gebiet haben sich laut Kronawitter in einem Positionspapier klar für den Zehn-Minuten-Takt ausgesprochen: Mit ihnen und den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden solle die Stadt nun den Schulterschluss suchen, um die Kürzung "in fruchtbarer interkommunaler Zusammenarbeit" abzuwenden.

Beim Bezirksausschuss Trudering-Riem rannte Kronawitter mit dem Antrag offene Türen ein. "Das ist perfekt recherchiert und zu Papier gebracht", lobte Grünen-Sprecher und Stadtrat Herbert Danner. Für ihn sei dies klar eine "Grundsatzkritik an der zweiten Stammstrecke und damit an der Bahn und am Freistaat", erklärte der Grüne: "S-Bahn-Ringe wären billiger gewesen." Kronawitter selbst hatte ebenfalls lange und intensiv gegen die zweite Stammstrecke gekämpft. Er erklärte, er sei noch immer kein Freund der Idee, habe sie nun aber akzeptiert. Zudem wolle er nicht als "der ewige Rechthaber" dastehen.

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Quelle:
SZ vom 16.12.2017
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