Süddeutsche Zeitung

Jahresbilanz:Im Tierheim wächst die Warteliste

Der Tierschutzverein kann derzeit 69 Hunde gar nicht erst aufnehmen, bis zu einer Unterbringung kann es vier Wochen dauern. Die bayerische Kampfhunde-Verordnung erschwert den Helfern die Arbeit.

Von Lena Stawski

Immer mehr Kampfhunde landen in bayerischen Tierheimen, im Münchner Tierheim machen die sogenannten Listenhunde inzwischen einen großen Anteil aus. Das Dilemma: In Bayern dürfen diese Hunde jedoch nicht vermittelt werden. Und auch die Warteliste an Hunden insgesamt wird länger. Hatte die Wartezeit, um neue Hunde aufzunehmen, einst nur eine Woche betragen, liegt sie im Münchner Tierheim inzwischen bei mehr als vier Wochen: "Aktuell stehen 69 Tiere auf der Liste", sagte Claus Reichinger, stellvertretender Vorsitzender des Tierschutzvereins München, bei der Jahrespressekonferenz am Dienstag.

Der Verein blickt als einer der ältesten und größten Tierschutzvereine Deutschlands in diesem Jahr auf sein 180-jähriges Bestehen zurück. Dieser Jahrestag wird am Samstag, 23. Juli, mit einem Sommerfest auf dem Tierheimgelände in Riem gefeiert. Zugleich findet der Informationstag für sogenannte Listenhunde statt. Es handelt sich dabei um Rassen, deren Haltung und Vermittlung in Bayern nach der Kampfhundeverordnung gesetzlich verboten sind. Mit dem Projekt "Ein Herz für jede Rasse" setzt sich der Tierschutzverein speziell für diese Hunde ein.

Im Münchner Tierheim sind im Durchschnitt von 100 bis 120 Hunden zehn bis 30 Listenhunde, also etwa jeder vierte. Teilweise handelt es sich laut Reichinger um "die absolut nettesten Hunde": "Wir sehen Fehler in der Verordnung. Unser Ziel ist es, die Hunde auch in Bayern vermitteln zu dürfen", sagte der stellvertretende Vorsitzende. Die "Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit" unterscheidet zwei Kategorien: In die Kategorie 1 fallen Hunderassen sowie deren Kreuzungen, bei denen stets die Eigenschaft "Kampfhund" vermutet wird: Dazu zählen zum Beispiel Pitbulls, Bandogs oder American Staffordshire Terrier. Hunde der Kategorie 1 dürfen in Bayern prinzipiell nicht gehalten werden. Für Hunde der Kategorie 2 gibt es je nach Kommune individuelle Auflagen.

Ausnahmen gibt es für Hunde von ukrainischen Flüchtlingen

Für Listenhunde von ukrainischen Flüchtlingen seien gesetzliche Ausnahmeregelungen geschaffen worden. "Wir können uns glücklich schätzen, zwei Listenhunde in Bayern vermitteln zu dürfen", teilte Claus Reichinger mit.

Generell schlägt der Tierschutzverein München für Listenhunde eine Haltungserlaubnis in Bayern unter folgenden Voraussetzungen vor: Danach muss der Hund zum einen aus dem Tierschutz stammen und zum anderen einen Wesenstest bestehen. Ein Hundeführerschein soll eingeführt werden. Der Halter muss ein makelloses polizeiliches Führungszeugnis aufweisen. Ähnlich der Auflagen in der Kategorie 2 kann zum Beispiel ein Leinen- oder Maulkorbzwang gelten. Auf diese Weise wäre eine verantwortungsvolle Vermittlung an zuverlässige Tierfreunde durch die Tierheime möglich.

Denn nicht nur die Zahl an Listenhunden nimmt zu: "Wir bekommen immer mehr verhaltensauffällige Hunde", sagte Claus Reichinger. Dabei handle es sich um Tiere, welche aus Mitleid im Urlaub von der Straße aufgelesen und mitgebracht würden. Diesen Hunden, die lange in Unabhängigkeit gelebt hätten, tue man damit jedoch keinen Gefallen . Tierheimleiterin Eva-Maria Natzer sieht noch ein zusätzliches Problem auf das Tierheim zukommen: "Viele Leuten haben sich während der Coronapandemie einen Welpen zugelegt. Diese kommen jetzt in die Pubertät, werden den Besitzern zu anstrengend und werden abgegeben."

Im Jahr 2021 waren im Münchner Tierheim insgesamt 8263 Tiere untergebracht, zum Großteil Klein- und Wildtiere. Täglich mussten im Durchschnitt 1181 betreut werden, berichtete der Vorstandsvorsitzender Kurt Perlinger. Schwerpunkte der vergangenen Jahre sind für den Tierschutzverein die Neubau- und Erweiterungsmaßnahmen der Tierhäuser gewesen. So wurde inzwischen das neue Hundehaus eröffnet: "Wir sind dabei, das Hundehaus, das heuer endgültig in Betrieb genommen wurde, mit Leben zu füllen", sagte Kurt Perlinger. Dort können pro Tag mindestens 60 Hunde untergebracht werden. Im neuen tiermedizinischen Zentrum befinden sich nun alle entsprechenden Einrichtungen unter einem Dach.

Mehr über die Arbeit des Münchner Tierschutzverein und wie er sich in 180 Jahren entwickelt hat, können Interessierte bei der Veranstaltung am kommenden Samstag erfahren. Das Sommerfest und der Listenhunde-Tag finden von 11 bis 17 Uhr an der Riemer Straße 270 statt. Weitere Informationen sind unter www.tierschutzverein-muenchen.de zu finden.

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