Tierpark Hellabrunn:"Dieses Artenschutzprojekt ist einmalig in Deutschland"

Das Mühlendorf im Tierpark Hellabrunn hat eröffnet. Besucher sollen hier etwas über artgerechte Haltung und Biodiversität lernen.

Von Philipp Crone

Gretchen ist ganz angetan. Das Murnau-Werdenfelser Rind steht im frisch für die Eröffnung gestriegelten hellbraunen Fell direkt am Holzgeländer und schaut zu den Musikanten. Sie kam gleich rausgelaufen, als die Blasmusik losging. Die Tiere im neuen Mühlendorf sind zwar schon seit einigen Tagen hier und haben sich eingewöhnt, aber so eine feierliche Eröffnung mit Grußworten und einem Rundgang ist dann ja doch etwas Besonderes.

Architekt Kieran Stanley von "dan pearlman-Erlebnisarchitektur" nennt das Dorf ein "didaktisches Projekt". Es geht nicht um Gebäude, "sondern darum, Biodiversität erlebbar zu machen". Deshalb habe man "ein authentisches Dorf" gebaut, in dem wie üblich am Rand eine Wassermühle steht, deren Rad Strom für die Geräte drinnen liefert. Auf dem zentralen Platz gibt es einen Biergarten, darum die Stallungen, einen Garten, einen Dorfladen. Zoo-Aufsichtsratsvorsitzende Christine Strobl spricht von einem Edukationskonzept. "Man kann lernen, wie das eigene Verhalten etwas verändern kann, etwa beim Plastik."

Im Laden gibt es Fruchtbecher zu kaufen, die sehen aus wie Plastikbecher, sind aber aus Zuckerrohr. Strobl hofft, dass in Zukunft vielleicht auch mal der eine oder andere Griller von der Isar vorbeischaut, denn dort bleibt jeden Tag tonnenweise Müll zurück. Die SPD-Bürgermeisterin schaut ab und an zu Rind Gretchen rüber, die auch zu Strobl schaut, aber die nennt dann als ihr Lieblingstier im Mühlendorf statt dem Rind doch die Steinbacher Kampfgans.

Die Tiere, die es hier zu sehen gibt, sind heimisch, die Fische, die im Bruthaus gezüchtet werden, setzen die Zoomitarbeiter später in der Isar aus. "Dieses Artenschutzprojekt ist einmalig in Deutschland", sagt Tierparkchef Rasem Baban. Es wird klar, auch wenn bei dieser Eröffnung nicht einmal die Hälfte der zu Fläche für die Besucher freigegeben wird, worum es geht: dass man als Besucher etwas lernt und sein Verhalten ändert.

8000 Quadratmeter sind bereits fertig, 12 000 werden nach der Vollendung des zweiten Bauabschnitts im Sommer 2019 zugänglich sein. "Die Anlagen entsprechen den heutigen Vorstellungen artgerechter Haltung", sagt Baban. Da grunzt auch gleich ein Kunekune-Schwein, während sich das Guinea Pig und das Hausmeerschweinchen noch nicht blicken lassen, sie bleiben bei dem Lärm lieber drinnen. Ganz anders die Shetland-Ponys, die sich neben Gretchen aufstellen. Das Rind wiederum grast nun etwas gelangweilt, als Baban die Zahlen zur neuesten Attraktion des Tierparks verliest.

"Ein Zoo, der nicht baut, ist alt."

1300 Quadratmeter Fläche werde man am Ende entsiegeln, 50 Bäume pflanzen. Man lernt hier, wie Wildtiere zu Haustieren wurden, welchen Einfluss die Landwirtschaft auf die Tierwelt hat, auf Dutzenden Schautafeln ist das erklärt. Es wird dann auch noch weitere Neuerungen geben, einen Imkerwagen zum Beispiel, oder im zweiten Bauabschnitt auch wieder das Kinderland.

Olivier Pagan, Präsident des Verbands der Zoologischen Gärten, spricht von einem wichtigen und charmanten Projekt und lobt das Engagement für bedrohte Arten, für Wissenschaft und Forschung. Das Mühlendorf und der Zoo allgemein hätten eine "wichtige Bildungsfunktion im urbanen Kontext". Auch die permanent in Hellabrunn stehenden Bagger und Baugerüste sind für Pagan wichtig. "Jede neue Zoo-Anlage bringt neues Publikum und Glaubwürdigkeit. Ein Zoo, der nicht baut, ist alt." Das Mühlendorf sei ein gutes Beispiel, wie man die Gesellschaft, die "nämlich nicht nur von visuellen Erlebnissen lebt", für Artenschutz und Biodiversität sensibilisieren könne. Da grunzt auch Shetland-Pony Luna zweimal ganz tief, laut nebenstehendem Pfleger eindeutig ein Ausdruck von Zustimmung.

Nach den Reden gibt es dann Bier für die Besucher und Möhren für die Tiere - auch eine Art Biodiversität.

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