Trägerschaft der Schulen:Konkurrenz belebt das System

Schulstadt München

Unser Haus soll schöner werden: Schüler des Michaeli-Gymnasiums malen, wie sie sich ihre Schule vorstellen könnten. Hier Lejla Delic aus der Klasse 6c.

(Foto: Michaeli-Gymnasium)

Betreuung, Förderung, Angebote: Nicht nur der Freistaat, sondern auch die Stadt München betreibt Gymnasien und Realschulen. Vielen Eltern ist das nicht bewusst - dabei setzt die Stadt an den Schulen eigene Akzente.

Von Melanie Staudinger

Es ist eine der schwierigsten Entscheidungen, die Eltern von Grundschulkindern so treffen müssen. Auf welches Gymnasium oder welche Realschule sollen sie ihr Kind nach der vierten Klasse schicken? Bei diesen Überlegungen spielen viele Faktoren eine Rolle: die Nähe beziehungsweise Erreichbarkeit der neuen Einrichtung, das Angebot an Fremdsprachen und Wahlkursen, die Auswahl an Zweigen, vielleicht auch der Ruf der Schule oder die Familientradition. Wenn die Mutter gerne ins Maximiliansgymnasium ging, ist der Sohn dort bestimmt auch gut aufgehoben.

Worüber sich allerdings die wenigsten Eltern tatsächlich Gedanken machen, ist der Schulträger - mal abgesehen von denjenigen, die ihre Kinder ohnehin lieber auf einer Privatschule sehen. Städtisch oder staatlich? Diese Frage hören Münchens Direktoren eher selten, wie viele von ihnen bestätigen.

Das kommunale Schulwesen gibt es in Großstädten

Hat das Nebeneinander, der Dualismus zwischen kommunalen und staatlichen Schulen also ausgedient? Macht es wirklich keinen Unterschied, wer das Gymnasium oder die Realschule betreibt? Eine klare Antwort, ein klares Ja oder Nein, gibt es nicht. Eines vorweg: Das kommunale Schulwesen - etwa zehn Prozent der öffentlichen Gymnasien in Bayern sind in städtischer Hand - ist hauptsächlich ein Großstadtphänomen. Neben der Stadt München betreiben eigene Schulen zum Beispiel Nürnberg und Augsburg. Sie alle unterrichten nach dem im Freistaat vorgeschriebenen Lehrplan. Die Kinder müssen also gleich viel büffeln, schreiben an den Gymnasien nach acht Jahren das gleiche Abitur.

Das bedeutet auch: Wer es an einer staatlichen Schule nicht schafft, kann es nicht einfach noch einmal an einer städtischen versuchen. Letztere fordern die gleichen Voraussetzungen. Richtig viel Spielraum bleibt damit nicht für Bildungsreferat und Stadtrat. Und vergleichen lassen sich die Schulen nur ungern. Widerwillig veröffentlichen Gymnasialdirektoren die Abi-Schnitte. Auf der Liste derer, die es tun, stehen die humanistischen Gymnasien oben. Die aber haben es eher mit Schülern aus dem Bildungsbürgertum zu tun, wogegen das Lion-Feuchtwanger-Gymnasium in Milbertshofen es schafft, auch bildungsferne Jugendliche zum Abitur zu führen - wenn auch mit schlechteren Noten.

München nimmt die Aufgabe ernst

Wenn man sich die Schulen genauer ansieht, zeigen sich Unterschiede. Zuerst trifft das die Kommunalpolitik, weil sie viel Geld investieren muss. Für ihre Schulen bezahlt sie nicht nur die Gebäude und den Unterhalt, die Schulbücher und das Kopierpapier, die Sekretärinnen und Hausmeister, sondern auch die Lehrer, die städtische Beamte sind und damit nicht ohne Weiteres an staatlichen Schulen arbeiten können. München nimmt die Aufgabe als Schulträger sehr ernst. Als im Jahr 2004 das achtjährige Gymnasium eingeführt wurde, machte sich die Stadt ihre eigenen Gedanken. Im Leitbild "Münchner Weg des G 8" sind gemeinsame Standards für alle 14 städtischen Gymnasien festgelegt.

In der fünften und sechsten Klassen haben die Schüler sogenannte Skill-Stunden, in denen sie soziale Kompetenzen, etwa das Arbeiten im Team, trainieren und das richtige Lernen lernen. In der sechsten Jahrgangsstufe werden sie durch zusätzliche Stunden in der zweiten Fremdsprache geschult. Bei den Hausaufgaben in Kleingruppen hilft der jeweilige Fachlehrer und kein Externer. Zudem legt die Stadt Wert auf ein gestaltetes Mittagsprogramm. Was die Stadt außerdem vom Freistaat unterscheidet: Sie betreibt zwei reine Mädchengymnasien - das machen sonst fast nur noch kirchliche Träger.

Deutliche Unterschiede bei den Trägern

In der Ganztagsbetreuung ist die Stadt ohnehin führend. Das zeigt besonders ein Blick auf die 20 kommunalen Realschulen. Sie bieten mittlerweile 152 Ganztagsklassen an. Besonders in den Eingangsklassen ist die Nachfrage hoch: 34 von 52 Klassen der fünften Jahrgangsstufe haben Unterricht am Vormittag und am Nachmittag. Das entspricht einer Quote von 64,38 Prozent. In den staatlichen Realschulen gibt es hingegen nur zwei Ganztagsklassen. Allerdings hinkt der Vergleich, da der Staat in München lediglich drei Realschulen betreibt.

Auch bei den Gymnasien finden sich deutliche Unterschiede: Die Stadt hat 38 Ganztagsklassen, der Staat lediglich zwölf. Das soll aber nicht heißen, dass es an staatlichen Gymnasien keine Betreuung gibt. Auch diese Schulen organisieren eine Hausaufgaben- oder Nachmittagsbetreuung, die allerdings im Gegensatz zur Ganztagsklasse Geld kosten. Der Betrag ist von Schule zu Schule verschieden, kann aber bis zu 1200 Euro im Schuljahr ausmachen. Für Stadtschulrat Rainer Schweppe (SPD) ist das achtjährige Gymnasium nur als Ganztagsschule denkbar. Zwei Gymnasien - das Luisengymnasium und das Elsa-Brändström-Gymnasium bieten rhythmisierten Unterricht an, bei dem sich Lern- und Erholungsphasen am Vormittag und Nachmittag abwechseln.

Die Stadt betreibt keine neuen Schulen mehr

Die Stadt stellt für den Ganztagsausbau zusätzliche Lehrerstunden bereit - insgesamt 137,5 Vollzeitstellen bis zum Schuljahr 2018/19. Diese verteilt sie aber nicht nach dem Gießkannenprinzip. Schulen in Vierteln mit größerem Migrationsanteil und einer höheren Arbeitslosenquote erhalten ein zusätzliches Budget, Lerncoaches, Sozialarbeit und Förderunterricht in Hauptfächern. Ein solches Programm gibt es beim Freistaat auch - jedoch läuft dieses naturgemäß bayernweit. Und das zeigt den Vorteil Münchens: Das Bildungsreferat kümmert sich um die Schulen in der Stadt, ein übersichtliches, relativ homogen strukturiertes Gebiet, in dem es überall relativ ähnliche Probleme zu bewältigen gibt.

Mehr städtische Schulen wird es aber nicht mehr geben. Alle neuen Bildungseinrichtungen übernimmt der Staat. Das letzte kommunale Gymnasium, das Louise-Schröder-Gymnasium wurde 1983 eröffnet, die letzte städtische Realschule an der Blutenburg 1992. Zu teuer wäre es, wenn die Stadt noch mehr Schulen betreiben würde. Zudem fehlt heute die Grundlage dafür. Früher ist die Stadt immer dann eingesprungen, wenn es auf staatlicher Seite nicht wunschgemäß lief - im 19. Jahrhundert etwa, als München die Ausbildung junger Frauen durch die Gründung von höheren Schulen förderte. Oder nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Stadt zerstört war und es zu wenige Schulen gab.

Abgeben will die Stadt ihre Schulen nicht, sodass der Dualismus zwischen staatlichen und kommunalen Schulen bleibt. Sicher ist: Ein wenig Konkurrenz belebt das Schulsystem. "Wir wollen Akzente setzen", sagt eine Sprecherin des Bildungsreferats. Etwa mit pädagogischen Ansätzen wie dem Lernhauskonzept, das kleinere Einheiten in den großen Schulgebäuden vorsieht. Daran versuchen sich erste staatliche Schulen. Mit einem großen Vorbild kann die Stadt auch aufwarten: Ihre Anne-Frank-Realschule hat für ihre herausragende Schulentwicklung in diesem Jahr den deutschen Schulpreis gewonnen.

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