Süddeutsche Zeitung

Tierpark Hellabrunn:Darum mussten die jungen Banteng-Bullen sterben

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Von Martin Bernstein

"Wenn die beiden Jungbullen Quadro und Quentin nicht auf Entdeckungstour auf der Außenanlage sind, liegen sie gemütlich bei den anderen Bantengs und beobachten das Geschehen um sie herum", so berichtete der Tierpark vor einem Jahr auf seiner Internetseite. "Da diese Rinderrasse auf der 'Roten Liste gefährdeter Arten' als 'stark gefährdet' eingestuft wird, ist es umso erfreulicher, dass es in Hellabrunn dieses Jahr gleich zweimal Nachwuchs gibt."

Zu diesem Zeitpunkt aber hatten Quadro und Quentin nur noch knapp ein Dreivierteljahr zu leben. Im Juli wurden die beiden Wildrinder geschlachtet und das Fleisch an die Löwen verfüttert. Kein anderer Zoo hatte die Jungbullen aufnehmen können.

Javanische Bantengs gibt es in freier Wildbahn fast nicht mehr. Auf ihrer indonesischen Ursprungsinsel leben in zwei Nationalparks gerade mal noch ein paar hundert Tiere. Gleichzeitig schlachtet ein Tierpark, der sich den Artenschutz auf die Fahnen geschrieben hat, zwei erfolgreich nachgezüchtete Jungtiere. Ein Widerspruch? "Eine sehr extreme Einzelfallentscheidung", sagt Zoodirektor Rasem Baban.

Aber eben eine unvermeidliche, wie die zoologische Leiterin in Hellabrunn, Beatrix Köhler, erläutert. Denn die Situation für die Bantengs ist bedrohlich. Die derzeit europaweit 77-köpfige "Reservepopulation" in den Tiergärten soll als "lebender Genpool" (Baban) den Erhalt der Art sichern. Das funktioniert jedoch nur, wenn in den Zoos nachgezüchtet wird - wie zuletzt sehr erfolgreich in Hellabrunn.

Bantengs sind nun aber keine europäischen Kühe, die man einfach auf eine grüne Wiese stellen kann, und auch keine tibetischen Yaks, denen Eis und Schnee nichts anhaben. Die Paarhufer aus der Südsee wollen es warm, sie brauchen beheizte Ställe. Und die sind teuer. Nur noch 17 europäische Zoos leisten sich den Luxus einer Banteng-Herde. Und in jeder Herde gibt es nur einen geschlechtsreifen Bullen.

Vorerst keine weitere Züchtung in Hellabrunn

Kommen dann, wie in München, männliche Kälber zur Welt, müssen die Jungbullen - die sich in der Natur von der Gruppe absondern und irgendwann eine neue Herde gründen würden - abgegeben werden. Das Problem: Alle Zoos haben derzeit einen Stier für ihre Banteng-Herde. Als die Jungbullen in Hellabrunn anfingen, "Stress" im Gehege zu machen, habe es deshalb keine andere Wahl als die Schlachtung gegeben, sagt Köhler. Ein Auswildern einzelner Tiere auf Java sei nicht möglich.

In Hellabrunn werden jetzt erst einmal keine Bantengs mehr gezüchtet. Leitbulle Rahul verspürt das am eigenen Leib: Geschlechtsreife Bullen sind normalerweise schwarz, Rahul ist hellbraun geworden wie ein Weibchen - denn seit November 2016 ist der Banteng-Boss chemisch kastriert. So lange, bis der internationale Zusammenschluss von Zoo-Fachleuten und Experten, der europaweit über den Fortbestand der Bantengs wacht, wieder bessere Vermittlungschancen für neue Banteng-Kälber sieht. Oder wenn die Wildrinder in ihrer Urheimat wieder eine Überlebenschance haben. Dann darf Rahul seine Medikamente absetzen.

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SZ vom 12.10.2017
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