Der Ruf des Münchner Trinkwassers ist tadellos. Glasklar, ungechlort und hygienisch einwandfrei strömt es aus den Wasserhähnen - ein flüssiges Geschenk aus dem Mangfall- und Loisachtal. Nur: Streng genommen hapert es zumindest im Landkreis Miesbach an den Schutzvorkehrungen. Dort fehlt seit Jahrzehnten eine eigentlich gesetzlich vorgeschriebene Schutzzone, die die Nutzung durch die örtlichen Bauern einschränkt.
Zwei Schutzbereiche gibt es, aber der dritte wurde nie ausgewiesen - ein Fall für den neuen Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), findet der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn. Der Minister müsse "dafür sorgen, dass Recht und Gesetz eingehalten werden". Dass dies in vielen Jahren nicht gelang, sei ein "unfassbares bayerisches Staats- und Behördenversagen". Das Münchner Trinkwasser müsse endlich Chefsache werden, so von Brunn. Damit nicht irgendwann doch noch Chlor zugefügt werden oder genießbares Trinkwasser in der Plastikflasche erworben muss, wie Juso-Vorstandsmitglied Lena Odell befürchtet.

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Allerdings ist das nicht so einfach, wie man zunächst annehmen möchte. Zwar gehen der SPD-Abgeordnete wie auch die Stadtwerke und das Umweltministerium davon aus, dass eigentlich juristisch alles klar ist und die Ausweisung der erweiterten Zone erfolgen kann und muss. Im Landkreis Miesbach aber hat sich die Initiative "Heimatwasser" gegründet, die nicht nur dem Namen nach, sondern auch personell mit den Münchner Anti-Wohnungsbau-Aktivisten von "Heimatboden" eng verwandt ist.
"Sie schaffen es, zugunsten von Einzelinteressen vor Ort den Prozess aufzuhalten", ärgert sich von Brunn, für den sauberes Wasser für 1,5 Millionen Münchner einen höheren Stellenwert hat als die Weiderechte einiger Landwirte. Angreifbar findet der SPD-Politiker vor allem, dass der frühere Miesbacher CSU-Landrat Jakob Kreidl das heiße Eisen Wasserschutzzone jahrelang nicht angepackt habe.
Und nun, wo der grüne Nachfolger Wolfgang Rzehak das Versäumnis nachhole, würden ihm von CSU-Seite Steine in den Weg gerollt. Denn eine Mehrheit aus CSU, Freien Wählern, FDP und AfD hat im Umweltausschuss des Landtags einer von "Heimatwasser" eingereichten Petition Recht gegeben, in der von einer angeblichen Befangenheit des Landrats die Rede war. Die Folge: In dem eigentlich juristisch unstrittigen Verfahren könnte bald wieder alles auf Anfang stehen. Laut bayerischem Umweltministerium wurde die Petition nun der Staatsregierung übergeben. "Diese Prüfung läuft derzeit", so ein Sprecher des Ministeriums.
Von Brunn verweist jedoch darauf, dass Staatsregierung wie Regierung von Oberbayern in einer früheren Prüfung keinerlei Grund für eine Befangenheit des Landrats erkennen konnten - und nun drehe man trotzdem noch einmal eine Verzögerungsrunde. Der Giesinger SPD-Abgeordnete hält den Vorwurf der Befangenheit für völlig abwegig. Rzehak wird unterstellt, er sei nicht unabhängig, weil er im Münchner Kreisverwaltungsreferat gearbeitet habe und das dortige Dienstverhältnis derzeit nur ruhe. Allerdings haben weder die Stadt München noch deren Versorgungsunternehmen Stadtwerke den Prozess initiiert. "Das Landratsamt Miesbach ist verfahrensführende Behörde", bestätigt auch das Umweltministerium. Von Brunns Analyse lautet daher: "falsche Rücksichtnahme auf die Interessen einiger Weniger und jahrzehntelange CSU-Amigoklüngelei".
Aus dem Mangfalltal kommen 80 Prozent des Münchner Trinkwassers. Dort gibt es bislang zwei Schutzzonen: eine kleine innere, die unmittelbar rund um die Quellen liegt, eingezäunt ist und keine Landwirtschaft erlaubt. Diese Grundstücke gehören aber ohnehin den Stadtwerken selbst. In der zweiten Zone findet bislang Bio-Landwirtschaft statt. Sie soll unterteilt werden in einen Bereich, in dem das weiterhin möglich ist und einen mit strengeren Auflagen, in denen keine Tiere mehr weiden dürfen.
Von dieser Verschärfung wären drei Landwirte betroffen, denen nach Angaben der Stadtwerke Ersatzflächen angeboten wurden. In der komplett neuen Zone III, mit der das Schutzgebiet auf 1590 Hektar ausgedehnt würde, wären Öko-Weiden und Landwirtschaft weiterhin möglich. Allerdings gelten strenge Auflagen etwa für Neubauten und beim Abwasser.
Am liebsten wäre einigen Widerständlern im Oberland offenbar, wenn München sein Wasser komplett an anderer Stelle zapfen würde. Sowohl die Stadtwerke wie auch das Umweltministerium halten die uralten Wasserrechte aber für wasserdicht. Untersuchungen haben zudem ergeben, dass eigentlich keine Alternative zur Verfügung steht - zumindest nicht bei vernünftigem Aufwand.