Bürgerentscheid zur Steinkohle:Die Abkehr von der Kohle ist auch ein Sieg der ÖDP

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Das Heizkraftwerk München Nord in Unterföhring: Ein Herzensprojekt der Umweltpartei ÖDP, die schon einmal auf eine noch frühere Abschaltung des Kohleblocks gedrängt hatte. (Foto: Florian Peljak)
  • Münchnerinnen und Münchner haben für eine vorgezogene Abschaltung des Kohleblocks im Heizkraftwerk Nord gestimmt.
  • Kommt es in letzter Konsequenz dazu, wäre das vor allem das Verdienst der ÖDP. Die setzte sich schon seit Jahren für das Projekt ein, länger als die Grünen.
  • 2014 war der Partei der Ausstieg sogar wichtiger als eine Beteiligung an der Stadtregierung.

Von Heiner Effern

70 Parteien, Verbände und Organisationen in München feiern sich als Sieger des Bürgerentscheids. Doch der schnelle Ausstieg aus der Steinkohle im Kraftwerk Nord ist und war vor allem ein zentrales Anliegen der ÖDP.

Wie sehr der Partei diese Forderung am Herzen liegt, erfuhr die Öffentlichkeit erstmals im April 2014. Damals hätte die ÖDP nach der Kommunalwahl ein Rathaus-Regierungsbündnis mit SPD und Grünen bilden können. Doch sie ließ die Verhandlungen platzen, weil die beiden größeren potenziellen Partner ihr beim schnellen Kohleausstieg nicht weit genug entgegenkamen. Laut SPD wollte die ÖDP das Abschalten des Kraftwerksblocks im Jahr 2020 durchsetzen.

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Am Bürgerentscheid beteiligt sich nur jeder fünfte Bürger. Von diesen stimmen aber 60 Prozent dafür, den Steinkohle-Block in Unterföhring Ende 2022 abzuschalten.

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Die Stadtwerke München (SWM) als Betreiber des Kraftwerks beauftragten das Öko-Institut in Freiburg mit einer Studie, wie der Ausstieg aus der Steinkohle wirtschaftlich und ökologisch zu bewerten sei. Immerhin verfeuern sie pro Jahr 800 000 Tonnen. Im Januar 2015 kam das Ergebnis: Das Abschalten des Kohleblocks sei ökologisch wünschenswert, aber mit Verlusten von bis zu 600 Millionen Euro jährlich verbunden. Das Regierungsbündnis aus SPD und CSU lehnte den Ausstieg ab, im Raum stand eine maximale Laufzeit bis zum Jahr 2035.

Die Grünen übernahmen das Thema dann im April 2015 und schlugen einen stufenweisen Ausstieg aus der Steinkohle bis 2025 vor. Auch das lehnte die Rathausmehrheit ab. Im Herbst ging dann die ÖDP wieder in die Offensive: Man strebe einen Bürgerentscheid für den Ausstieg bis zum 31. Dezember 2022 an, erklärte der Stadtverband.

Das Bündnis "Raus aus der Steinkohle" gründete sich, anfangs mit kleineren Partnern. Das Sammeln der nötigen 34 000 Unterschriften gestaltete sich dann auch zäh. Von November 2015 bis Juli 2017 gingen die Listen um. Im August erklärte der Stadtrat den Bürgerentscheid für rechtsgültig und setzte ihn für den 5. November an.

In der Zwischenzeit hatte das Öko-Institut seine Studie angesichts veränderter Rahmenbedingungen nochmals durchgerechnet und den Stadtwerken vorgelegt. Die Zahlen gestalteten sich deutlich günstiger. Die Stadtwerke stellten einen früheren Ausstieg in Aussicht.

Doch unbeirrbar machten die ÖDP und das Bündnis Druck, sodass vor allem die Grünen nervös wurden. Im März 2017 ermutigten sie SPD und CSU zu einem Dreierbündnis, das von den Stadtwerken einen Kohlestopp in den Jahren von 2027 bis 2029 forderte. Doch die große Münchner Umweltpartei spürte immer mehr die Gefahr, dass sie sich bei einem Bürgerentscheid als Steinkohle-Befürworter blamiert.

Ende Juli 2017 fanden die Grünen einen Grund, die Seiten zu wechseln. Die Stadtwerke, die stets auf technische Probleme bei einem schnellen Ausstieg verwiesen hatten, erwähnten die theoretische Möglichkeit, diese mit einem Gaskraftwerk auffangen zu können.

Die ÖDP nahm die Grünen in ihrem Bündnis auf, die erwartete höhere Schlagkraft überdeckte öko-interne Nickligkeiten. Unter dem Motto "Umweltparteien Hand in Hand" warben noch am Freitag Klaus Mrasek, ÖDP-Vorsitzender in Bayern, und Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag, auf dem Marienplatz "solidarisch" für den schnellen Kohleausstieg. Mit Erfolg.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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