Süddeutsche Zeitung

Tod von Ellis Kaut:Trauriger Kobold an der Isar

Lesezeit: 4 min

Der Pumuckl ist längst in den Alt-Münchner Sagenschatz eingegangen. Abzulesen an Anekdoten, Orten und Erinnerungen.

Philipp Crone, Martina Scherf, Theresa Parstorfer und Antje Weber

Wäre der Pumuckl ohne München denkbar? Wohl kaum. Der bayerische Grant des Meister Eders, die alte Schreinerwerkstatt in einem Hinterhof des Lehels, die Schimpfwörter, mit denen die Kinder im Hof und auch der Kobold bedacht werden. Wäre München ohne den Pumuckl denkbar? Wohl auch nicht. Der Kobold ist längst in den Alt-Münchner Sagenschatz eingegangen, hat es sogar gemeinsam mit dem Monaco Franze in den Prachtband über Bayern geschafft, den alle Staatschefs heuer in Elmau geschenkt bekamen. Ellis Kaut hat eine Ur-Münchner Figur geschaffen, die doch in der ganzen Republik verstanden wurde. Kein Wunder, dass die Autorin in dieser Stadt bis zuletzt hoch verehrt wurde - eine Spurensuche am Tag ihres Todes.

"Ich durfte Ellis Kaut in den über drei Jahrzehnten unserer engen und fröhlichen Zusammenarbeit in ihren vielen Facetten kennenlernen", sagt Brigitte Fleissner-Mikorey vom Verlag Langen-Müller, die Kauts Autobiografie herausgegeben hat. "Sie war eine wunderbare Geschichtenerzählerin, nicht nur für Kinder, eine sensible Fotografin und Künstlerin und eine energische Mutter Courage im besten Sinne. Mit fast neunzig schrieb sie ihre Autobiografie "Nur ich sag ich zu mir", die uns auch ein Stück vergangenes München nahebringt. Sie war eine genaue Zeitzeugin und Beobachterin. Ich vermisse sie."

1962 lief Pumuckl erstmals im Rundfunk

Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, erinnert sich, wie die Pumuckl-Figur das Programm geprägt hat: "Während der Mitarbeit bei den Unterhaltungssendungen im BR-Hörfunk, so erzählte Kaut es selbst, begann sie, sich Geschichten auszudenken und aufzuschreiben: Das war die Geburt des Pumuckl, die erste Sendung lief 1962. Seither hat der kleine, freche Kobold mit seinen Streichen Generationen von Kindern und Erwachsenen begeistert und das Programm des Bayerischen Rundfunks bereichert."

Der Pumuckl-Brunnen liegt an der Westseite des Luitpoldparks in Schwabing. Ellis Kaut hat ihn 1985 gestiftet, "damit die Kinder am Spielplatz was zu trinken haben". Seit die Bronzefigur, die auf einem steinernen Baumstumpf steht, in unregelmäßigen Abständen Wasser spuckt, heißt auch der Spielplatz bei allen nur noch Pumuckl-Spielplatz. Im Sommer, wenn es heiß ist, lassen sich die Kleinen vom Pumuckl nass spritzen, und wer eine Erfrischung sucht, kann das Wasser getrost trinken. Wer den Pumuckl nicht kennt, dem kann es allerdings passieren, dass er unfreiwillig nass wird, denn der Kobold spuckt immer dann, wenn man es gerade nicht erwartet.

Wie es ist, mit einer Zeichentrick-Figur zu spielen

"Mit Ellis Kaut verbinde ich natürlich vor allem den frechen und liebenswerten Kobold Pumuckl", sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. "Unseren drei Kindern haben wir so oft von den Streichen des kleinen Pumuckl vorgelesen, dass ich mich sogar heute noch an einzelne Kobold-Sprüche erinnern kann, wie: "am meisten wärmeln Pullis mit zwei Ärmeln". Für mich ein wunderbares Beispiel für die ganz eigene Sprache von Ellis Kaut, die auch heute noch Kinder wie unsere drei Enkelkinder begeistert." "Meine Kinder haben die Pumuckl-Serie geliebt, das war ihr Programm!" Regisseur Franz Xaver Bogner hat mit dem Hauptdarsteller aus den Pumuckl-Filmen oft gedreht. "Gustl Bayrhammer sagte immer: Es war zu Beginn unglaublich schwer, so ins Leere zu spielen. Denn die Zeichentrickfigur kam ja nachträglich dazu. Also hat er eine Zeit gebraucht, bis er auf die richtige Höhe geschaut hat, wo später der Kopf vom Pumuckl sein würde. Bayrhammer sagte einmal dem Bayerischen Rundfunk über seine Rolle als Meister Eder: "Meister Eder ist für Pumuckl wie ein Vater. Er ist gerecht und bringt dem Pumuckl das Positive des Lebens nahe." Die Werkstatt von Meister Eder gibt es nicht mehr. Nach dem Dreh 1985 für die Serie wurde sie abgerissen, hat Sebastian Kuboth herausgefunden. Seit 2009 gibt der Franke Drehort-Stadtführungen und eine ist die Pumuckl-Tour. "Oft sind das Münchner, die das München ihrer Jugend wiederentdecken und in der Nostalgie der Serien schwelgen wollen", sagt Kuboth. Kaut habe ihn sehr geprägt. "Der Eder hat nicht viel, aber er ist glücklich. Das fand ich unglaublich schön." Pumuckl sei eines der wenigen modernen Märchen, die in 100 Jahren auch noch funktionieren. Die Anekdoten für seine Führungen erfährt Kuboth von Ulrich König, dem Regisseur der Pumuckl-Serie, Gesprächen mit Darstellern oder auch ehemaligen Anwohnern und den Biografien von Hans Clarin und Ellis Kaut.

Die Beziehung zur Pumuckl-Zeichnerin

Was Barbara von Johnson, der Pumuckl-Zeichnerin, als erstes einfällt, wenn sie an Ellis Kaut denkt? "Liebe, ganz große Liebe." Das würde man nicht unbedingt vermuten. Die Münchner Zeichnerin hatte 1963 den Wettbewerb zur "Visualisierung des Pumuckl" gewonnen und bis 1978 in Büchern und auf Schallplattenhüllen das Bild des Kobolds mit den wirren Haaren geprägt. Später stritt sie mit Ellis Kaut jahrelang um die Rechte.

Doch das ist längst vergessen: "Bitterkeit war nie da. Wir haben alle Engpässe zusammen durchgestanden und uns versöhnt. Das ist Leben." An die Versöhnung vor drei Jahren erinnert sie sich noch gut: "Da habe ich im Krankenhaus vor ihr gekniet, ihr gedankt und ihr eine Holz-Biene geschenkt und gesagt: Liebe Ellis, ich bin so froh, dass du als wunderbare Biene so viel köstlichen Honig in die Welt gebracht hast." Sie hätten früher eine "warme Beziehung" gehabt, erinnert sich die 21 Jahre Jüngere, und auch viel über das Leben und den Tod gesprochen. Was für sie in der Erinnerung bleibt? "Das tiefe, warme Gefühl, dass wir zwei ganz begabte, wilde Weiber gewesen sind."

Die Internationale Jugendbibliothek in München beherbergt eine Ellis-Kaut-Stiftung. Christiane Raabe, Leiterin der Bibliothek in Schloss Blutenburg, sagt zum Tod von Kaut: "Ich bedaure das sehr." Raabe hat mit der Autorin immer wieder telefoniert, sie jedoch nur einmal persönlich kennengelernt. Dieses Treffen jedoch hat sie sehr beeindruckt: Kaut habe ihren 90. Geburtstag in der IJB gefeiert und sich dabei "einem Saal aufgeregter Kinder gestellt. Sie hat es genossen. Ich fand es großartig, dass sie kam, obwohl es sehr anstrengend für sie war".

Ellis Kaut ist die Vermarktung der Figur zu viel geworden

Für Raabe ist der Kobold "eine typisch bayerische Figur". Neu als Phänomen sei die vielfältige Vermarktung als Marke gewesen. "Ihr ist es zu viel geworden", sagt Raabe. Kaut habe versucht, sich von der Figur zu distanzieren, sich der Fotografie zugewandt. Doch Pumuckl hatte sich verselbständigt. Raabe jedenfalls hat großen Respekt vor Ellis Kauts Leistung: "Das muss man erst einmal schaffen, dass ein Kobold sich so in die Herzen schreibt!"

"Ich habe im letzten Film von Hans Clarin 2003 die Zirkusdirektorin gespielt, die den Pumuckl entführt hat", sagt Schauspielerin Sunnyi Melles. "Ellis Kaut kam immer wieder auch zum Set, auch weil sie gemerkt hat, dass Clarin, obwohl es ihm schon nicht mehr gut ging, noch einmal so richtig aufgeblüht ist. Er spielte bei diesem Film sowohl den Pumuckl, also dessen Stimme, als auch den Meister Eder. Kaut war eine Kämpferin. Sie hat ihre Pumuckl-Idee auch selbst gelebt, das war nicht nur reine Fantasie. Der Pumuckl, der als Revoluzzer gegen Ungerechtigkeiten kämpft, das war sie."

Ellis Kaut wird voraussichtlich am Mittwoch, 7. Oktober, im Friedhof Obermenzing beigesetzt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2663637
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.09.2015 / cro, mse, prs, aw
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.