Süddeutsche Zeitung

Trauerfeier:"A Punk-rocker now"

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Weggefährten und Freunde verabschieden sich von dem überraschend verstorbenen Trikont-Labelchef Achim Bergmann

Von Dirk Wagner

Das Buch, das auf dem Sarg liegt, wollte nur die ersten 50 Jahre des Münchner Musiklabels Trikont resümieren. Nun ist es zu einem Epilog avanciert, das Achim Bergmanns Lebenswerk dokumentiert. Ein Lebenswerk, das aus einer politischen Linken schöpfte und stets eine Gegenöffentlichkeit schuf. Das die Stimmen verstärkte, die zuvor von der Kulturindustrie übertönt blieben, darunter die der Homosexuellen, der Gastarbeiter oder der indigenen Völker. Ein Lebenswerk also, das der Musikverleger Bergmann auf dem von ihm mitbegründeten Musiklabel Trikont als "Unsere Stimmen" vereinte. Wie wichtig das Label ist, wurde vor wenigen Wochen zum Jubiläum in zahlreichen Medien betont. Wie sehr es mit der Person Achim Bergmann verbunden ist, dem gebürtigen Sauerländer also, der längst als ur-bairischer Anarchist geschätzt wurde, davon war in den Nachrufen auf den jüngst Verstorbenen zu lesen.

Im Mai wäre er 75 Jahre alt geworden. Wie viel lieber hätte man doch auf solchem Jubiläum zusammen mit Coconami gesungen: "Achim is a Punk-Rocker now." Frei nach den Ramones. So wie die vielen Gäste den Refrain nun auf Bergmanns Trauerfeier lautstark mitsangen. Darunter Musiker, die bei Trikont veröffentlichen: Bernadette La Hengst aus Berlin zum Beispiel, oder Eric Pfeil aus Köln. Oder Kalle Laar, dessen CD-Reihe bei Trikont zahlreiche Versionen ein und desselben Liedes, nämlich "La Paloma" aufspüren durfte, und seine Ehefrau, die Dichterin Augusta Laar.

Bergman habe ihm so oft von 1968 erzählt, dass er sich schon einbildete, selbst dabei gewesen zu sein, erzählt der Schriftsteller Franz Dobler in seiner Trauerrede. Dass der Betrauerte derlei Reden hasste, habe ihm die Vorbereitung nicht erleichtert, stellte Dobler seiner erfrischend aufmunternden Rede voraus. Dann ließ er Bergmann in seiner Sprache wieder auferstehen, jenen ebenso neugierigen wie informierten Bergmann, der leidenschaftlich zu argumentieren wusste, aber auch aufmerksam zuhören konnte. Der den Begriff "68er" als Generalbeschreibung nicht zutreffend befand, aber trotzdem kritisierte, dass sich eine Generation später nur noch für ästhetische, aber nicht mehr für politische Rebellionen interessierte. Trikonts Aufgabe habe er darum stets darin gesehen, ein solches Defizit auszugleichen, sagt Dobler.

Und auch der aus Stuttgart angereiste Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, beschreibt in seiner Rede den politisch interessierten Mitstreiter Achim Bergmann, dessen Unabhängigkeit ihn all die Jahre besonders beeindruckt habe. Bergmann sei ein Querdenker im eigentlichen Sinn des Wortes gewesen, sagt Kretschmann: "Nicht wie heute. Heute ist einer schon ein Querdenker, wenn er überhaupt denkt." Bergmann dagegen wagte es sogar, das Diktum Adornos zu widerlegen, wonach es kein richtiges Leben im Falschen gebe. "Für Achim lagen im Falschen auch Momente des Richtigen", erinnert sich Kretschmann. Dieses Richtige habe er stets gesucht und aus dem Falschen herauszuschälen versucht. Wie Kretschmann dabei immer freundschaftlich den Vornamen seines verstorbenen Freundes nennt, unterstreicht, dass hier nicht der Ministerpräsident spricht, sondern eben ein langjähriger Freund, mit dem Bergmann in den Achtzigern nächtelang politisierte.

Darum hätte wohl auch Hans Söllner gerne auf das Mikrofon verzichtet, das im Interesse der zahlreichen Trauergäste auf ihn gerichtet wurde, als er am Sarg stehend ein letztes Lied für seinen Freund Achim Bergmann sang. So wie vor ihm bereits die Express Brass Band, die das andalusisch-arabische Liebeslied "Lamma Bada Yatathamma" in einen Trauermarsch wandelten. Oder wie nach ihm Attwenger, Koflgschroa oder eben Coconami, die die Trauergäste laut mitsingen ließen: "Achim is a Punk-Rocker now." Als was er gerne wieder geboren würde, hatte seine Witwe und Label-Mitbetreiberin Eva Mair-Holmes ihn mal gefragt. Achim Bergmann antwortete ihr damals lächelnd: "Als Achim."

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SZ vom 10.03.2018
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