Kritik:Eindimensional und laut

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Einen Versuch war es wert, aber das Ergebnis ist enttäuschend: "cloud*s*cape", die Hip-Hop-Oper von Tobias Frühauf unter der Regie von Philipp Wolpert im Volkstheater. (Foto: Arno Declair)

Die Trap-Oper "cloud*s*cape" im Volkstheater löst ihren Anspruch, die Fridays-for-Future-Generation zu porträtieren, nicht ein.

Von Sabine Leucht, München

Ein Anzugträger mit Schurkenlachen und Jacketkronen-Grinsen im solariumgebräunten Gesicht prostet der jungen Frau mit Gletscher-wasser zu, die ihrerseits Sätze in die klimaerhitzte Atmosphäre feuert, die klingen wie Plakataufdrucke: "Das ist der Übergang in die Apokalypse" etwa. Subtilität ist nicht angesagt in der Trap-Oper "cloud*s*cape" im Münchner Volkstheater, das sich gewohnt scheuklappenfrei an einem neuen Genre probiert. Prinzipiell eine gute Idee! Ein Abend, der eine die Charts dominierende Musikrichtung auf die Bühne holt, verspräche dem Theater ein jüngeres Publikum zuzuführen, wenn - ja wenn das, was dabei inhaltlich und theatral rüberkommt, nicht so platt wäre.

Wer soll sich denn bitte in den dusseligen Weltrettern wiedererkennen, die sich ihre subversiven Pläne in der vom personifizierten Bösen gefütterten Cloud zuraunen und beim Rausgehen feststellen: "Hier wird alles aufgezeichnet. Du kannst nie wissen, welches Buzzword anschlägt"?

Ein seltsamer Bescheidwisser-Ton durchzieht den Abend

Tobias Frühauf hat einen Text auf dem Reißbrett entworfen, den Philipp Wolpert eher eindimensional inszeniert. Dabei mag der Grundgedanke stimmen: Es gibt ja in der Trap genannten Unterart des Hip-Hop die beiden Richtungen, die das Stück aufeinanderhetzt: Die kritische, Missstände benennende, für die auch die live auftretende Antifuchs steht, deren dystopischer Song "Stunde Null" den Abend rahmt. Und die aufstiegsstolze, konsum-verherrlichende Fraktion à la Money Boy, die der von Jonathan Müller gespielte Influencer AK-47 in Wort und Look zitiert.

Als der Oberhalunke Dr. Kassler ihn aus dem Gefängnis holt, besticht er ihn mit einer protzigen Uhr und einer Extratour in seinem schweren Verbrenner. AK-47 leckt an goldenen Waffen und berät die Kids in Sachen Drogen. Als Maulwurf und Katalysator für die Selbstdemontage der Umweltschutz-Truppe namens "Unswelt" eingeschleust, ist er der Gegenentwurf zum knuffigen Lennart (Alexandros Koutsoulis), der sich am Ende, als sich der globale Problemfall Kassler via Herzinfarkt praktischerweise von selbst erledigt, auf die neue Freiheit mit viel Sex freut, während seine engagierte Kollegin Susan (Thea Rasche) in die Politik will. Und Schluss!

Nun, einen Versuch war es wert. Ob die hier porträtierte Fridays-for-Future-Generation sich allerdings von dem seltsamen Bescheidwisser-Ton angesprochen fühlt, der den Abend durchzieht, ist zu bezweifeln. Wer es laut mag oder Antifuchs-Fan ist, kommt in konzertanten Parts auf seine Kosten. Als Einstiegsdroge für die Theater-Junkies der Zukunft aber empfiehlt sich die ungleich schrägere, pfiffigere und auch musikalisch komplexere Highschool-Oper "Gymnasium" von Bonn Park am selben Haus.

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