Treffpunkt am Nymphenburger Kanal:Die Partybrücke

Die Gerner Brücke hat sich zu einem Treffpunkt für Jugendliche entwickelt. Die Anwohner fühlen sich gestört, "als würde das Oktoberfest stattfinden". Bezirksausschuss und Polizei bekommen das Problem nicht in den Griff.

Sonja Niesmann

Die Stadt hat eine neue Party-Meile: An der Gerner Brücke herrscht ein Lärm, "als würde das Oktoberfest stattfinden". So stellen es jedenfalls Anwohner dar. Manuela Göttinger, die im Namen von Dutzenden Anwohnern ("die anderen sind leider alle im Urlaub"), die Situation am Dienstag im Neuhauser Bezirksausschuss schilderte, sieht sich und ihre Nachbarn "im Belagerungszustand".

Gerner Brücke über den Nymphenburger Kanal

Ein lauschiger Ort zum Genießen des sommerlichen Sonnenuntergangs ist die Gerner Brücke - so wie auf unserem Archivfoto. In jüngster Zeit entwickelt sie sich aber offenbar immer mehr zum Treffpunkt für Sommernachtsschwärmer. Das gefällt den einen, die anderen hören den Lärm in Gern nicht gern.

(Foto: RUMPF, STEPHAN)

Täglich träfen sich von nachmittags bis in die Nacht hinein "20 bis 80 Jugendliche" an der Brücke über den Nymphenburger Kanal, die einen wunderbaren Blick übers Wasser auf Schloss und Sonnenuntergang bietet. "Da werden Picknickdecken ausgebreitet, da wird wahnsinnig viel Alkohol konsumiert, aus Gettoblastern dröhnt Musik." Wenn sie um 18 Uhr nach Hause komme, sei es unmöglich, sich zu entspannen, klagt Göttinger: "Das geht an Körperverletzung." In Mails an den Bezirksausschuss liest sich das so - in Großbuchstaben: "Kreischen, Brüllen, Toben, Flaschenklirren, Schreien . . . Dauerruhestörung."

Am selben Abend, 22.30 Uhr, immer noch 27 Grad: Schemenhafte Gestalten sind auf der Brücke zu sehen. Rund 20 junge Menschen haben sich versammelt, in mehreren Grüppchen. Doch zehn Meter entfernt, auf dem Gehweg der Südlichen Auffahrtsallee, ist nichts mehr von ihrem gedämpften Gemurmel zu hören. War etwa gerade die Polizei da und hat auf Ruhe gepocht? Nö, sagt einer aus einer Gruppe sieben junger Leute, die im Kreis auf dem Gehsteig an der Brüstung sitzen und plaudern, alles normal. Die Clique, teils in der Nachbarschaft zu Hause, trifft sich öfters hier. Warum nicht in der Kneipe? "Ach, das ist doch viel schöner und entspannter hier als in der Kneipe."

An manchen Abenden am Wochenende gehe es allerdings anders zu: "Das ist natürlich blöd, wenn es so laut ist, das verstehen wir." Manche drehen die Musik aus Trotz höher, wenn die Nachbarn schimpfen, haben sie beobachtet. Aber die Provokationen finden auf beiden Seiten statt, etwa wenn eine Anwohnerin um 20 oder 21 Uhr auf die Brücke stürze und "jedem einzelnen mit dem Handy vor dem Gesicht fuchtelt, um ihn zu fotografieren".

"Man kann die Brücke ja auch nicht einfach sperren"

Dass die Brücke am Morgen übersät ist mit Abfall und Glasscherben, wie auch immer wieder moniert wird ("versifft", heißt es in einer weiteren Beschwerde), können die jungen Leute kaum glauben. Schließlich komme jede Nacht, oft mehrmals, "die bayerische Brigitte" vorbei ("Brischitt" ausgesprochen, wie Brigitte Bardot). Die wohne in der Nähe und räume immer mal Abfall und Flaschen weg, erzählt ein junger Mann. "Die ist klasse". Sein Kumpel hält es für eine gute Idee, hier einen Abfallbehälter aufzustellen. Das junge Pärchen, das in diesem Moment seine leeren, auf der Brüstung abgestellten Flaschen im Rucksack verstaut, braucht jedenfalls keinen Mülleimer.

Dass jener Abend nicht die absolute Ausnahme vom lärmdröhnenden Party-Alltag an der Brücke gewesen sein kann, zeigen die Reaktionen im Bezirksausschuss auf Manuela Göttingers Auftritt. Er sei in jüngster Zeit zweimal am Abend da vorbeigekommen, wendet Tom Neuberger (FDP) ein, "einmal war da nur ein knutschendes Pärchen und beim anderen Mal war meine kleine quietschende Tochter die lauteste". Seine Fraktionskollegin Barbara Schmitt-Walther hat schon mehrmals erlebt, dass die Jugendlichen auf ihre freundliche Aufforderung hin ihre leeren Flaschen einsammelten.

"Man kann die Brücke ja auch nicht einfach sperren", gibt Wolfgang Schwirz (CSU) zu bedenken. Und andere stellen die Frage, wo Menschen, vor allem Jugendliche, sich überhaupt noch treffen dürfen in dieser Stadt? "Ich habe das Gefühl, einige von Ihnen nehmen mich nicht ernst", entgegnet Manuela Göttinger aufgebracht. "Ruhestörung ist eine Ordnungswidrigkeit!" Ordnungswidrigkeiten sanktioniere aber nicht der Bezirksausschuss, korrigiert Ingeborg Staudenmeyer, die Vorsitzende des Gremiums, das sei Sache der Polizei.

Ludwig Schmid, stellvertretender Leiter der Neuhauser Inspektion betont, dass immer wieder Streifen an der Gerner Brücke vorbeischauen - "solange nichts Dringlicheres vorliegt". Manchmal, erzählen die Jugendlichen, machen sich die Polizisten nur eine Zeitlang ein Bild vom Geräuschpegel, manchmal aber "riegeln bis zu 15 Beamte die Brücke ab und kontrollieren alle". Die Anwohner empfehlen sich gegenseitig auch ausdrücklich, möglichst oft die Polizei zu rufen: "Je mehr Einsätze durchgeführt werden, desto eher erreichen wir politisch etwas, da die Einsatzberichte ans Kreisverwaltungsreferat gesendet werden, und das entscheidet dann über Schilder und Verbote", heißt es einer Mail.

Ludwig Schmid versichert, die Polizei fordere die Jugendlichen auf jeden Fall zum Leiserdrehen auf, wenn der Gettoblaster zu laut wummert. "Und wenn wir später noch einmal kommen und die Musik ist immer noch laut, beschlagnahmen wir den Gettoblaster und erstatten Anzeige." Aber Platzverweise, für 50 Leute? "Ich kann doch niemandem verbieten, sich dort aufzuhalten."

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