Tote aus der Kompostieranlage:Polizei geht von Selbstmord aus

Die Todesursache scheint geklärt: Die Frau, die tot in einer Kompostieranlage in München gefunden wurde, hat sich offenbar selbst das Leben genommen. Entsprechende Hinweise kamen von ihrer Mutter, die wie ihre Tochter von der Außenwelt abgeschottet lebte.

Von Florian Fuchs

Die 45-Jährige, die vor zwei Wochen tot aus einer Sickergrube in Hadern geborgen worden war, hat sich vermutlich selbst das Leben genommen. Zu diesem vorläufigen Schluss ist die Polizei nach einer Befragung der Mutter der Toten gekommen.

In einer ausführlichen Stellungnahme wies Kriminaldirektor Frank Hellwig am Freitag die Kritik zurück, dass seine Ermittler zu lange gebraucht hätten, die Identität der Leiche zu klären. Die Polizei hatte die Tote nicht identifiziert, obwohl sie von der Mutter bereits im November als vermisst gemeldet worden war. So habe unter anderem das Gutachten der Rechtsmedizin die Fahnder auf die falsche Fährte geführt, erklärte Hellwig. Denn es besagte, dass die Tote höchstens 30 Jahre alt gewesen sein konnte. "Ich sehe nichts, was wir hätten anders machen können", sagte Hellwig. Die Polizei wolle dennoch Lehren aus dem Fall ziehen und dafür unter anderem noch einmal mit der Rechtsmedizin sprechen.

Tatsächlich sahen sich die Fahnder in dem Fall mit ungewöhnlichen Problemen konfrontiert. So gab es nach der Vermisstenanzeige der Mutter am 17. November kaum Anhaltspunkte für Ermittlungen. Mutter und Tochter hatten zwar getrennte Wohnungen, lebten aber abgeschottet von der Außenwelt und hatten nur untereinander Kontakt. Die 45-Jährige lebte seit Jahren von Sozialhilfe, sie war wohl psychisch krank, ließ sich aber nicht behandeln.

Die Mutter hatte nicht einmal ein Bild von der Tochter

Die Befragungen der 76 Jahre alten Mutter gestalteten sich laut Polizei schwierig. So habe die Frau ihre Tochter kaum beschreiben können und nicht einmal ein Bild von ihr gehabt. Einen Ausweis der 45-Jährigen fanden die Ermittler nicht: Ihre Wohnung sei fast unzugänglich und "vernachlässigt" gewesen, sagte Hellwig.

Wenigstens an DNA-Material und an ein Zahnschema der Toten von ihrem Zahnarzt kamen die Fahnder. Das Zahnschema allerdings hätte nichts genutzt, weil die Rechtsmedizin zwar auch von den Zähnen des Leichnams ein Schema anfertigte. Ein Vergleich hätte jedoch nicht zu einem Treffer geführt, weil der Toten zu Lebzeiten zwei Backenzähne gezogen worden waren, was für die Rechtsmedizin so nicht zu rekonstruieren war.

Ein Vergleich sowohl der DNA als auch des Zahnschemas hatte aber bis zur Klärung der Identität am Donnerstag ohnehin nicht stattgefunden. Erstens war das Material zwar am 23. Dezember zum Landeskriminalamt gelangt. Es war aber, wie Hellwig eingestand, über die Feiertage liegen geblieben und bis 16. Januar nicht so aufbereitet worden, dass es in die entsprechenden Datenbanken eingepflegt werden konnte.

Zweitens hatten die Ermittler zwar die Vermisstenakte der 45-Jährigen auf dem Tisch. Weil sie aber laut Rechtsgutachten nach einer maximal 30 Jahre alten Frau suchten, stellten sie die Akte zurück. Und das, obwohl die Vermisste nur einen Kilometer vom Fundort der Leiche entfernt wohnte und obwohl bis auf das Alter auch die spärliche Beschreibung der Mutter auf das Bild von der Toten passte.

Hellwig wollte dennoch nicht von einem Versäumnis sprechen. Das Aussehen einer Leiche, die knapp zwei Monate im Wasser lag, sei schwer zu rekonstruieren. Deshalb habe man sich auf die vergleichsweise beständigen Zähne verlassen, deren Analyse aber zu einer falschen Altersschätzung führte.

Die Polizei will nun das toxologische Gutachten abwarten, um die Todesursache abschließend zu bewerten. Die Mutter der Toten sagte jedoch am Donnerstag aus, dass die letzte Verabschiedung von ihrer Tochter am 10. November seltsam gewesen sei. Ihre Tochter habe sie umarmt und aufgefordert zu beten, was sie sonst nie getan habe. Ein Suizid erscheint deshalb als wahrscheinlich.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Selbstmorde zu berichten, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide. Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (http://www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

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