Tierforscher im Gespräch:Ein Fuchs kommt selten allein

Füchse in der Stadt

Der Fuchs schläft gerne unter Fertiggaragen.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Christof Janko findet Marder, Waschbären und Co. in der Stadt ganz normal. Er untersucht das Verhalten von Wildtieren im urbanen Raum. Der Experte für Rotfüchse weiß, was die Tiere in die Stadt zieht - und wieso sich Menschen vor ihnen fürchten.

Von Sabine Buchwald, Freising

Christof Janko, 38, arbeitet seit mehr als zehn Jahren am Lehrstuhl für Tierökologie an der TU Freising. Er forscht über das Verhalten von Wildtieren im urbanen Raum. Er ist Experte für Rotfüchse und hat über deren Verhalten in der Stadt promoviert. Diesen Donnerstag spricht Janko im Green-City-Büro über das vermehrte Vorkommen von Wildtieren in den Städten. (19 Uhr, Zirkus-Krone-Straße 10, Eingang Georg-Schätzel-Straße).

SZ: Wenn Sie einen Marder unter ein Auto huschen sehen, welchen Gedanken haben Sie dann?

Christof Janko: Das ist für mich normal. Egal ob in Starnberg, Herrsching, Augsburg, oder auch mitten in München ist das eine Tatsache. Die Bürger nehmen sie nur oft anders wahr.

Leben Marder nicht besser im Wald?

Nein, gar nicht. Es geht vielen Wildtieren - und nicht nur den Mardern - sogar besser in der Stadt, als auf dem Land, weil sie viel mehr Nahrung finden. Meist sind es Tierarten, die sich an uns gut anpassen können.

Welche Tiere leben denn vermehrt in der Stadt?

Neben dem Marder der Fuchs, der Waschbär und weniger beachtete Arten wie Igel oder Eichhörnchen. Sie nehmen den Menschen nicht als Gefahr wahr.

Sollten wir diese Tier nicht aus den Städten raus halten?

Das geht nicht. Die Tiere haben die Lebensräume schon seit Jahrzehnten fest besetzt.

In Ihrem Vortrag fragen Sie: Müssen wir in der Stadt Wildtiere schießen? Müssen wir?

Es gibt verschiedene Problemfelder. Marder sind nicht beliebt bei Autobesitzern, die Verkotung durch Gänse stört den Badebetrieb, der Fuchs im Garten ist auch nicht immer beliebt. Da kann die Jagd zur Lösungsfindung beitragen. Sie ist aber kein Allheilmittel. Man muss sich mit den Tieren arrangieren und andere Lösungen finden, denn diese Tiere sind ja auch beliebt.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen viel mehr über dieses Phänomen informieren. Den meisten Leuten ist es überhaupt nicht klar, dass es diese Tiere in den Städten gibt. Gut wäre ein Ansprechpartner, der sich den Problemen widmet. Außer Berlin kenne ich keine deutsche Stadt, die sich intensiv damit beschäftigt. Aufklären wäre aber wichtig.

Nahrung im Überfluss

Zum Beispiel?

Erklären, dass man Komposthaufen abdecken muss, denn da finden viele Tiere sehr einfach Nahrung. Oder Dachrinnen verblenden, damit Waschbären nicht hochklettern können. Das Thema Wildtiere ist aktuell nur auf die Metropole fokussiert. Es wird vergessen, dass Kleinstädte und Dörfer dieses Phänomen haben, gerade in Bayern, wo mehr als die Hälfte der Menschen in kleineren Gemeinden wohnen.

Was sollte man wissen, wenn man einem Fuchs zwischen Häusern begegnet?

Wenn Sie einen Fuchs sehen, dann sind mindestens vier da. Stadtfüchse leben nämlich in Familienverbänden. Der Rüde und die Fähe sind immer da und dann kommen noch die Jungtiere dazu. Diesen Sachverhalt haben wir in Wald und Feld nicht.

Urban lebt der Fuchs also verdichtet, wie der Mensch.

Ja. In der Stadt gibt es Nahrung im Überfluss. Der Fuchs hat Tagesschlafplätze unter Fertiggaragen oder in Parkstrukturen wie in Nymphenburg oder entlang der Isar. Auch Schrebergarten-Siedlungen sind sehr beliebt. Sie haben Wurfbaue unter Gartenhütten oder Terrassen und lassen sich auch von Hund und Katze nicht stören. Die Tiere können auf einem sehr engen Raum leben: in der Stadt innerhalb von 50 Hektar, auf dem Land haben sie ein Streifgebiet von mehr als 200 Hektar. Deshalb leben vergleichsweise sehr viel mehr Füchse in der Stadt als auf dem Land.

Wie geht man damit um?

Es gibt Leute, die freuen sich über diese Tiere, andere lehnen sie grundsätzlich ab, sind zwiespältig oder desinteressiert. Weil die Einstellungen so heterogen sind, ist es so schwierig, mit dem Problem umzugehen.

Mancher Stadtmensch hat Angst vor Wildtieren, ist die berechtigt?

Viele fürchten sich, weil es für sie ungewohnt ist. Daran muss man arbeiten. Die Aufklärung der Bürger ist ein essentieller Baustein im friedvollen Zusammenleben. Das Phänomen wird weiter zunehmen, weil sich die Städte immer mehr ausweiten und damit die Mensch-Wildtier-Konflikte. Die einen ärgern sich über Marder, die anderen über Tauben oder Füchse. In der Stadt ist jeder irgendwie persönlich betroffen, aber jeder hat eine andere Wahrnehmung, das macht die Sache so diffus.

Aber es ist doch berechtigt, sich vor Tollwut oder dem Fuchsbandwurm zu fürchten?

Die Tollwut hat man im Griff, die Füchse wurden in der Achtzigerjahren durch Köder geimpft. Gegen den Fuchsbandwurm kann man mit natürlicher Hygiene arbeiten. Obst und Gemüse sollte man unbedingt vorm Verzehr waschen, und wenn ich im Garten gearbeitet habe, muss ich danach die Hände waschen. Das gilt auch für Obst und Gemüse aus dem Freiland, denn Füchse lebe heute überall. Freilich können auch Hunde Überträger vom Bandwurm sein, deshalb muss man sie regelmäßig entwurmen. Man sollte keine Haustiere draußen auf der Terrasse füttern. Das zieht die Tiere an. Der Fuchs hat Respekt vor dem Menschen, man darf nicht die natürliche Distanz abbauen. Man kann den Fuchs auch durch Entwurmungsköder entwurmen. Die sind aber an Forschungsprojekte gekoppelt und nicht frei verkäuflich.

Wenn es ein Eichhörnchen in den dritten Stock eines Mietshauses schafft, darf man es dann mit Haselnüssen belohnen?

Man kann keinem Bürger etwas verbieten, ich würde aber sagen: Wildtiere sollte man nicht füttern. Sie überleben auch ohne Hilfe. Bei einem Eichhörnchen oder einer Amsel entstehen dadurch kaum Probleme, aber beim Fuchs, Waschbär oder Wildschwein kann es konfliktreich werden - dann kommt der Jäger ins Spiel.

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