Tölzer Knabenchor:Sängersuche

Unter den herrschenden Bedingungen tut sich auch der renommierte Münchner Chor schwer, Nachwuchs zu finden

Von Michael Stallknecht

Beim Tölzer Knabenchor hat man in den vergangen Monaten etwas festgestellt, was auch Mediziner interessieren dürfte: Jungs, die nicht regelmäßig singen, kommen schneller in den Stimmbruch. Man hätte sich diese Erkenntnis durchaus lieber erspart. Schließlich müssen die Tölzer im zaghaft anlaufenden Opernbetrieb bereits wieder Solistenpartien an großen internationalen Häusern besetzen wie etwa die Drei Knaben in der jüngsten Serie der "Zauberflöte" der Bayerischen Staatsoper oder vom kommenden Sonntag an den Zarensohn Fjodor in der Neuinszenierung von Mussorgskis "Boris Godunow" an der Zürcher Oper.

Seit Ende Juni wird im Münchner Probenzentrum zwar der Einzelunterricht bereits fortgesetzt und auch können kleine Gruppen mit Abständen wieder chorisch musizieren. Aber die Ausbildung von Knabenstimmen ist aufwendig und die Spanne für das aktive Singen naturgemäß kurz. Deshalb brauchen die Tölzer regelmäßig Nachwuchs, wenn die älteren in den Männerchor wechseln. In normalen Zeiten besuchen die Chorleiter einmal im Jahr die Grundschulen im gesamten Münchner Umland, um dort neue Stimmen zu entdecken. 80 bis 90 kommen auf diese Weise jährlich neu in den Chor, in dem insgesamt etwa 200 Knaben auf verschiedenen Leistungsstufen singen. Doch normal ist in diesem Jahr gar nichts, weshalb der Chor nun auf ein gesondertes Castingverfahren im Oktober im eigenen Haus setzt und hofft, dass möglichst viele daran teilnehmen.

Bereits im Mai hatten fünf renommierte deutsche Knabenchöre - darunter auch die Tölzer - Alarm geschlagen, dass sie unter den herrschenden Bedingungen kaum Nachwuchs finden könnten. Außerdem seien die Konzertabsagen für die Chöre auch in ökonomischer Hinsicht existenzbedrohend. In Österreich warnten vor zwei Monaten die Wiener Sängerknaben, dass sie nach der Absage von zweihundert Konzerten bald vor dem Bankrott stehen könnten. Inzwischen rufen auch die Tölzer über ihre Homepage zu Spenden auf. Ein Drittel der üblichen Einnahmen, sagt Christian Gohlke, der Pressesprecher des Chors, sei für dieses Jahr bereits weggebrochen. Ausgeglichen werden kann das kaum, weil Subventionen gerade mal sieben Prozent des Gesamtbudgets ausmachen und der Chor als gemeinnützige Einrichtung aufgrund der deutschen Gesetzeslage keine Rücklagen bilden darf - ein Problem, das momentan viele renommierte freie Ensembles haben. Nun hofft man darauf, dass wenigstens das Weihnachtsgeschäft stattfinden kann, das bei allen Knabenchören einen Großteil der Einnahmen ausmacht.

Doch wenn es bei den gegenwärtigen Abstandsregeln bleibt, dürften nur die wenigsten Bühnen groß genug sein für Werke wie Bachs "Weihnachtsoratorium". Fraglich ist auch, ob die privaten Veranstalter, mit denen die Tölzer außerhalb ihrer solistischen Engagements vor allem zusammenarbeiten, bis dahin überhaupt sinnvoll den Betrieb wieder aufnehmen können. Ein halbes Jahr sei "für die Buben eine endlose Zeit", sagt Christian Gohlke. "Sie wollen unbedingt wieder vor Publikum singen."

Casting für den Tölzer Knabenchor an den Wochenenden 17./18., 24./25., 30./31. Oktober im Chorstudio in Obersendling, weitere mögliche Termine im November. Anmeldung an chorbuero@toelzerknabenchor.de oder per Fax unter 089/724419441

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