Transplantation:Leben mit einem Toten

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Fünf Jahre sind vergangen seit der spektakulären Operation: Theo Kelz wurden die Hände eines Verstorbenen transplantiert - seine eigenen hatte eine Bombe zerfetzt.

Von Matthias Andreae

Die Hände von Theo Kelz, 51, sind ständig in Bewegung. Er gestikuliert, verschränkt sie ineinander, streicht sich mit ihnen über seinen Vollbart. Dunkel und gedrungen sehen seine Hände aus, ein wenig gedunsen. Seine Hände - das ist Theo Kelz wichtig. Denn diese Hände gehörten nicht immer ihm, sondern vorher einem Fremden, einem Toten.

Es war der erste Nachtdienst des Polizisten und Sprengmeisters Kelz nach dem Urlaub im August 1994, als er wegen eines verdächtigen Rohrs an die slowenisch-deutschsprachige Renner-Volksschule in Klagenfurt gerufen wurde.

Er wollte das Rohr in der Gepäckröntgenstraße auf dem Flughafen durchleuchten, da explodierte es und zerfetzte ihm beide Hände. Es war ein Sprengsatz des Rassisten Franz Fuchs, der in Österreich mit seinen Bomben zwischen 1993 und 1995 vier Menschen tötete und 13 verletzte.

Bei seiner Festnahme 1997 riss ihm eine seiner Bomben beide Hände ab, zwei Jahre später erhängte er sich in seiner Zelle. Theo Kelz hat durch sein Handeln wahrscheinlich vielen Kindern das Leben gerettet - und seine beiden Hände verloren. Mit seinen muskelgesteuerten Prothesen kam er bald gut zurecht, er arbeitete wieder und fuhr sogar Motorrad.

Wieder fühlen können

Trotzdem setzte er sich mehr in den Kopf: Er wollte wieder fühlen können, seine Frau und seine Tochter spüren, mit den eigenen Händen. Der Österreicher bemühte sich um eine Operation, die es so zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab: Die Transplantation beider Hände.

Im März 2000 war es so weit, ein Spezialistenteam transplantierte Kelz in Innsbruck in mehr als 17 Stunden zwei neue Hände - die Hände eines Toten. "Für mich waren es von Anfang an meine Hände", sagte Kelz am Freitag vor dem Symposium für Rekonstruktive Mikrochirurgie in München. "Und mit diesen neuen Händen habe ich das Leben neu begreifen gelernt."

Denn nach sechs Jahren mit Prothesen musste Kelz jeden Handgriff neu lernen. Allmählich konnte er wieder fühlen, tasten, greifen. Fast 2000 Stunden Physiotherapie liegen hinter ihm: "Erinnern Sie sich doch: Wie lange haben Sie gebraucht, um Ihre Fingerfertigkeit zu lernen?"

Heute haben Kelz' Hände 65 bis 80 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit. Er hat einen kräftigen Händedruck, kann schreiben, ein Bierglas halten - und wieder Motorrad fahren: Bis zum Nordkap und 16.000 Kilometer quer durch Südamerika hat er es geschafft.

Schließlich habe er die neuen Hände nicht "für den Glaskasten", sagt er.

Weltweit sind erst 22 Hände transplantiert worden. Die Patienten müssen ein Leben lang Medikamente mit hohem Cortisonanteil nehmen, die verhindern, dass ihr Immunsystem die fremden Zellen angreift. Das Risiko, an Leukämie, Lymphdrüsen- oder Hautkrebs zu erkranken, steigt deutlich.

Kelz geht es bis heute gut, er konnte seine Medikamentendosis auf ein Minimum reduzieren. Doch Professor Milimor Ninkovic, Chefarzt für Plastische Chirurgie am Bogenhausener Krankenhaus, der damals Kelz' rechte Hand transplantierte, glaubt, dass wegen dieser Risiken eine Handtransplantation auf wenige psychisch stabile Patienten, die beide Hände verloren haben, beschränkt bleiben wird, bis es möglich ist, den Körper anders an die fremden Organe zu gewöhnen.

Kelz' Hände sind in ihrer Bewegung gerade wieder einmal eingeschränkt. Am linken Arm trägt er eine Schiene. Mit der Transplantation hat das aber nichts zu tun: "Ich bin ausgerutscht."

© SZ vom 30.4. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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