Comics:"Comics brauchen Fürsprecher"

Comics: Timur Vermes in der Münchner Comic Company, hier ist der Autor und Comic-Fan oft anzutreffen.

Timur Vermes in der Münchner Comic Company, hier ist der Autor und Comic-Fan oft anzutreffen.

(Foto: Florian Peljak)

Batman hat Bestseller-Autor Timur Vermes zur "neunten Kunst" gebracht. In seinem neuen Buch erklärt er, warum. Und gibt jede Menge Leseempfehlungen.

Von Sabine Buchwald

Zum Fotografieren schlägt Timur Vermes die Comic Company in der Fraunhoferstraße vor. Als Kulisse. Wie der Name nahelegt: Hier geht's um Comics, und das ist auch Vermes' Thema. Eigentlich sein Dauerthema seit mehr 30 Jahren, nachdem er sich eines Tages in Frank Millers "Die Rückkehr des dunklen Ritters" verloren hat. Er nennt den Batman-Band seine "Wiedereinstiegsdroge". Von 2017 bis 2020 hat Vermes für Spiegel online Neuerscheinungen rezensiert. Nun hält er mit Comic-Besprechungen seinen Blog Comicverführer.com am Laufen. Unter diesem Titel hat Vermes, 55, vor Kurzem auch ein Buch herausgebracht, eine Liebeserklärung an die "neunte Kunst". Und trotzdem fühlt er sich genötigt zu einer Erläuterung, warum er sie so mag. Die liefert er gleich auf den ersten Seiten, indem er in einem Rutsch erklärt, dass er die Serie "Breaking Bad" und James-Bond-Filme gut leiden kann, genauso wie Kaffee und Bier, Pommes und Sushi, und ihn auch diese "erwachsene Art, Geschichten zu erzählen" (wieder) zum Comic-Lesen brachte.

"Nachmittage mit Comics", von denen Vermes im Vorwort schwärmt, diese Freiheit hat er sich durch einen Bestseller geschaffen. Dessen Cover ist eine Ikone und wohl bekannter als der Name des Autors. Schwarzer, schräger Scheitel, der Buchtitel in ein Quadrat gepresst: "Er ist wieder da". Er, das personifizierte Grauen, dessen Auferstehung für die allermeisten Menschen eine Horrorvorstellung ist. Mehr als drei Millionen Mal hat sich die Satire verkauft, in der Adolf Hitler im Berlin dieser Tage wiedererwacht. Der Roman kam 2012 heraus, wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt - auch ins Hebräische -, wurde vertont, verfilmt, auf Bühnen gebracht. Zwangsläufig kommt man mit Vermes immer darauf zu sprechen, weil er ohne den Erfolg dieses Buches wahrscheinlich anders leben würde.

Vermes, Jahrgang 1967, ist in Nürnberg aufgewachsen, wo es den Laden "Ultra Comix" gibt, dessen Konzept er verehrt. Er hat bei der Nürnberger Abendzeitung volontiert, doch den Tagesjournalismus längst hinter sich gelassen. Vermes schreibt, wozu er Lust hat. Wie etwa im vergangenen August zum Tod des großen Sempé, Vater des kleinen Nick. Vermes hat Geschichte und Politik studiert, und das Formulieren scheint ihm grundsätzlich leicht zu fallen. Buchverlage, die mit ihm zusammenarbeiten, erhoffen sich wohl weitere kommerzielle Erfolge. Aber ein Buch über Comics als Millionenseller? Vermes' Lachen sagt so viel wie: "Das glaube ich eher nicht." Diesmal hat sich Harper Collins seiner angenommen und den 300-Seiten starken "Comicverführer" herausgebracht. Die serifenlose Schrift der Texte erschwert die Lektüre ein wenig, dafür aber illustrieren viele Bilder, was Vermes an Comics so fasziniert: Nur mit wenigen Strichen auszudrücken, wofür andere - auch er - viele Sätze brauchen. Wort- und kenntnisreich juckelt Vermes in 36 Kapiteln durch die internationale und heimische Comicwelt. Er spricht seine Leser direkt an, gibt eine Menge Empfehlungen ab und versucht Antworten zum Erfolg von Mangas und Graphic Novels, holt auch mal die verbale Keule raus. Über Sarah Gliddens Israelreise beispielsweise, die er absolut nicht zu mögen scheint, oder über Olivier Kuglers Band "Dem Krieg entronnen", den er als "zeichnerisch ermüdend" erwähnt.

Eine Fortsetzung von "Er ist wieder da"? Vermes winkt ab

Zum Gespräch hat Vermes das Motel One in Giesing vorgeschlagen. Er wohnt mit seiner Frau nicht weit von dort, ist mit seinem Fahrrad kurz mal durch den Schnee gerutscht. Weiche Sessel in der Hotel-Lobby, warmer Kaffee und wache Augen hinter einer runden Brille. Man sitzt sich gegenüber. Vermes versinkt fast in den Polstern, rutscht ganz nach vorne. Er bleibt beim Sie, obwohl Siezen eher unüblich in der Comic-Szene ist. Warum erfindet er nicht einen zweiten oder dritten Teil von "Er ist wieder da"? Weil die Geschichte auserzählt sei, weil es ihn nicht reize, ebensowenig wie Geld, sagt Vermes. Er sei sparsam. Comics aber bräuchten Fürsprecher. "Es braucht Leute, die eine Brückenfunktion übernehmen."

Vermes taucht immer häufiger in der Münchner Comic-Szene auf. Regelmäßig bespricht er nun in Heiner Lünstedts "Comiccafé" im Werkstattkino neue Bände. Der Organisator des Münchner Comicfestivals hatte ihn 2021 für Ausstellungstexte zu "Gung Ho" engagiert. In seinem Buch spricht Vermes mit Thomas von Kummant, einem der Zeichner der fünf Bände, über Fleißarbeit und Schulden. "Die Branche hat etwas Herzerwärmendes", sagt Vermes. Im Grunde beruhe das Genre auf Selbstausbeutung. Es haue einen manchmal um, und er frage sich: "Wie überleben die Zeichner nur in München?"

Und was er sich noch fragt: Woher kommen die Ressentiments gegen Comics, selbst wenn man sie als Kind gelesen hat? In seinem Kopf seien für immer Bilder "gepflanzt". Der Geldspeicher von Dagobert Duck mit den goldgelben Talern. Oder Snoopy auf dem Dach seiner Hundehütte liegend. "Das kann doch nicht bequem sein." Vermes grinst. Es macht ihm Spaß, darüber nachzudenken.

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