Tourismuswerbung:München braucht Kante

Oktoberfest 2014

"Munich Beerfest" - das kennen viele Besucher im In- und Ausland. Nun sollen sie mehr über die Landeshauptstadt erfahren.

(Foto: dpa)

Die Zahl der Gäste, die in München Urlaub machen und Geld ausgeben, wächst seit Jahren. Dennoch will die Stadt mit einer neuen Strategie ihr Image verändern. Weniger Bier, mehr Kultur - so lautet die Devise.

Von Andreas Glas

Noch wirbt die Stadt mit dem Slogan "München mag dich", wobei das "mag" im Markenlogo durch ein Herz ersetzt ist. Ganz schlüssig ist die Kampagne nicht, fragt sich der Feriengast doch unweigerlich, warum München ihn mögen soll, wo es ihn doch gar nicht kennt. Um ihren Feriengast also besser kennenzulernen, hat die Stadt vor einem Jahr eine Marktanalyse in Auftrag gegeben.

Das Ergebnis: Kommt ein Tourist nach München, dann vor allem wegen der Bierkultur und des Oktoberfestes - und eher nicht wegen des Kunst- und Kulturangebots. Man kann diese Erkenntnis überraschend finden oder nicht, sie ist jedenfalls Basis für die neue Münchner Tourismusstrategie, die am Mittwoch in der Trinkstube im Rathaus vorgestellt wurde.

Dass die Stadt dabei ausgerechnet in die Trinkstube und ausgerechnet zur Wiesnzeit einlädt, um ein Tourismuskonzept zu präsentieren, das Theater und Museen stärker in den Mittelpunkt stellen soll, um weg vom reinen Bier- und Wiesn-Image zu kommen, klingt etwas widersprüchlich. Man kann es aber auch auslegen wie der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU), der in samtroter Weste und Lederhose zur Pressekonferenz kam.

Welcher Zeitpunkt, sagte Schmid, biete sich besser für die Vorstellung eines neuen Tourismuskonzepts an, "als der Zeitpunkt des Oktoberfestes, wo eine ganz große Aufmerksamkeit auf München liegt". Die Wiesnzeit ist für Schmid also die perfekte Zeit, "um zu zeigen, dass München auch ganz andere Bereiche hat, die für den Tourismus von großer Bedeutung sind".

Was verbinden Fremde mit München?

Um das neue Konzept zu erarbeiten, hatte die Stadt für eine Marktanalyse im Herbst vergangenen Jahres 100 Experten, 600 Übernachtungsgäste vor Ort und 3200 Personen aus den für München wichtigsten Tourismusmärkten befragen lassen. Die Idee dahinter: Man wollte nicht nur herausfinden, wie die Innenansicht derjenigen ist, die München bereits kennen, sondern vor allem, was diejenigen über die Stadt denken, die München bislang nur aus der Ferne wahrgenommen haben.

Während die Kenner München als freundliche Stadt wahrnehmen, "die man nicht nur besuchen, sondern an deren Leben man auch teilhaben kann", sagte Geraldine Knudson, steht München bei den Nichtkennern zwar für das Oktoberfest, das Bier und den FC Bayern, hat ansonsten aber kaum ein touristisches Profil. Schon gar keines, das mit Kunst, Kultur und Kreativität zu tun hat. Oder wie es Tourismus-Chefin Knudson ausdrückt: München ist "keine Marke, die eine gewisse Kante hat".

Um der Stadt diese Kante zu verpassen, sollen in Zukunft diejenigen Aspekte stärker betont werden, die in der Umfrage von den München-Kennern als besonders attraktiv bezeichnet wurden. Allen voran der Aspekt, der die Stadt gerade zur Oktoberfestzeit so beliebt macht: die Möglichkeit, direkt am Leben der Münchner teilzuhaben, die Stadt also besonders authentisch zu erleben.

Teilhabe und Authentizität

Als Negativbeispiel nannte Knudson die französische Hauptstadt: "Wenn Sie als Tourist nach Paris kommen, dann bleiben Sie Tourist. Sie dürfen sich das Leben anschauen, das an Ihnen vorbei schwimmt, aber Sie dürfen nicht teilhaben, Sie werden nie integriert." Komme ein München-Besucher dagegen in den Englischen Garten, zum Gärtnerplatz oder an andere, von den Münchnern häufig besuchte Orte, dann werde er direkt "in dieses Treiben mitreingezogen".

Die neue Strategie setzt also auf Teilhabe und Authentizität, andererseits aber auch darauf, das bei vielen Touristen bisher kaum bekannte Angebot an Kunst und Kultur bekannter zu machen. Vorläufig trägt dieses Konzept die Überschrift "Genusskultur und Kulturgenuss", im kommenden Jahr soll eine ganz konkrete "Wort-Bild-Marke" vorgestellt werden, die den Slogan "München mag dich" ablösen wird.

Eine Art Zwischenbericht

Überhaupt klingt das, was Geraldine Knudson und Josef Schmid als "Neue Tourismusstrategie" preisen, eher wie eine Art Zwischenbericht, nicht wie eine ausgereifte Strategie, die sofort umgesetzt werden kann. Die Ergebnisse bilden nur die Basis, auf der in den kommenden Monaten, vielleicht auch Jahren, ein neuer Markenkern, neue Tourismusangebote, ein neuer Werbeslogan und ein völlig neuer Internetauftritt entwickelt werden sollen.

Zumindest zwei der vielen Powerpoint-Folien, mit denen Knudson ihr Konzept erklärt, vermitteln einen kleinen Eindruck, wie man das Image als Kulturstadt in Zukunft stärker in Szene setzen möchte. Sie zeigen Werbeplakate, mit denen München seit ein paar Wochen in anderen deutschen Städten um Touristen für die Zeit nach der Wiesn wirbt. Darauf zu sehen ist unter anderem ein junges Pärchen, das am Königsplatz sitzt, gemeinsam einen Tablet-PC in der Hand hält, an dem ein Kopfhörer angeschlossen ist, den sich die beiden teilen. Daneben steht der Slogan: "Zeit für München. Zeit für Kultur".

Rekordzahlen

Seit elf Jahren kann München jedes Jahr einen neuen Tourismusrekord vermelden, zuletzt gab es 2013 ein Plus bei den Übernachtungen von 4,3 Prozent auf 12,9 Millionen. Rund die Hälfte der Besucher reist aus dem Ausland an, die meisten aus den USA, den arabischen Golfstaaten und Russland. Russen kamen in diesem Jahr zwar weniger, doch insgesamt bleibt München auf Erfolgskurs: Im ersten Halbjahr 2014 stieg die Zahl der Übernachtungen erneut um 2,2 Prozent auf 6,1 Millionen. Damit rettet München - wieder einmal - die Bilanz für ganz Oberbayern. Von Januar bis Juni 2014 übernachteten hier 19,8 Millionen Gäste. Das entspricht einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent. Rechnet man München heraus, sind die Zahlen in Oberbayern rückläufig. sz

Das neue Image soll aber nicht nur die Stadt selbst transportieren, es soll sich bald auch im Marketing der Hotels, der Gastronomie, des Einzelhandels wiederfinden - und zum Beispiel auch in der Werbung der Messe, des Flughafens oder der Fußballarena. Schließlich ist die neue Tourismusstrategie kein Alleingang der Stadt gewesen, sie wurde gemeinsam mit der Tourismusinitiative TIM entwickelt, der inzwischen 177 Mitglieder aus der in München ansässigen Privatwirtschaft angehören.

Bezahlt wird die Entwicklung der Strategie aus einem Tourismusfonds, in den Stadt und TIM jeweils 500 000 Euro einbezahlt haben. Ob sich diese Investition tatsächlich gelohnt hat, wird sich allerdings so schnell nicht überprüfen lassen. Denn bis sich eine Tourismusstrategie vollständig etabliert habe, sagt Münchens Tourismuschefin Geraldine Knudson, dauere es erfahrungsgemäß zehn bis 15 Jahre.

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