Trauerfeier:Ein letztes Mal im Rampenlicht

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Der Abschied von Margit Bönisch zeigt, wie lustig eine Trauerfeier sein darf. Die Redner betonen die Hingabe der gestorbenen Chefin der Komödie im Bayerischen Hof an die Bühne. Es wird geweint, gescherzt - und gemeinsam gesungen

Von Stephan Handel

Auf rote Papierherzerl haben sie ihren Text geschrieben, Michaela May und Jutta Speidel, das gibt ihnen die Gelegenheit, nach jedem Aufsager das Blatt mit theatralischer Geste zu Boden segeln zu lassen. Die beiden Schauspielerinnen zählen auf, was Margit Bönisch geliebt hat, die Chefin der Komödie im Bayerischen Hof, die vor vier Wochen gestorben ist: Hühnersuppe, Paranüsse, Ananas und Ehrlichkeit, an Männern Jonas Kaufmann und Maximilian Schell, sowie das Lieblingswort jeder Theater-Intendanz: ausverkauft.

Ausverkauft war's nicht am Sonntagmittag in der Komödie, weil man zu einer Trauerfeier ja schlecht Eintritt nehmen kann, aber brechend voll war's trotzdem - und wenn jemals jemand daran gedacht hat auszuprobieren, wie lustig eine Gedenkveranstaltung eigentlich sein darf: Da hätte er's sehen können.

Natürlich hatten beim Eintreffen alle das größtmögliche Betroffenheitsgeschau im Gesicht, alle, die Margit Bönisch eine Karriere, ein Einkommen, einen Austrag zu verdanken haben oder ihr sonstwie verbunden waren: Die Kessler-Zwillinge, Ingrid Steeger, Antje-Katrin Kühnemann, Michael Lerchenberg, Georg Preuße, zahllose andere. Ihnen verging die Traurigkeit aber gleich bei der ersten Rede, als René Heinersdorff, Intendant in Düsseldorf, die Verblichene hinreißend persiflierte und karikierte.

Schauspieler Jochen Busse skizzierte den Arbeitsalltag einer Intendantin einschließlich des Abonnenten-Anrufs: Sie möge doch dafür sorgen, dass die Zoten aus den Texten verschwinden, da hätte man ja gleich am Resi bleiben können. Michael von Au kündigt an, er werde jetzt ein Lied singen, obwohl er gar nicht singen könne, eine Tatsache, deren Beweis er sogleich antritt. Und der bekannte Theaterwissenschaftler Helmut Markwort erklärt, dass er in letzter Zeit mit dem Programm der Kammerspiele gar nicht mehr einverstanden sei.

Es ist natürlich nicht alles launig, beeindruckend etwa der Auftritt von Ellen Schwiers, die findet, es sei eine verkehrte Welt, in der sie, 85 Jahre alt, der um mehr als zehn Jahre Jüngeren nachrufen müsse. Ann-Cathrin Sudhoff nennt Margit Bönisch "meine Mutter Courage", Kerstin Heiles singt "Je ne regrette rien". Und alle Redner - 20 Tagesordnungspunkte stehen auf dem Programm - betonen die Hingabe der Verstorbenen an ihre Bühne, an ihre Schauspieler, an das Theater vor und hinter dem Vorhang: eine "Theaterfamilienbewahrerin" nennt sie Michael von Au; auch Barbara Wussow spricht davon, die die zweifelhafte Ehre hatte, am Todestag von Margit Bönisch abends die Premiere spielen zu müssen.

Bürgermeister Josef Schmid befördert "die Bö" posthum zur "Generalintendantin der gehobenen Unterhaltung", was für die Stadt praktisch ist und vor allem billig, denn öffentliche Zuschüsse hat das Theater nie bekommen. Innegrit Volkhardt, Chefin im Bayerischen Hof und somit Verpächterin der Komödie, erinnert daran, dass ein echter Generaldirektor seinerzeit dafür eintrat, Margit Bönisch die Bühne im Hotel zu überlassen, August Everding war das.

Michael Heltau kommt dann auf die Bühne, der Wiener, und natürlich singt er zwei Wienerlieder: "Wenn der Herrgott ned will, nützt es gar nix" und "Sag zum Abschied leise Servus". Da animiert er das Publikum zum Mitsingen, was dieses trotz des komplizierten Textes auch tut. Heltau wird es verschmerzen, dass die Leute sich dann nicht für ihn erheben, sondern für die Prinzipalin, deren Bild mittlerweile in der Mitte der Bühne steht.

Thomas Pekny, Lebensgefährte, Kompagnon und jetzt Nachfolger von Margit Bönisch, bittet alle Mitarbeiter ins Rampenlicht und verkündet, dass alles in ihrem Sinne weitergehen soll. Es stehen immer noch alle im Publikum, klatschen und weinen nach einer zweistündigen Trauerfeier, die so unterhaltsam war wie oft einmal keine Komödie.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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