Süddeutsche Zeitung

Training am Arbeitsplatz:Kniebeugen statt Mausklicks

Lesezeit: 2 min

"Los Peter, noch einmal auf die Matte": Paula Kenzien bietet als Personal-Trainerin Trainingseinheiten direkt am Arbeitsplatz an.

Stefanie Paul

Während draußen der Tag erst zu dämmern beginnt, fließen drinnen schon die ersten Schweißtropfen. Peter wechselt im Zehn-Minuten-Takt vom Laufband auf den Crosstrainer, dann auf die Gymnastikmatte und wieder zurück. Das rote Handtuch ist dabei sein ständiger Begleiter - und immer griffbereit.

Unterlegt wird das Training von Renates unermüdlichem Tippeln: Rauf auf den Stepper, runter vom Brett. Seit sieben Uhr in der Früh trainiert die kleine Gruppe im Sport- und Therapiezentrum an der Martin-Luther-Straße. "Los Peter, noch einmal auf die Matte", ruft Paula Krenzien. Noch eine halbe Stunde dauert das Training, dann Duschen und ab ins Büro.

Seit zwei Jahren bietet Krenzien, die Sportwissenschaft studiert hat, unter dem Firmennamen "Paula bewegt" ein, wie sie sagt, "ganzheitliches Betreuungs- und Bewegungskonzept" an. Neben dem Training in der Physiotherapie-Praxis bietet Kenzien Trainingseinheiten direkt am Arbeitsplatz an. "Wir haben unser Angebot speziell auf Leute zugeschnitten, die wenig Zeit und wenig Motivation für Sport haben", sagt die 29-Jährige.

Also packt die quirlige Blondine den Kleintransporter voll und fährt in die Betriebe. Im Gepäck: Hanteln, Therabänder, Bälle und Rüttel-Stäbe. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen greifen auf Krenziens Angebot mittlerweile zurück. Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung können sie je Mitarbeiter 500 Euro jährlich von der Steuer absetzen.

Die Initiative geht meist vom Chef oder einem Abteilungsleiter aus. "Die sind in der Regel selbst sportlich", sagt die Trainerin. Bisher kam aus den Betrieben nur positive Resonanz: Die Mitarbeiter fühlen sich besser, sind gesünder, konzentrierter und damit auch produktiver.

Eine Stunde wird in der Gruppe trainiert, jeder macht eine andere Übung, speziell auf seine Bedürfnisse abgestimmt. Zum Schluss gibt es dann noch eine kleine Entspannungsmassage. "Die einen haben Rückenprobleme, die anderen Verspannungen im Genick und im Schulterbereich", sagt Krenzien. Die typischen Bürokrankheiten eben.

Trainiert wird da, wo es Platz gibt, zwischen Schreibtisch und Drucker, Kopierer und Faxgerät. Da müsse man unkompliziert denken. So wie bei den Übungen. Denn die sollen einfach und "transparent für den Berufsalltag" sein. Dabei lernen die Teilnehmer auch sogenannte "unsichtbare Übungen". Zum Beispiel: Mit den Handflächen fest gegen die Unterseite des Tisches drücken.

Vor rund zwei Jahren kam Krenzien nach dem Studium nach München. Eigentlich hatte sie nicht vor, sich selbständig zu machen, doch ihr damaliger Arbeitgeber wurde insolvent. "Die Idee entstand aus der Not heraus", sagt die gebürtige Leipzigerin. Heute beschäftigt sie acht Mitarbeiter und betreut rund 150 Kunden. Zu ihrem Netzwerk gehören auch Allgemeinmediziner, Kardiologen, Orthopäden, Wirbelsäulenspezialisten und Chiropraktiker. "Sport ist etwas für Körper und Geist", sagt Kenzien. Mit dem "Sport im Büro" stößt Krenzien in eine Marktlücke. Nachdem der Krankenstand 2006 auf ein Rekordtief gesunken war, geht der Trend seit zwei Jahren wieder nach oben.

"Wenn ich in der Firma bin, spreche ich die Mitarbeiter ganz direkt an", sagt die Therapeutin. Aber Drückebergber haben bei ihr keine Chance: "Manche muss ich halt fast vom Schreibtisch wegzerren." Das ist im beim "Pausen-Express", einer besonderen Trainingsform, gar nicht nötig. Hier kommen die Trainer mit einem Rucksack zum Mitarbeiter an den Schreibtisch - für zehn bis 15 Minuten zum Einzeltraining. "Das bewirkt nachhaltige Erfolge", sagt Krenzien. Der Pausen-Express sei die optimale Lösung, wenn eine Firma ihre Mitarbeiter keine ganze Stunde freistellen will.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2009
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