Tierpark Hellabrunn:Lang lebe der Ameisenbär!

Ameisenbär im Tierpark Hellabrunn in München, 2018

Ameisenbär Xippe, im extravaganten Fellkostüm, ist 22 Jahre alt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Keine natürlichen Feinde, mühelos einen vollen Bauch und ärztliche Betreuung: In Zoos werden Tiere oft älter als in freier Wildbahn. Vier Beispiele aus München.

Von Philipp Crone

Alter ist relativ, und in Tierparks gilt diese Regel ganz besonders. Selbstverständlich leben Kraken nicht so lang wie Schildkröten. Die Aldabra-Riesenschildkröten in Hellabrunn seien älter als hundertfünfzig Jahre, sagt Tierparksprecherin Lisa Reininger. In Hellabrunn schätzt man das Geburtsjahr des ältesten Tieres auf das Jahr 1860. Während Mäuse nur wenige Jahre haben oder ein Krake, der im Untergeschoss des Aquariums lebt, mit zwei Jahren schon seine normale Lebenserwartung übererfüllt.

Klar ist, dass Tiere in Zoos durchschnittlich länger leben als in freier Wildbahn, teilweise deutlich. Sie haben keine natürlichen Feinde, dadurch weniger Stress, und sie laufen nicht Gefahr zu verhungern. In diesem Jahr sind einige der ältesten Tiere des Münchner Zoos gestorben, die Braunbärin Olga, das wohl älteste Tier dieser Art in Europa, mit 41 Jahren, Elefantendame Steffi wurde mit 52 im März eingeschläfert, Orang-Utan Bruno war 49. Es leben aber noch immer eine Reihe stattlicher und vor allem rüstiger Tier-Senioren an der Isar, denen ein - für ihre jeweilige Art - langes Leben beschieden ist. Vier Beispiele:

Kraftfutter für Xippe

Pfleger Florian Hundshammer betreut den Ameisenbär Xippe seit 15 Jahren, Hundshammer ist 35, Xippe 22. Und trotzdem verzieht sich Xippe an einem sonnigen Oktobermittag erst einmal ganz weit nach hinten ins Gehege, wenn der große Pfleger mit einem Joghurtbecher in der Hand die Tür aufsperrt. Drei Vikunjas, eine Alpaka-Art, mit denen der Ameisenbär vergesellschaftet ist, schauen zu. Xippe kommt dann doch nach vorne. "In freier Wildbahn wird ein Ameisenbär etwa 20 Jahre alt, in Zoos können sie bis zu zehn Jahre länger leben", sagt Hundshammer.

Mit der Zeit verlieren die Tiere an Muskelmasse, können nicht mehr so gut sehen. Wenn Xippe mal Magen-Darm hat, dann kommt hier eben die Tierärztin und mischt ihr Heilerde ins Futter, in der Natur gibt es diesen Service selbstverständlich nicht. "Die Nahrungsaufnahme ist für diese Tierart in höherem Alter allerdings kein Problem", sagt der Pfleger. Die Zähne können den zahnlosen Tieren ja nicht ausfallen. Ameisen und Termiten, die findet ein Ameisenbär auch in hohem Alter noch. "Die fressen einen Termitenbau auch nie ganz aus", sagt Hundshammer, "da sind sie fortschrittlicher als der Mensch." Statt eine Ressource völlig auszubeuten, merken sich die Tiere den Bau, lassen einen Teil ganz und kommen nach einer bestimmten Zeit wieder.

Alterserscheinungen sieht der Pfleger bei Xippe noch keine. Trotzdem bekommt sie regelmäßig ein Kraftfutter. "Bei einem anderen Tier, das lange Zeit auch hier lebte, haben wir allerdings schon eine Art Demenz festgestellt." Wenn Hundshammer das Tier in die Stallungen holte - meist geleitete er den Ameisenbär zwischen seinen Beinen nach drinnen-, dann sei er regelmäßig erschrocken, wenn er vergessen hatte, dass er zwischen den Beinen des Pflegers läuft.

Xippes Fell ist zuletzt auch nicht grauer geworden, sie käme also wohl auch noch immer auf Bäume. Denn das beobachtet man laut Hundshammer auf Palmölplantagen. "Die ziehen Termiten an und damit auch Ameisenbären, die dann auf die Bäume klettern." Ob es mal einen Nachfolger gibt, sollte Xippe das Zeitliche segnen? Unklar, sagt Hundshammer.

Nur keine Eile

Klammeraffe Huskie, 34 Jahre alt, zehn Kilo schwer, bewegt sich gemächlich durch den Raum. Während die Weibchen, vor allem der jüngste Nachwuchs, durch die Äste rasen und sich mit den vier Extremitäten samt dem Klammerschwanz herumhangeln, geht der Anführer der Gruppe. Pfleger Walter Gebhardt präpariert gerade in einem Nebenraum eine kleine Überraschung, verteilt Holzwolle und Snacks auf dem Boden, um dann von außen an der Scheibe seine Fernbedienung zu zücken und die Luke zwischen den beiden Räumen zu öffnen. Das Schauspiel ist dann recht eindrucksvoll.

Tierpark Hellabrunn: Klammeraffe Huskie, 34.

Klammeraffe Huskie, 34.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zuerst kommt Huskie in den Raum, geht langsam zur Scheibe, hinter der einige Besucher warten, richtet sich auf und schaut durch das Glas. "Er macht klar, wer das Sagen hat", sagt Gebhardt. Der 59-Jährige ist seit 40 Jahren im Zoo und kennt Huskie seit dessen Geburt. Manche Klammeraffen werden bis zu 42 Jahre alt in einem Zoo, sagt Gebhardt. "Huskies Alter merkt man eigentlich nicht, er kränkelt nie." Er tolle nicht mehr so herum wie die jungen Tiere, klar, aber ab und an spiele er schon auch mit. Huskie hat zehn Nachkommen gezeugt, und wenn Affen alt werden, dann "ist das wie bei uns Menschen", sagt Gebhardt. Zähne fallen aus, aber das Fell bleibt bis zuletzt pechschwarz.

Nachgiebiger Wildesel

"Es geht um die Rübe", sagt Pfleger Elias Lechner und deutet über die Absperrung auf den Esel, der gerade nah am Wasser steht. Turfan ist ein Kiang, ein Wildesel, und 27 Jahre alt, "ein Jahr jünger als ich". Lechner hat einen Eimer mit Zuckerrüben dabei und wirft sie Turfan zu. Genauer: Er wirft sie vier Eseln zu, die alle gleich aussehen, von denen Lechner aber genau weiß, wer Turfan ist. "Das Fell auf dem Rücken, das wird bei älteren Tieren etwas fleckig, daran kann man das Alter erkennen." Turfans zwei Töchter, jeweils mit glattem Fellrücken, machen der Mama die Rüben streitig, sie schnaufen oder drohen auch mal kurz auszutreten.

Tierpark Hellabrunn: Esel Turfan, 27.

Esel Turfan, 27.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wenn man die Tiere beobachtet, sieht man, dass das älteste Tier etwas zu kurz kommt beim Rüben-Fressen. "Er gibt jetzt häufiger nach." Das Gewicht wird geringer, das Tier frisst langsamer, "in der Natur verhungern sie dann irgendwann". Nicht in Hellabrunn, da wird Turfan zweimal pro Tag gefüttert, die Jungtiere nur einmal. "Für 27 ist er ganz schön fit", sagt Lechner, und noch immer wichtig für die Gruppe. "Er kennt die Abläufe und reagiert ruhiger, wenn mal etwas Neues und Unerwartetes passiert." In der Natur wird ein Kiang etwa 20 Jahre alt.

"Das sind lebhafte Tiere", sagt Lechner, "und schlaue." Ein Pferd renne immer gleich los, "das weiß ja, dass es normalerweise schneller ist als alle anderen." Ein Esel sei nicht so schnell, "denkt deshalb also eher mal nach und reagiert dann". Ein Esel "findet das Loch im Zaun eher als ein Pferd", sagt Lechner und lächelt. Man müsste einen Trottel also vielleicht eigentlich eher mit einem "Du Pferd!" belegen.

Wehrhafter Kranich

Nachdem Braunbärin Olga, Elefant Steffi und Orang-Utan Bruno gestorben sind, ist derzeit ein Paradieskranich das älteste Tier in Hellabrunn. Natürlich die Schildkröten ausgenommen. Pfleger Markus Barakowski, 28, zeigt auf die beiden Kraniche. Meike, das Weibchen, hat einen schlankeren Kopf. Sie ist 36 Jahre alt. "Die können aber bis zu 55 Jahre alt werden." In freier Natur sind es 40 Jahre. Das Männchen, 15 Jahre jünger, sieht für den Laien gleich aus. "Das Verhalten der Tiere ändert sich auch nicht mit zunehmendem Alter", sagt Barakowski. Man könne allerdings aus der Zahl der gelegten Eier vielleicht Schlüsse ziehen auf das Tier.

Tierpark Hellabrunn: Kranich Meike, 36.

Kranich Meike, 36.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im vergangenen Jahr hat Meike noch vier Eier gelegt, dieses Jahr war es bislang nur eins. Vielleicht ist die fruchtbare Zeit des Weibchens demnächst vorbei. Die beiden Tiere stehen am Wasser, dort ist auch ihr Nest, im Schilf, von Wasser umgeben, damit Feinde wie der Fuchs sie nachts nicht erreichen. Wobei Paradieskraniche durchaus wehrhaft sind. Sie springen einen schon mal an, mit den Füßen voraus, und sie picken. "Da gehen sie immer auf Dinge, die glänzen", sagt Barakowski. Etwa die Augen bei einem Feind. Dass sie sich auf glänzende Dinge konzentrieren, hängt aber auch mit der normalen Beute zusammen. "Würmer und Fische, die glänzen eben auch."

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