Kritik:Im Ozean der Klänge

Ein beeindruckender Abend für den japanischen Komponisten Toshio Hosokawa im "Schwere Reiter".

Von Klaus Kalchschmid, München

Gerade hat das Münchener Kammerorchester im "Schwere Reiter" zwei großartige Werke von Toshio Hosokawa gespielt, da findet in Anwesenheit des japanischen Komponisten am selben Ort eine Gesamtaufführung seines einstündigen Œuvres für Klavier statt. Schon der Vierjährige hat das Instrument gelernt, und kurz nach seiner Übersiedlung nach Berlin komponierte der 22-Jährige sein erstes Stück für den universalen, aber auch sehr westlichen "Konzertflügel".

"Melodia II" beginnt wie aus dem Nichts als einstimmiger Gesang, der erst allmählich zwei- und dann ganz vorsichtig mehrstimmig wird. Erst sechzehn Jahre später sollte Hosokawa sich mit den Webern-Variationen der "Nacht Klänge" wieder dem Klavier widmen und dann im Abstand von sieben Jahren drei Werke komponieren, die japanische Traditionen spiegeln. Das letzte, "Mai - Uralte japanische Tanzmusik" ist ein archaisch-energetisches Stück, dem in den Jahren 2012/13 sechs Etüden folgen. Oftmals raffiniert fließende Musik ist das, dann wieder gibt es, wie so oft bei Hosokawa, etwa in "Calligraphie", versprengte Klänge und Akkorde, deren Nachhall in den Obertönen den Stücken einkomponiert scheint. 2019 entstand mit "Verlust" eine stille, extrem verlangsamte Beethoven-Reflexion für das "Diabelli-Projekt" von Rudolf Buchbinder.

Beim Roundtable mit Sabine Liebner, die sich mit Hingabe wie Pastellfarbenreichtum der Klaviermusik Hosokawas widmete, und Wolfgang Rathert, der unter dem Titel "Der (nicht) nur stille Ozean der Klänge" eine Einführung in diesen Kosmos gab, demonstrierte der zögerlich mit leiser Stimme auf Deutsch sprechende Komponist gestisch, wie ein Pinsel geführt wird und in welchem Tempo eine Hand die andere zur lauten Berührung sucht und trifft. So stelle er sich vor, dass seine Musik gespielt werden müsse. Bleibt zu hoffen, dass Liebner ihren zahlreichen Einspielungen zeitgenössischer Klaviermusik Hosokawa folgen lässt.

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