Touristen:Münchner Ehepaar darf nicht nach Kuba - und keiner weiß warum

Touristen: Ein halbes Jahr haben Gertrud und Klaus Karbe ihre Reise vorbereitet. Warum sie nicht fliegen durften, das haben sie bis heute nicht erfahren.

Ein halbes Jahr haben Gertrud und Klaus Karbe ihre Reise vorbereitet. Warum sie nicht fliegen durften, das haben sie bis heute nicht erfahren.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Ein Ehepaar aus Haidhausen will eine Reise nach Kuba antreten, beim Umsteigen in Madrid wird es jedoch wieder aus dem Flieger gebeten.
  • Womöglich ist ein Abkommen zwischen den USA und der EU schuld. Um dieses durchzusetzen, können Fluglinien den Transport von Passagieren verweigern.
  • Damit wäre aber noch nicht geklärt, warum das Ehepaar auf der schwarzen Liste stünde.

Von Anna Hoben

Gertrud und Klaus Karbe sind abenteuerlustige Menschen, neugierig auf Länder und Leute. Vor ein paar Jahren brachen sie zu einer Weltreise auf: Hongkong, Australien, Neuseeland, Französisch-Polynesien, Hawaii. Im vergangenen Jahr tourten sie als Backpacker durch Vietnam und Kambodscha. Und dieses Jahr sollte es Kuba sein. Freunde hatten ihnen davon vorgeschwärmt.

Doch die Reise endete, bevor sie begonnen hatte. Flughafen Madrid, 3. März, sie haben sich beeilen müssen, um das Gate ihres Anschlussfluges nach Havanna zu erreichen. Aber sie sind rechtzeitig da, zeigen ihre Bordkarten und Reisepässe vor, steigen ins Flugzeug und atmen erst einmal tief durch. Geschafft. "Wir wollten es uns gerade gemütlich machen, da kam eine Stewardess und bat uns nach draußen", erzählt Klaus Karbe knapp vier Wochen später an seinem Küchentisch in Haidhausen.

Mit einem ihrer Pässe stimme etwas nicht, sagt die Stewardess, neben ihr steht ein Mann von der Flughafen-Security. Kurz darauf ist das Flugzeug in der Luft, das Gepäck von Gertrud und Klaus Karbe ist auf dem Weg nach Havanna. Die beiden stehen am Flughafen von Madrid und fragen sich, was da gerade passiert ist.

Gertrud Karbe ist 58 Jahre alt und arbeitet in der Marktforschung, ihr Mann Klaus ist 71, er war Groß- und Außenhandelskaufmann, Schreiner, Jugendsozialarbeiter und Altenpfleger. Jetzt ist er Rentner, engagiert sich in Haidhausen für Flüchtlinge und hat viel Zeit zu reisen.

Drei Wochen wollten sie in Kuba bleiben. Ein halbes Jahr vorher begannen sie mit der Vorbereitung, sie beantragten Touristenvisa, buchten einen Flug nach Havanna über Madrid mit Iberia, mieteten ein Auto und meldeten sich für zwei geführte Touren an. Anfang März wollten sie in Havanna landen, ins Viñales-Tal fahren, in die Sierra Maestre, nach Santiago de Cuba, zum Schnorcheln auf die Insel Cayo Coco. Sie besorgten sich Reiseführer, eine große Autokarte und einen Sprachführer "Kauderwelsch Cuba". Ein Wochenende lang lernen sie an der Volkshochschule Spanisch. Sie freuen sich auf ihre große Reise wie kleine Kinder auf ein großes Eis.

Nach dem Schockmoment am Flughafen in Madrid versuchen sie sich zu sortieren. Man schickt sie zu einem "Supervisor" im Hauptgebäude. Sie irren umher, landen schließlich am Schalter von Iberia, endlich spricht jemand Englisch mit ihnen. Die Mitarbeiter beruhigen das Paar, vielleicht könnten sie am nächsten Tag fliegen, heißt es. Doch nach drei Stunden zerschlägt sich die Hoffnung. Es gebe da dieses Abkommen zwischen der EU und den USA, zur Nutzung von Passagierdaten. Und offenbar spreche aus US-amerikanischer Sicht etwas dagegen, dass die Karbes den Flug antreten.

"Die Gerti hat geweint, und ich hab' mit ihr geweint."

Dieses Abkommen, 2012 vom Europaparlament abgesegnet, garantiert den USA umfangreichen Zugriff auf die Daten von Flugpassieren: Name, Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Kreditkartennummer, aber auch Serviceleistungen an Bord und gegebenenfalls Buchungen für Hotels und Mietwagen. Die USA bekommen die Daten auch dann, wenn jemand gar nicht in die Staaten reist oder dort zwischenlandet, sondern sich nur im US-amerikanischen Luftraum aufhält. Auf dem Weg nach Havanna hätten sie einen Schlenker über Florida gemacht. "Von dem Abkommen hatten wir noch nie gehört", sagt Klaus Karbe. Nun wissen sie zwar, woher die Probleme kamen; aber warum, das wissen sie nicht. Bis heute nicht.

Die Nacht verbringen sie in einem Hotel in Madrid, traurig, enttäuscht, wütend. "Die Gerti hat geweint, und ich hab' mit ihr geweint." Am nächsten Tag fliegen die beiden zurück nach München. Was sie viel wütender macht als der finanzielle Verlust, ist die Unwissenheit. "Wir werden behandelt wie Verbrecher", sagt Klaus Karbe.

Er sitzt an seinem Küchentisch und weiß gar nicht wohin mit all seinem Ärger. An den ersten Tagen zurück in München schrieben sie an die Fluglinie und das US-Generalkonsulat und schilderten ihre Geschichte. Sie kontaktierten einen Anwalt und den ADAC, bei dem sie eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen haben. Der ADAC habe Kulanz signalisiert, auch wenn es sich nicht um einen Versicherungsfall handele, sagt Klaus Karbe.

Die amerikanischen Behörden wollen oder können nicht helfen

Vom Konsulat kommt eine knappe Antwort zurück. "Um Informationen zu erhalten, warum Sie den Flug über den Luftraum der USA nicht antreten durften, kontaktieren Sie bitte das Department of Homeland Security Traveler Redress Inquiry Programm auf der folgenden Webseite", heißt es. Dort gibt es ein Formular, die Karbes haben es ausgefüllt. Ob sie eine zufriedenstellende Antwort bekommen, bezweifeln sie.

Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung verweist Anthony Miranda, im US-Generalkonsulat für öffentliche Angelegenheiten zuständig, ebenfalls lediglich auf jene Webseite. Die Fluglinie Iberia antwortete auf das Schreiben der Karbes: "Sollten, wie in Ihrem Fall, notwendige Unterlagen fehlen, dürfen wir den Fluggast nicht zum Flug zulassen." Dies gehe jedoch an den Fakten vorbei, sagen die Karbes. Es hätten keine Unterlagen gefehlt.

"Der Fluglinie kann man nicht an den Karren fahren", sagt Magnus von Treyer, wenn jemand auf der schwarzen Liste stehe, müsse sie eben das Überflugverbot durchsetzen. Von Treyer ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in München und hat das Ehepaar Karbe beraten. Er mache viel Reiserecht, aber so einen Fall habe er noch nie erlebt, sagt er. Weil das Problem im Völkerrecht wurzele, könne man wenig tun. Die Europäer hätten eben, "mit wenig Rückgrat", das Abkommen unterzeichnet. Er selbst fliege deshalb schon seit Jahren nicht mehr in die USA.

Klaus Karbe hat zwei Theorien: Vor zwei Jahren wurde ihm in Costa Rica der Geldbeutel geklaut - inklusive Personalausweis. Vielleicht hat ein Betrüger seine Dokumente gefälscht und er existiert jetzt doppelt. Solche Gedanken gehen ihm durch den Kopf. Die zweite Theorie: sein Engagement für afghanische Flüchtlinge. Absurd, denkt man. "Plausibel", sagt von Treyer, der Rechtsanwalt.

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