Tierpark Hellabrunn:Olga, die Widerspenstige, ist wieder da

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Im Tierpark ist die hochbetagte Braunbärin aus dem Winterschlaf erwacht. Sie steht gleichermaßen für Verlässlichkeit und Anarchie - das ideale Tier für München.

Kolumne von Kassian Stroh

Wie ist eine Bärin korrekt zu begrüßen, wenn sie aus der Winterruhe erwacht? Guten Morgen? Gutes Frühjahr? Guten Sonntag? Am Sonntag nämlich war es, dass Olga erstmals gesichtet wurde, seitdem sie sich im Herbst in ihre Höhle begeben hatte. Gut, seit Sonntag bekamen sie auch nicht viele zu Gesicht. Das verwundert nicht, jeder vernünftige Bär verkröche sich gleich wieder, wenn er in Erwartung des Frühlings seine Schnauze aus der Höhle steckt, dann aber die Temperaturen schon wieder sinken - jeder vernünftige Mensch täte es ihm gleich, nur dass er leider Meetings zu absolvieren und Abteilungsbesprechungen zu erdulden hat, geht halt nicht. Olga also, um zum wirklich Wichtigen zurückzukehren: Olga ist wach und wieder da. Das ist eine Nachricht, und was für eine.

Denn Jahr für Jahr wieder stellt sich die spannende Frage: Wird es diese hochbetagte Braunbärin noch einmal schaffen und ihre Höhle verlassen? Jahrgang 1977 ist sie ja, ein anerkannt guter Jahrgang im Übrigen; ins Menschliche umgerechnet dürfte sie nun an die 100 Jahre alt sein. Olga war irgendwie schon immer da im Münchner Tierpark, ihre Präsenz hat etwas Beruhigendes. Sie ist für Hellabrunn ungefähr so wie Barbara Stamm für die CSU: immer schon da, Teil des Wesenskerns, Symbol der Selbstvergewisserung. Mit dem kleinen Unterschied, dass sich bei Stamm die Frage, ob sie noch da ist, nur alle zwei Jahre stellt, bei den Parteitagen, wenn sie wieder antritt, jetzt aber wirklich zum letzten Mal, obwohl sie doch schon 1977 aufhören wollte, Parteivize zu sein.

Ganz anders als Stamm aber ist Olga, um zum wirklich Wichtigen zurückzukehren, fleisch- und fellgewordene Anarchie. Weil sie mit jedem Jahr, in dem sie aus der Winterruhe zurückkehrt, dem seit Langem geplanten Umbau des Tierparks im Wege steht. Weil sie eine Europäische Braunbärin ist, ihr Gehege aber inmitten jenes Parkteils steht, der eigentlich Afrika gewidmet sein sollte. Sobald, Gott bewahre, Olga verschieden ist, soll hier ein Löwenkäfig hinkommen. Seit Jahren also widersetzt sich eine einfache Bärin einfach durch ihr Dasein den Plänen der Tierpark-Chefs, von denen Olga auch schon ein paar hat kommen und gehen sehen. Das macht Mut. Deshalb: Herzlich willkommen, Olga! Das passt immer.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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