Trambahn durch den Englischen Garten (2):Halb Euphorie, halb blankes Entsetzen

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SZ-Zeichnung: Dieter Hanitzsch (Foto: N/A)

Die SZ-Leserschaft ist gespalten: Manche planen schon neue Tram-Tangenten, anderen ist Bange um Fußgänger und Radfahrer

"Seehofer schlägt die Schneise", "Die Tram, die verbindet - und trennt" sowie Kommentar "Eine Querung, die sein muss" vom 15./16. Juli, "Politik der Nadelstiche" vom 17. Juli und Leserbriefe "Gleise als gewaltige Glaubensfrage" vom 20. Juli:

Akku-Tram - das gab's schon mal

Ins lange umstrittene Projekt, die Trambahnstrecke vom Elisabethplatz durch den Englischen Garten zur Tivolistraße, scheint nun durch eine Übereinkunft zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und Münchens OB Dieter Reiter Bewegung zu kommen. Neben verschiedenen Gegnern lehnen auch zwei bayerische Minister das Projekt ab. Finanzminister Markus Söder sieht wahrscheinlich Investitionen lieber in seiner fränkischen Heimat, Kultusminister Ludwig Spaenle meint vermutlich, dass der Bau von Straßenbahnen in die Kompetenz des Kultusministeriums gehört. Die Einwände und Argumente der Gegner sind meiner Meinung nach an den Haaren herbeigezogen. Wo soll da durch den Bau der geplanten Straßenbahnlinie auf einer bereits vorhandenen Straße - mit Diesel-Busverkehr - eine neue Schneise durch den Englischen Garten geschlagen werden? Eine moderne geräuscharme, ansonsten emissionsfreie Trambahn ist allemal besser als ein Omnibus mit Verbrennungsmotor. Die elektrische Oberleitung wird an den Masten der Straßenbeleuchtung aufgehängt. Wo soll da ein störender Eingriff ins Ensemble des Englischen Gartens durch zwei über der Straße hängende Kupferdrähte sein? Natürlich könnte eine Straßenbahn durch mitgeführte Akkus eine oberleitungslose Strecke überbrücken, was aber den Betrieb durch Vorhaltung spezieller Fahrzeuge verteuert.

Hier drängt sich ein kurioser historischer Vergleich auf: In den Jahren 1895 bis 1900 wurde die Münchner Trambahn vom Pferdebetrieb auf elektrischen Betrieb umgestellt. Dabei musste auf allerhöchsten Befehl der Abschnitt vom Schiller-Denkmal durch die Brienner Straße zum Odeonsplatz und durch die Ludwigstraße bis zur Galeriestraße oberleitungsfrei bleiben. Die allerhöchsten Herrschaften hatten nämlich große Bedenken, dass das Stadtbild zu sehr beeinträchtigt wird. Die Stadtwerke beschafften mehrere Akkutriebwagen, die jeden Straßenbahnzug durch den oberleitungslosen Streckenabschnitt ziehen mussten. Diese umständliche Betriebsweise dauerte von 1900 bis 1906! Ob's heute noch allerhöchste Herrschaften mit solchen Bedenken gibt? Bernhard Seonbuchner, Puchheim

Geht gar nicht

Das ist ja jetzt wohl der Gipfel! Der unübertrefflich egozentrische Herr Ministerpräsident verkündet die Zustimmung einer Tramschneise durch den Englischen Garten! Was, bitteschön, versteht Herr Seehofer davon? Wie oft läuft, radelt er zwischen Chinesischem Turm und Kleinhesseloher See hin und her und benutzt dabei einen der vielen größeren oder kleineren Wege, auf denen man jetzt die Straße kreuzen kann? Zwischen der Straßenkreuzung der Tivolistraße mit Oettingen-/Hirschauer Straße bis zur Brücke über den Schwabinger Bach sind es übrigens 12 Wege von der Seite des Chinesischen Turms her und sogar 14 auf der anderen Seite. Der kreuzende Reitweg kommt noch dazu. Damit ist ganz klar, dass das "Grünbett", in welches die Gleise verlegt werden sollen, erhebliche Lücken aufweisen würde.

Müssten zur Sicherung der Querungen überall verschränkte Gitter gebaut werden? Wie sichert man die breiten Übergänge, die auch von den Pferdekutschen bei ihren Rundfahrten benutzt werden? Besonders bei gutem Radl- und Spazierwetter käme die Tram wohl aus dem Dauerklingeln gar nicht mehr heraus. Ein Bus kann auch einmal ausweichen, und vor allem ist sein Bremsweg erheblich kürzer. Selbst die derzeitige Breite der Straße kann nicht beliebig reduziert werden, da sie für Feuerwehr- oder andere Noteinsätze erhalten bleiben muss. Meine Bitte an alle, denen der Englische Garten am Herzen liegt: Widersprechen Sie diesem unsinnigen Vorhaben. Tun Sie, was in Bürgerversammlungen des Bezirksausschusses 1 schon beschlossen wurde: Lehnen Sie eine Tramschneise durch den Park im Interesse von Fußgängern und Radfahrern ab! Elke Elzer, München

Besser als eine U 9

Endlich, nach einem Vierteljahrhundert Gerangel und Scheingefechten, soll sie nun kommen, die dringend benötigte Tram-Nordtangente. Endlich einmal setzt sich unser Ministerpräsident für ein vernünftiges, bürger- und umweltfreundliches Projekt ein. Drücken wir ihm die Daumen, dass er standhaft bleibt und die bekannten notorischen Knüppel-zwischen-die-Beine-Werfer in seiner Umgebung nicht doch noch die Oberhand gewinnen. Dieses Projekt würde zugleich für ein weiteres heiß diskutiertes eine Alternative schaffen: Statt für Hunderte von Millionen Euro eine "U9" von Sendling über den Hauptbahnhof nach Schwabing zu graben, könnte man vom Elisabeth-Platz aus die neue Tramlinie für einen Abzweig zur Münchner Freiheit nutzen. Damit ließen sich Schwabing Mitte und Schwabing Nord (per Tram 23) zu einer unschlagbar günstigen und fahrgastfreundlichen Direktverbindung zum Zentrum zusammenschließen, die Barer Straße könnte zur "Tram-Straße" mit etwa zwei- bis dreiminütiger Zugfolge werden. Südlich des Hauptbahnhofs müsste man diese neue Tram über die Theresienwiese zum Harras verlängern und damit eine der schlimmsten Tram-Zerstörungs-Sünden der 1980-er-Jahre revidieren: die aufgelassene Tramverbindung zur Wies'n und in den Münchner Südwesten. Eine U9 braucht es dann nicht. Prof. Dr. Wolfgang Hesse, München

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© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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