Tram-Westtangente:Gerettet oder gestorben?

Trambahnen in München.

Bislang queren die Trambahnen nur die Fürstenrieder Straße, auf Höhe der Agnes-Bernauer-Straße.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der rot-schwarze Kompromiss zur umstrittenen Tram-Westtangente durch die Fürstenrieder Straße ist schwammig. Selbst die Planer des Projekts sind ratlos, wie es nun weitergehen soll.

Von Martin Mühlfenzl und Marco Völklein

Kommt nun doch Bewegung in den Dauerstreit um die Trambahn-Westtangente? Vor ein paar Wochen erst saßen die Planer der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) mit den Schulleitern zweier Gymnasien an der Fürstenrieder Straße und einigen Stadtviertelpolitikern zusammen - und einigten sich auf eine neue Variante zur Lage der Haltestelle an der Andreas-Vöst-Straße. Danach zumindest sprach CSU-Fraktionssprecher Alfred Nagel von einem "konstruktiven Treffen". Und BA-Chef Günter Keller (SPD) hoffte, dass "dieses Gespräch die Kollegen der CSU zum Nachdenken gebracht" hat.

Im Rathaus haben sich die schwarz-roten Koalitionäre in ihrer Vereinbarung zumindest auf einen Formelkompromiss einigen können: Die Trambahntrasse vom Romanplatz durch die Fürstenrieder Straße bis zum U-Bahnhof Aidenbachstraße werde zwar weitergeplant, allerdings "mit dem Ziel, die verkehrliche Leistungsfähigkeit für den Autoverkehr möglichst unangetastet zu erhalten".

Aber wen man nun auch fragt - egal, ob Befürworter oder Gegner der neun Kilometer langen Trasse - sie alle interpretieren den Satz unterschiedlich. Wie es weitergeht, ist derzeit offen.

Grünen-Stadträtin Sabine Nallinger, erklärte Befürworterin der Westtangente und bis zum Ausstieg der Grünen auch an den Koalitionsgesprächen im Rathaus beteiligt, glaubt, mit dem Kompromiss "die Westtangente gerettet" zu haben. "Die CSU war da in der Lage, sich zu bewegen", sagt Nallinger.

Ratlosigkeit bei der MVG

Doch deren Stadträte sehen das ganz anders: Otto Seidl zum Beispiel, einer der vehementesten Gegner des Projekts, sagt: "Die Trambahn-Westtangente ist damit gestorben." Ähnlich interpretiert sein Fraktionskollege Johann Stadler den Satz aus dem Koalitionspapier: "Es wird sich am Ende herausstellen, dass die Trambahn in der Fürstenrieder Straße so nicht funktioniert." Von einem "Startsignal" an die MVG-Planer könne somit "gar keine Rede sein", schiebt Seidl dann noch nach.

Bei den Fachleuten der MVG herrscht indes Ratlosigkeit angesichts der schwammigen Formulierung in der Koalitionsvereinbarung. Denn bereits kurz vor der Kommunalwahl hatte der Stadtrat auf einen SPD-Antrag hin die Ingenieure beauftragt, die Planung an zwei oder drei besonders kritischen Kreuzungen noch einmal zu überarbeiten. Zudem sollten Konfliktpunkte (wie etwa die Lage der Haltestelle an den beiden Gymnasien) gelöst werden.

Klar war aber: "Eine Beibehaltung des Status quo in der Fürstenrieder Straße kann es nicht geben", sagt MVG-Chef Herbert König. Sämtliche Prognosen zeigten: Wenn dort nichts passiert, nimmt der Autoverkehr so sehr überhand, dass auf der Fürstenrieder Straße quasi Dauerstau drohe. In den Griff zu bekommen sei dies nur, wenn es gelänge, Autofahrer in einen attraktiven, öffentlichen Nahverkehr herüberzuziehen - "dazu aber muss die Tram schnell und pünktlich sein, also unbehindert fahren können", sagt König.

Und das heißt im Klartext: Kleinere Änderungen, etwa eine zusätzliche Abbiegspur an der ein oder anderen Kreuzung, wären vielleicht noch drin. An der grundsätzlichen Ausrichtung der Planung aber, also am Wegfall von zwei der derzeit sechs Kfz-Spuren zugunsten der separaten Trambahntrasse, dürfte nicht zu rütteln sein.

Gegner warnen vor Kosten

Genau das aber wollen die Trambahn-Gegner verhindern. Die haben sich in der Bürgerinitiative "ContraTramWest" zusammengetan - und zogen bereits mehrmals demonstrierend über die Fürstenrieder Straße. Stadtrat Seidl warnte da nicht nur vor "Staus ohne Ende" auf der jetzt schon stark belasteten Ausfallstraße; vielmehr führte er stets auch mögliche Kosten von bis zu 200 Millionen Euro an.

Die MVG-Planer indes kalkulieren mit bis zu 75 Millionen Euro Baukosten sowie sieben bis neun Millionen Euro für die Umgestaltung der Straßen; sie räumen aber auch ein, dass dies eine erste Grobrechnung ist, ohne Mehrwertsteuer und ohne sämtliche Details der Planung abschließend zu kennen und deren Kosten abgeschätzt zu haben.

Offen ist, wie es nun konkret weitergeht. König will "in absehbarer Zeit aufzeigen, dass mit der optimalen Tramplanung alle Vorteile haben: Anwohner, Radfahrer, Nahverkehrsnutzer und eben auch Autofahrer". Der nächste Schritt wäre ein Beschluss des Stadtrats, der es der MVG erlaubt, bei der Regierung von Oberbayern die Baugenehmigung, den sogenannten "Planfeststellungsbeschluss", zu beantragen.

Fahrgastverbände drängen auf zusätzliche Tangente

Dann käme es zum Schwur im Rathaus. Die Fraktionen müssten klar sagen, ob sie nun den Startschuss geben wollen. Oder eben nicht. In ihrer Vereinbarung haben die schwarz-roten Koalitionäre nur festgelegt, dass "nach Vorliegen dieser neuen Planung im Konsens über das weitere Vorgehen entschieden" werden soll.

Was das genau heißt, ist unklar. Fahrgastverbände jedenfalls beobachten die Entwicklung mit Sorge. Sie drängen seit Jahren auf den Bau zusätzlicher Trambahntangenten, auch um die aus allen Nähten platzenden Innenstadt-Bahnhöfe von U- und S-Bahn zu entlasten. Andreas Nagel von der Aktion Münchner Fahrgäste weist darauf hin, dass die Tangenten-Idee bereits im Frühjahr 1991 vom Stadtrat beschlossen wurde - damals sogar einstimmig. Bislang aber sei kaum etwas passiert. Der Ausbau müsse "nun endlich konsequent vorangetrieben werden".

Berthold Maier vom Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr (AAN) ist da aber wenig optimistisch: Aus seiner Sicht haben CSU und SPD in ihren Kompromiss "die Sollbruchstelle bereits reinformuliert".

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