Es ist ein sehr friedlicher Moment in der Aussegnungshalle kurz vor Beginn der Trauerfeier für Johannes Heesters. Seine zwei Töchter Wiesje Herold-Heesters, 80, und Nicole Heesters, 74, stehen nebeneinander und betrachten still den aufgebahrten Sarg ihres Vaters, der von weißen Rosenblüten und Kerzen eingerahmt ist.
Rund 200 geladene Gäste und zahlreiche Fans haben dem Sänger und Schauspieler Johannes Heesters in München das letzte Geleit gegeben. Heesters war an Heiligabend im Alter von 108 Jahren in einer Klinik am Starnberger See gestorben.
Hinter den beiden steht Simone Rethel, die 62-jährige Witwe, und wird von den Trauergästen umarmt und begrüßt. Tapfer lässt sich die zierliche Frau von den Anwesenden drücken und küssen. Dazu erklingt leise das "Heimatlied" von Johannes Heesters, der am 24. Dezember im Alter von 108 Jahren gestorben ist.
Heesters' Stimme erhebt sich zur Streichermelodie in die hohe Halle des Nordfriedhofs. Draußen vor der Halle ist es laut und hektisch. Dutzende Fotografen und Kamerateams warten im einsetzenden Graupelschauer vor dem Eingang noch auf die letzten Gäste, auf Prominente.
Fans des Sängers schreiben in die beiden ausgelegten Kondolenzbücher, es wird gedrückt und gedrängelt. "Er war ein netter Künstler" steht da geschrieben, oder schlicht: "Verehrung!". Eine Frau sagt: "Ich habe jede Vorstellung von ihm besucht, jetzt komme ich auch zur allerletzten." Die beginnt mit einer Predigt des Starnberger Pfarrers Konrad Schreiegg, der zu Beginn erst einmal klarstellt, dass es zwar normalerweise üblich sei, bei einer Beerdigung noch einmal das Leben des Verstorbenen zu skizzieren. Doch das sei bei Heesters nicht nötig, nach all den Nachrufen der vergangenen Tage wisse in der Hinsicht ohnehin jeder Bescheid.
Also versuchen Schreiegg und die nachfolgenden Redner, den Trauergästen die Seiten des Johannes Heesters zu zeigen, die vielleicht nicht so sehr bekannt sind. Schreiegg erzählt, wie es ihn beeindruckt habe, dass Heesters mit seiner Frau so einfach gelebt habe in seinem Haus in Starnberg, immerhin "ein Weltstar". Das Wort hallt lange nach im Saal. Ein Weltstar, der immer an sein Limit gegangen sei, sagt Schreiegg, und, dass Heesters seiner Paraderolle, dem Grafen Danilo, einem Gigolo und Hallodri, gar nicht ähneln würde.
Im Gegenteil: Diszipliniert sei er gewesen. Später berichtet der Berliner Regisseur Jürgen Wölffer in seiner Ansprache, wie Heesters mit hundert Jahren während eines Engagements in Berlin eisern jeden Morgen Gesangsübungen und Gymnastik machte. Eine ununterbrochene Bühnenpräsenz seit den zwanziger Jahren habe Heesters gehabt, sagt Thomas Goppel. Der CSU-Politiker wurde erst vor zwei Tagen von Simone Rethel gebeten, auf der Beerdigung zu sprechen.
Goppel beschreibt Heesters als jemanden, der Freude erleben sichtbar gemacht habe. Dieser Dandy des Jahrhunderts. Und er wünscht ihm einen gelungenen Übergang "von der Bühne unten auf die Bühne dort oben". Anschließend erinnert René Heinersdorff, Regisseur und Schauspieler aus Düsseldorf, an Heesters letzten Auftritt, vor zwei Monaten beim Jubiläum der Kleinen Komödie im Bayerischen Hof.
Johannes Heesters wollte nur Schauspieler und Sänger sein - die Geschichte des 20. Jahrhunderts war auch seine. 1903 geboren, 2011 gestorben, dazwischen neun Jahrzehnte auf Bühnen: ein außergewöhnliches Leben in Bildern.
Da hatte Heesters, wie immer souffliert von seiner Frau, wie geplant ein Ständchen gesungen, allerdings wollte er danach partout die Bühne nicht verlassen. Er sang weiter, wollte im Rampenlicht bleiben, weiter gefeiert werden. Und dann suchte er sich den 24. Dezember, Heiligabend, aus, um zu sterben, sagt Heinersdorff. "Das hat er bewusst gemacht, damit man sich nicht an seinen Todestag erinnert, denn der wird immer von Weihnachten überstrahlt sein, sondern an seinen Geburtstag."
Da ist zum ersten Mal ein Lachen zu hören unter den Gästen, auch Heesters Töchter, die sonst starren Blickes der Zeremonie folgen, lächeln nun. So wirkt die Trauerfeier passend für einen Mann, der sein Leben lang die gute Laune und die Freude am Leben lehrte und lebte. Die Töchter stecken ihrem Vater am Ende je eine Rose an den Sarg, als dessen Lied "Die Kraft meines Lebens" erklingt, wie eine Art letztes Resümee nach all den Reden und Würdigungen der anderen, nun von Heesters selbst auf sein eigenes Leben.
"Ich habe mein Leben geliebt und mich stets bemüht" und "die Jahre flogen dahin" hören die Gäste, ehe die Türen aufgehen und sich der Trauerzug hinter dem Sarg in Bewegung setzt. Hunderte Fans stehen an den Seiten des Kiesweges, auf dem die Trauergäste gehen, Freunde, Verwandte und Weggefährten wie die Schauspieler Caroline Beil und Thomas Fritsch oder der österreichische Sänger Andreas Hauff. Manche Heesters-Fans halten Schallplatten, andere Plakate und Fotos hoch. Noch immer ist es grau. Kultusminister Ludwig Spaenle geht neben Goppel. Spaenle spricht später von einer "sehr würdevollen" Beerdigung, Goppel nennt sie "betrübt heiter" und auch Margit Bönisch von der Kleinen Komödie ist froh, dass auch gelacht wurde während der Feier.
Als der Trauerzug am Grab angekommen ist und Gebet und Segen von Pfarrer Schreiegg gesprochen sind, wird es still. Etwa eintausend Menschen stehen da, und für ein paar Augenblicke scheint die Sonne durch die graue Wolkendecke, sie scheint direkt auf das Grab. Zu hören ist in diesem Moment nur das Knistern der Fotoapparate.
Im Scheinwerferlicht des Sonnenscheins, im Blick der Fotografen, Fans und Freunde, scheint es fast, als wäre Heesters noch ein letztes Mal auf einer großen Bühne.